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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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23. Heft
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Otto, Friedrich: Das Flugzeug in der Praxis
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Busch, Paula: Miss Dasy
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Unsere Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0700

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296

MODERN!': KUNST.

Eine englisch-norwegische Reederei unterhält schon seit Jahren eine regel-
mäßige Verbindung mit den Mündungen des Ob und Jenissei, die aber oft durch
Treibeis erschwert oder unterbrochen wird. Die Gesellschaft beabsichtigt, jeden
ihrer drei Dampfer mit einem Flugzeug auszurüsten, das bei vorkommenden
Gelegenheiten die offene Fahrtrinne erkunden soll. Das hat bisher häufig un-
nütze Versuchsfahrten veranlaßt, die man durch die Flieger zu vermeiden hofft.
Praktische Aufgaben werden auch die drei Flugzeuge zu lösen haben, die Amundsen,
der Entdecker des Südpols, auf seiner bevorstehenden arktischen Expedition
mitzunehmen gedachte. Eine englische Firma hat eine Zeitlang ihre Kunden
auf einigen in der Irischen See liegenden Inseln zweimal in der Woche durch einen
Flieger mit Tabak versehen lassen. Doch ist über die „Betriebsergebnisse“ dieser
Firma bisher nichts bekannt geworden.

Alles in allem ist also die praktische Verwendung der großartigen Er
findung des Flugzeugs, wenn man vom Militärischen und Sportlichen ab
sieht, bisher noch recht klein. Die meiste Aussicht, in praktischer Beziehung
gute Dienste zu leisten, hat das Flugzeug in den Kolonien, im Dienste der
Post und als Flugboot auch im Luftreiseverkehr, weil das Fliegen über Seen
und Flüssen ein hoher Genuß ist und im schwimmfähigen Flugboot auch als
sehr sicher gilt.
Ob die modernsten aller Flugzeuge, die Luftriesen ä la Sikorski mit möblierten
Kabinen, Aussichtsbaikonen, das Zeitalter der praktischen Verwendung des Flug-
zeugs schneller heraufführen werden, läßt sich zurzeit noch nicht recht über*
sehen, obwohl der neueste Sikorski-Omnibus einem fliegenden Eisenbahnwaggon
nicht unähnlich ist.


JVIiss Dasy.


Ein wahres Geschichtchen aus dem Artistenleben des vorigen Jahrhunderts von Paula Busch.

[Nachdruck verboten.]

J

iß Dasy war mit ihrem Lehrmeister, dein amerikanischen Zirkusdirektor Powel,
nach Paris gekommen. Nie zuvor hatte eine Stehendreiterin größeres Auf-
sehen erregt. Ihre Leistungen stellten alles bis dahin Geschaute in den Schatten. Sie
sprang ohne Sprungbrett aufs Pferd, drehte ein Doppelsaltomortale, sprang hinter-
einander durch 40 Reifen und über 30 bis 40 Fuß breite Flaggen. Sie war der Lieb-
ling des vornehmsten Logenpublikums wie der Galeriebesucher, und man überhäufte
sie mit Lorbeerkränzen und Blumen, schenkte ihr Juwelen und Gold; die Liebes-
briefe waren kaum zu zählen. Mister Powel, der Lehrmeister, freute sich, denn er
wurde ein reicher Mann.
Von den männlichen Kollegen bewundert und gefeiert, mußte sie Neid und
Mißgunst ihrer Mitschwestern ertragen, denn sie konnte nicht nur so viel mehr als
die andern, nein, sie war auch in ihrer blonden Smartheit so viel, viel schöner, und
gerade dieser Zug von Männlichkeit um den feingeschnittenen, ein wenig scharfen
Mund machte sie um so interessanter, pikanter.
Unter all den andern Damen des Zirkus, die nur beneiden und hassen konnten,
befand sich eine kleine brünette Voltigeuse, die voller Bewunderung für die neue
Kollegin war. Sie schwärmte für Miß Dasy, wie nur ein phantastischer Backfisch
für einen Heldentenor! Man merkte es Miß Dasy an, diese Art Bewunderung, die
schon anfing eine Art Aufdringlichkeit zu werden, wurde der gefeierten Künstlerin
oftmals zu viel. Wenn sie mit ihrer Nummer fertig war, konnte sie sich nicht
hastig genug ihren Umhang um die Schultern legen lassen, um dann im Lauf-
schritt ihre Garderobe aufzusuchen, mit einem ängstlichen Seitenblick, ob ihr Made-
moiselle Jeanne, die kleine bewundernde Voltigeuse, nicht doch vielleicht schon
wieder hart auf den Fersen sei.
Heute nützte Dasy die große Eile nichts, denn Jeanne erwartete, sie schon an
der Garderobentür. Sie schlüpfte mit hinein, ehe es Dasy hindern konnte. „Darf
ich Ihnen ein wenig behilflich sein, Miß?“ bat die Kleine. „0, thank you, ich kann mich
helfen allein.“ Dessen ungeachtet nahm Jeanne Dasy gegenüber Platz, die sich zu
frottieren begann. „Ich bewundere Sie, Miß: Von Ihnen kann ich noch so viel lernen.“
„Well, ich will Sie helfen morgens in die Prob!“-- „Wie freundlich von Ihnen.
Ach, Miß Dasy, wissen Sie, was ich noch sehr an Ihnen bewundere?“ Die Amerikanerin
machte ein fragendes Gesicht. „Ja sehen Sie, Sie könnten doch so viele Freunde und
Liebhaber haben, wie Sie nur wollten, und doch, Sie bleiben stets die Unnahbare,

