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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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21. Heft
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Hennig, Willy: Vom heutigen Spanien
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0631

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2Ö2

MODERNE KUNST.

Wie stark Spanien, spanischer Geist und spanisches Empfinden selbst fremde,
nach Spanien verpflanzte Künstler ergreifen, das sehen wir am besten an Greco, jenem
wunderbaren Maler, der als Grieche auf Kreta geboren, in Venedig als Tizians Schüler
arbeitete und dann in Toledo so ganz Spanier wurde, daß niemand die stolze Vor-
nehmheit kastilianischer Granden, den erregenden Mystizismus des spanischen Katho-
lizismus so unheimlich wahr erfaßte und wiedergab wie er.
Sie alle, Morales und Alonso Cano, Ribera und Zurbaran, Murillo, Greco, Ve-
lasquez und Goya sind Spanier, ihre Kunst ist weich, sinnlich und süß wie die Sprache
und dieAugen der Andalusierinnen, oft streng und farblos wie die Landschaft umToledo,
grausam wie die Inquisition oder die Stierkämpfe, stolz und vornehm wie kastilische
Edelleute, oft heiter wie Spaniens Himmel und voll glühender Farben wie Andalusiens
Landschaft, oder ernst, monoton wie die Mancha oder die öden Ufer des Ebro.

Die Reihe der großen Klassiker der spanischen Maierei endet mit Goya, der
1828 starb. Auf der großen Freitreppe vor dem Eingang zu dem unvergleichlichen
Prado steht Goyas Standbild in Bronze. Sein grausam-satirisches Auge scheint den
Eingang zu bewachen, daß nicht unechte Kunst sich einschlciche in diesen Tempel
der höchsten Kunst; und in der Tat, nach Goya wurde kein spanischer Maler würdig
befunden. Nur mit Schwierigkeit sind einige spätere Maler des XIX. Jahrhunderts
in den Prado gelangt. Ihre Bilder hängen in einem Saal vereinigt als Chronik und
Spiegel ihrer Zeit, einer Zeit der Sterilität spanischer Kunst. Andere Werke der
spanischen Malerei des XIX. Jahrhunderts hängen im Museo nazionale. Da hängen
die unheimlich geschickten, prickelnden, innerlich leeren Pinsel-Virtuosenstücke
eines Fortuny, eines Padrilla und Benlliure y Gil, des Direktors der spanischen Kunst-
akademie in Rom, eines Madrazo, Villegas usw. Ihre eklektische Kunst ist nicht einmal
ein matter, banaler Abglanz der lichten Malerei und des großartigen Realismus des

Diego Velasquez, oder der geistvollen, leidenschaftlichen Impressionen des Fran-
cisco Goya.
Neben kleinen süßlichen Kitschbildern hängen da im Museo nazionale riesige
Historienbilder, Erzählungen von grausigen Begebnissen der spanischen Geschichte,
von der wahnsinnigen Königin Johanna, von geöffneten Särgen, von der Inquisition
und von den unheimlichen Glocken des Huesca, Bilder gemalt für starknervige Menschen.
Erst Zuloagas breite und kräftige Malerei knüpft wieder bei Goya an. Zuloaga
und Sorolla y Bastidas phänomenales Können und die distinguierte Eleganz der
Bildnisse d’Angladas machen die spanische Kunst wieder zu einer europäischen An-
gelegenheit, und nun kommen die Jüngsten, die außerordentlich begabten Brüder
Ramon und Valentin de Zubiaurre, Cubells y Ruiz, Mezquita, Ramirez, Manoz De-
grain und andere. Schon in den alljährlichen Ausstellungen der Madrider Kunst-

akademie, bei Gelegenheit der Rompreisbewerbungen erregten die Arbeiten dieser
jungen Künstler durch ihre starke Farbigkeit, die großlinige Einfachkeit ihrer Kom-
position berechtigtes Aufsehen. In unglaublich kurzer Zeit sind diese Künstler auf
den großen internationalen Ausstellungen in Deutschland, Frankreich und Italien
bekannt geworden. Ihre Bilder erzählen von dem Elend der spanischen Bettler, vom
Leben der Bauern und Fischer, von der glühenden Farbenpracht südspanischer Land-
schaft, vom Hafenleben und von den Stierkämpfen, von Sevillas Cigarreras und den
ausgelassenen Ferias der Landleute. Cubells y Ruiz zeigt in geschickt gewählter Per-
spektive den Blick auf ein malerisches Segelboot in der Flußmündung bei Andarroa.
Fein und reizvoll stufen sich die Helligkeiten vom grell beleuchteten Segel ab bis zu
den weichen Tönen der hellen Häuser; die zerrissene Spiegelung im Wasser und das
Spiel des Sonnenlichts auf Außenbord und Deck des Schiffes und auf den Ruderbooten
geben dem Bilde etwas ungemein Frisches und Lebendiges. Desselben Malers „Blick


Aus dem Kunstsalon Isduard Schulte,
Jose M. Lopez Mezquita: Vor den Toren Segovias. Berlin und Düsseldorf.
 
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