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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0676

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MODERNE KUNST.




Die erste Museumsdirektorin. Seit-
dem sich den Frauen auch in Deutschland
die Tore der Universitäten und Hochschulen
öffneten, haben sie sich als ebenbürtige Kol-
leginnen des Mannes in den verschiedensten
gelehrten Berufsarten erwiesen. Wenn ihnen
auch heute noch der Zugang zu manchen
öffentlichen Amt verschlossen ist, so wird im
Laufe der Jahre sicherlich auch diese Schranke
fallen. In anderen Ländern, in denen die Frauen-
emanzipation früher einsetzte, ist dieses Ziel schon
längst erreicht. Es sei hier nur an Frankreich er-
innert, wo die Frauen schon seit Jahren im öffent-
lichen Justizdienste Verwendung finden. Doch die große
Welle der modernen Frauenbewegung kam über den Ozean
zu uns und in den Vereinigten Staaten haben die studierten
Frauen schon seit vielen Jahren die gleichen Rechte wie die

Männer. Dort ist kaum
ein einziges öffentliches
Amt, das nicht von Frauen
bekleidet werden könnte.
Wir sehen die Frau am
Richtertisch, auf dem Pre-
digerstuhl, als Universi-
tätsprofessorin, als Assi-
stentin wissenschaftlicher
Institute usw. Unter den
wenigen Ämtern, die sie
sich noch nicht erobert
hatte, war das einer Mu-
seumsdirektorin. Seit kur-
zer Zeit hat Amerika in
Miß Cornelia B. Sage
aber auch die erste Muse-
umsdirektorin. Die kunst-
verständige Dame leitet
mit großem Geschick die
Buffalo Fine Arts Academy
und Albright Art Gallery
in Buffalo, der Haupt-
stadt der Grafschaft Erie.
Sie veranstaltet ganz selb-
ständig Gemälde- und
Kunstausstellungen, die
von der Presse vorzüglich beurteilt werden. Natürlich liegt auch der Ankauf
neuer Kunstwerke für die Gallerie in ihren Händen und vor einiger Zeit führte
sie eine Studienreise nach Europa, wo sie für ihr Institut neue Erwerbungen
machen wollte. Kürzlich hat Miß Sage in der Gattin Adolf Fischers, des
heimgegangenen, verdienstvollen Gründers des Museums für ostasiatische Kunst
in Köln, auch bei uns eine würdige Kollegin erhalten. —n.

Miß Cornelia B. Sage.
Phot. Richard Fuchs, Berlin-Niederschöneweide.

Else Lehmann, die große Meisterin der naturalistischen Darstellungs-
kunst, dürfte in der nächsten Zeit in Berlin kaum Gelegenheit zur Entfaltung
ihres urwüchsigen Talentes haben. Die Sozietät, die sie mit anderen Kollegen
aus dem Ensemble Brahms begründet hatte, hat sich in ihrer ersten Gestalt
nicht als lebensfähig erwiesen, und so hat Else Lehmann gleich anderen Ge-
nossen ihr schon am Ende der ersten Spielzeit den Rücken gekehrt. Damit
scheidet bis auf weiteres aus der Berliner Bühnenwelt eine Individualität aus,
für die es schlechtweg keinen Ersatz gibt. Denn wir haben unter dem Nach-
wuchs ganz einfach keine Künstlerin, die in solchem Maße die göttliche Kunst
besitzt, zu weinen und zu lachen, ein starkes Gefühl im Innersten zu erfassen
und mit großer Wahrheit und Einfachheit auszudrücken. Man hat sie die
Meisterin der naturalistischen Darstellungskunst genannt; aber ihr
Naturalismus ist alle Zeit weit davon entfernt gewesen, ein
gemeines Konterfei der Natur zu geben, und darum sind
ihr in den Werken der modernen Richtung gerade die
Partien tiefer Empfindung immer am ausgezeichnetsten
gelungen. Man übertreibt wohl kaum, wenn man
behauptet, Else Lehmann sei die innerlichste und
posenfreieste Darstellerin, die die deutsche Bühne
je besessen. Am Wallnertheater wurde die im
Jahre 1866 in Berlin geborene Künstlerin in
ihrer ganz besonderen Bedeutung entdeckt,
und als sie dann an das Deutsche Theater
kam, entwickelte sie sich von Rolle zu Rolle
immer reifer als die große Charakteristikerin,
als die wir sie heute verehren. Nach der
Übersiedlung des Brahmschen Ensembles in
das Lessingtheater wuchs sie immer mehr in
die Gestalten Ibsens und Hauptmanns hinein,
deren Seelenkämpfe sie, ohne die „Bescheiden-
heit der Natur“ zu verletzen, gerade mit
ihrer Einfachheit im Stil und Vortrag zu
unvergeßlichen Wirkungen brachte. Die sinn-
lich - gemeine Triebfähigkeit der Hanne im
„Fuhrmann Henschel“, die köstlich gemischte
Diebsnatur der Mutter Wolffen im „Biberpelz“,
das forsche, ehrliche Draufgängertum der Lona
Hessel in den „Stützen der Gesellschaft“, das stille
Märtyrertum der Helene Alving in den „Gespenstern"
— um nur ein paar Grenzsteine zu setzen — sind
ihrem geistig-seelischen Erfassungsvermögen und ihren
Ausdrucksmitteln gleich erreichbar. Eine Künstlerin von
..solchen inneren und äußeren Reichtum dürfen unsere Bühnen-
leiter nicht allzu lange feiern lassen 1 k.