die vornehme, große Künstlerin. Miß Dasy haben Sie noch nie einen Mann wirklich
gut leiden mögen?“ Da mußte Miß Dasy lächeln, seltsam und traurig, Tränen traten
ihr in die Augen, sie wandte sich ab, aber Jeanne hatte es doch gesehen. Sie fiel ihr
stürmisch um den Hals und bat: „Verzeihen Sie mir, wenn ich mit meinen Fragen takt-
los war. Aber-ich interessiere mich so für Sie und Ihre Geschichte, weil ich Sic
lieb habe.“
Da küßte Dasy die kleine Jeanne herzlich und leidenschaftlich, daß sie einfach
nicht wußte, wie ihr geschah. „Ach, ich hab’ immer geglaubt, Dasy, Sie könnten
mich gar nicht leiden, weil Sie mir immer fortgelaufen sind, ich hab’ es wohl ge-
merkt.“ -„Ich darf dich nicht leiden können ... ich darf nicht“, sagte Dasy
leise. „Doch .. . doch ... und wenn du Dasy, du große schlanke, blonde, schöne Dasy
— lache mich nicht aus, ich sage eine große Dummheit, aber ich sag’ dir’s doch, —
wenn du ein Mann wärest, ich könnte nur dich recht lieb-“. Weiter kam die
kleine Jeanne nicht in ihrer Beteuerung, denn als sie zu ihrer großen schönen blonden
Dasy aufblickte, beugte sich das schönste Jünglingsantlitz über sie; die blonde Perücke
war in einen Winkel geflogen, ein blondes Lockenhaupt rahmte das schöne Gesicht
ein. „Das ist mein Geheimnis ... ich bin ein Mann, kleine Jeanne. Weißt du nun
alles ?“ Dem ersten Schrecken war ein unendlicher Jubel gefolgt. Jeanne hing an seinem
Halse und lachte und weinte wie ein Kind. In diesem Augenblicke wurde die Tür auf-
gerissen, und der Impresario, der amerikanische Zirkusdirektor Powel stand sprachlos
auf der Schwelle. „Well, Mister Powel, ich mak. nicht mehr mit! Ich will nicht länger
sein eine kleine Mädchen!“ lachte der schöne junge Mann. „Oho“, rief Powel wütend,
„und die Kontrakt, die Kontrakt? Noch drei Jahre sein Sie bei mir engagiert!“
„Well“, antwortete der junge Amerikaner sehr ruhig, „wenn Sie nicht sofort in Ruhe
lösen die Kontrakt, weiß heute noch die ganze Welt von unsere Schwindel. So aber
verschwindet Miß Dasy plötzlich ... sie ist durchgebrannt und eine Frau Baronin
geworden! Mister Powel wird mir zwei Billete für morgen Abend nach London be-
sorgen — ich heirate die kleine Jeanne!“ Der junge Amerikaner legte Powel die Hand
auf die Schulter. „Mister Powel ist ein klug Mann, hat genug verdient an Miß Dasy,
well, wir wollen als old friends scheiden!“ Da reichte ihm Powel die Hand, denn sein
Impresariohirn hatte es doch erfaßt, daß es das beste sei, in diesem Falle stillschweigend
nachzugeben, Miß Dasy die Billette nach London und einen patenten Sakko zu be-
sorgen.

