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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI issue:
24. Heft
DOI article:
Abeking, Hermann; Frenzel, Oskar [Ill.]: Oskar Frenzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0718

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OSPAR FRENZEL.
Von Hermann Abeking.

jyKsgw as Sehnen des Großstädters ist das Land. Ihm, der im engen Häusermeer auf-
gewachsen ist, dessen Auge von Kindheit an mit dem einförmigen Grau der
Straßen gespeist wurde, dem der Horizont sich schließt in mächtig auf-
getürmten Gemäuern, ihm ist schon in der Wiege ein Lied in die Brust gelegt, ein
Lied von weithin sich dehnenden grünen Matten und dem endlos sich spannenden
blauen Himmelszelt. Und wenn der Knabe zum Jüngling, der Jüngling zum Manne
reift, dann hält ihn seine Mutter nicht mehr, die graue Stadt; dann zieht es ihn mit
dem ersten Strahl der Frühlingssonne hinaus, seine zweite rechte Mutter zu suchen,
die freie unendliche Natur. Und er sucht sie dort, wo sie unberührt von dem hastigen
Wirken der Menschen zu schlummern scheint und nur leise sich regt. Er meidet die
eisernen Spuren, die das Dampfroß sich zog, er meidet die festgestampften Bahnen
der steinernen Chausseen ■— und während sein Fuß in dem weichen Sande der alten
Landstraße fast versinkt, nähert er sich langsam dem Dorf. Da breitet sich ein Weiher
vor ihm aus. Die alten Weiden scheinen ihn zu grüßen, und bedächtig schreitet die
heimkehrende Herde an dem Fremdling vorüber.
So sind viele unserer ersten Landschaftsmaler und Naturschilderer nicht auf dem
Lande selbst erwachsen. Es mag sein, daß ein alltägliches Ineinanderleben und
Gewöhnen die Dinge ihres poetischen Zaubers entkleidet; es mag sein, daß der Knabe,
der die Kühe selbst zur Weide trieb, sich ein ferneres Königreich erträumte und als
Mann nach einst ihm fremden glitzernden Sternen greift, anders wie der Städter, der
nichts Lieberes kennt, als seine Arme auszubreiten und sein Haupt zu betten in den
Schoß der weiten stillen Natur.
Oskar Frenzei ist geborener Berliner; er erblickte hier im Jahre 1855 das Licht
der Welt. Frenzei ist seiner Vaterstadt, in deren Kunstleben er eine hervorragende
Stelle bekleidet, stets treu geblieben. Der Weg zur Kunst ist Frenzei nicht leicht
geworden. Er rang als Lithograph um das tägliche Brot, und erst als fast Dreißig-
jährigem gelang es ihm, sich ganz der Malerei zu widmen und die Berliner Akademie
zu beziehen. Hier fand er besonders in Meyerheim, dessen Klasse er im Jahre 1884

besuchte, ferner in Bracht, bei dem er 1885 studierte, fördernde und verständnisvolle
Lehrer. Frenzei ist ein Eigener. Fremde Anklänge liegen seinem schlichten Wesen
fern. Dennoch müssen wir, die wir jetzt Frenzeis Werk überschauen, zugeben, daß er
schwerlich hätte Lehrer finden können, die wie diese geneigt waren, ihm bei der Aus-
bildung seiner Fähigkeiten behilflich zu sein. Das Studium des Tierkörpers dürfte bei
Meyerheim, das Eindringen in die Landschaft bei Bracht seinen rechten Ausdruck
gefunden haben. So spät Oskar Frenzei erst zur Kunst gelangte, um so schneller
ebnete sich .dem schon Reiferen und Erfahreneren der fernere Weg. Bereits sein erstes
größeres Werk wurde 1890 für die Pinakothek in München angekauft. 1896 erhielt
der Künstler auf der Großen Berliner Kunstausstellung die Große goldene Medaille.
Weitere Auszeichnungen auf Ausstellungen, so in München, Dresden, Wien, auf Inter-
nationalen Ausstellungen, Paris (1900), Chicago, Buenos Aires, Barcelona, blieben nicht
aus. 1904 wurde Oskar Frenzel zum Professor und zum Mitgliede der Kgl. Akademie
der bildenden Künste Berlin ernannt. Werke von seiner Hand hängen in der Kgl.
Nationalgalerie Berlin und in den öffentlichen Gemäldesammlungen zu Dresden,
Wien, Königsberg uud Magdeburg.
Oskar Frenzel ist keine problematische Natur. Der Weg von der Natur zum
Auge, vom Auge zur Hand, von der Hand zur Leinwand geht bei ihm nicht durch
tausenderlei Spitzfindigkeiten und Klügeleien. Mit ruhiger Sicherheit schafft er sein
Werk, gleiche Ruhe und Freude dem Beschauer bietend. Was Frenzel seine Eigenart
verleiht, ist die gleichmäßige Liebe zum Landschaftlichen und zum Haustiere, vor-
nehmlich dem Rinde. Es hat Zeiten gegeben, in denen der Landschaftsmaler Mensch
und Tier als Staffage verwandte, diese also künstlich in sein fertiges Bild hineinsetzte
oder gar von fremder Hand hineinsetzen ließ. Mit einem solchen Beginnen hat
Frenzel vollkommen gebrochen, ihm lebt die Natur gleichwertig mit dem Tiere, das
Tier mit der Natur. Rein malerisch betrachtet, ist es leicht zu erklären, wie gerade
die Rinderherde das Auge des Künstlers reizen und stets von neuem entzücken mußte.
Die massigen Körper geben geschlossene Formen, die sich ohne nervöse Hast den

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