worden, und auf dem diesjährigen Tonkünstlerfest in Essen hört man seine zweite
Sinfonie zum ersten Male. Die Oper scheint sich auf dem Repertoir erhalten zu
wollen; denn sie erzielt fortdauernd volle Häuser. Der jetzt so viel genannte
Künstler ist am 22. Dezember 1874 zu Prcßburg in Ungarn geboren. Als pianisti-
sches Wunderkind machte er seiner Zeit in seinem engeren Vaterlande bereits
Aufsehen, und eine hoffnungsvolle Zukunft schien dem Knaben zu blühen. Da
verarmte die Familie plötzlich, und der junge Franz war mit einem Male vor
die bittere Notwendigkeit gestellt, sich bereits im Alter von vierzehn Jahren
sein Brot verdienen zu müssen. Es bot sich ihm Gelegenheit, eine Stelle als
Hauslehrer in der Umgegend von Wien zu erhalten. Er mußte in den Gymnasial-
fächern, aber auch im Klavierspiel und in der Theorie, obwohl er in diesen
Zweigen der Kunst Autodidakt war, Unterricht geben. Bald konnte er sich
auch als Korrepetitor und Klavierbegleiter in Konzerten erfolgreich betätigen.
Inzwischen hatte Schmidt, der Not, nicht dem eigenen Triebe, gehorchend, das
Violoncellspiel erlernt. Diese Kunst brachte ihm 1896 ein Engagement am
Orchester der Wiener Hofoper ein; aber die Kniegeige war nicht sein Lieblings-
instrument, und mit tiefster Sehnsucht harrte er des Tages, an dem er das
Violoncell wieder mit dem
geliebten Klaviere vertau-
schen konnte. Der Orchester-
dienst hatte ihm aber die
Augen für die Opern- und
sinfonische Musik geöffnet;
er verdankt dieser Tätigkeit
nicht zum geringsten sein
großes Wissen und Können als
Orchesterkomponist. Schließ-
lich erreichte er das Ziel:
Er wurde als Professor des
Klavierspiels - an der K. K.
Akademie für Musik in Wien
angestellt, wo er noch heute
in gleicher Eigenschaft wirkt.
Nicht viel Kompositionen be-
sitzen wir bis jetzt von dem
Künstler, der das Los so
vieler Berufsgenossen mit
ähnlichem Können, nämlich
zunächst unbeachtet und bei-
seite geschoben zu werden,
teilt. 1897 bis 1899 kompo-
nierte er seine erste Sinfonie
in E-dur, die in Wien 1901
zwei Mal aufgeführt wurde
und großes Aufsehen erregte,
dann aber plötzlich in die
Versenkung ver-
schwand, bis sie erst 1907 durch den vor kurzem verstorbenen
Generalmusikdirektor v. Schuch in Dresden wieder ans
Licht gezogen wurde. In den Jahren 1902 bis 1904 schuf
er seine Oper „Notre-Dame", die aber, wie es scheint,
infolge irgendwelcher ungünstigen Gegenströmungen
erst in diesem Jahre zur Aufführung kam. Denn
sonst ließe sich das zehn Jahre lange Liegenlassen
eines von der Presse mit geringen Ausnahmen
anerkannten Werkes kaum erklären. Nun, jeden-
falls hat Franz Schmidt trotz dieser wenigen,
allerdings größeren Arbeiten sich einen Namen
geschaffen, und gern wird man den weiteren
Werdegang des Künstlers verfolgen. Dy. P. E.

Professor Franz Schmidt.
Copyright 1914 by Ii. C. Kosel, Wien.

Else Lehmann.
Phot. Willinger, Berlin
 
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