Unsere I3ilder.

A. Dressei: Amsterdam. Was für den Menschen das Antlitz, ist für die
Hafenstadt der Hafen; durch ihn erhält sie ihr charakteristisches Aussehen.
Stettin, Hamburg und Bremen, Amsterdam und Rotterdam, Dover und Calais,
Neapel und Genua — wieviele Eindrücke verschiedener Art tauchen vor dem
Auge des Reisenden auf, trotzdem das Hafenleben einen internationalen Anstrich
hat und manches Gemeinsame aufweist. Man sollte also einer Hafenstadt nur
von der See aus nahen — um dann, wie z. B. bei Kopenhagen, einem unver-
geßlichen Bilde von höchster Schönheit gegenüberzustehen. Bei Amsterdam
freilich bedeutet die Schiffahrt durch den Zuider See einen Umweg und vor
allem einen Verlust an Zeit, da diese Stadt von Osten und Süden, ja selbst
von Norden und von Westen über Rotterdam Schneller auf dem Landwege zu
erreichen ist. Immerhin darf der Besucher dieser Hauptstadt Hollands, die
aber nicht zugleich die Residenzstadt ist, den Hafen nicht unbeachtet lassen.
Überhaupt ruft Amsterdam, dieses nordische Venedig, das gleich seiner italie-
nischen Schwesterstadt auf Pfählen erbaut ist, einen starken Eindruck hervor.
Das gilt nicht nur von seinen eigenartigen Kanalstraßen, wie z. B. der Prinsen-
gracht, der Keizersgracht und der Herrengracht, von seinen Museen und sonstigen
Bauten; sondern diese Heimatsstadt Spinozas und Todesstadt Rembrandts
fesselt ebenso durch ihre ärmeren Stadtteile, wie z. B. das Judenviertel, dessen
buntes Leben einem Max Liebermann immer neue Motive für seine Malerei bot.
Nach Nordosten breitet sich der Zuider See mit der Insel Marken, deren Be-
wohner eine so malerische Tracht tragen. Nach Westen zieht sich mit seinen
hohen, gemauerten Windmühlen der Nordseekanal, an dem Zaandam liegt, wo

einst Peter der Große die Schiffbaukunst studierte. Kurz, die Stadt selbst und ihre
Umgegend sind reich an historischen Erinnerungen, an Kultur-Eroberungen und
malerischer Schönheit. # „.
*
Ein Gemälde, das auf dem diesjährigen Pariser Salon lebhaftes Aufsehen
erregt, ist Rene Billottes „Bei Mondaufgang“. Es führt zu einem jener
französischen Flüsse oder Kanäle, die in schön gefaßten Ufern durch so reiche
Landschaften gleiten, daß man Schillers Wort auf sie anwenden möchte: „Und
wie ein Garten ist das Land zu schauen“. Auf sanftem Hügelrücken ragt eine
Ruine in den Herbstabend, das Land umher beherrschend, das sich still und.
wohlig hinzieht. Schon ist die Sonne im Versinken; ein erster, leichter Dunst
steigt aus dem Fluß empor, um die Natur mit losem Schleier zu verhüllen und
damit noch lieblicher zu machen. Denn bald wird der Mond aufgehen und diese
Schleier mit silbrigem Tone erfüllen, bis die Gegend gleich einer sanften Melodie
zu ertönen scheint.
* * *
In die Nähe des Meeres versetzt uns Hilda Fearons „Sandweg“, die
eine Anzahl elegant gekleideter Badebesucherinnen teils auf der Flöhe des Sand-
hügels, teils bei dem schwierigen Abstiege zeigt. Es hat etwas Drolliges, zu
sehen, wie diese Damen ihre elegante Toilette raffen und sich mit dem Un-
gewohnten des Weges abzufinden suchen, der recht wenig an Parkettboden
erinnert und ihnen ungewohnte Schwierigkeiten bereitet.
 
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