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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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26. Heft
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Tovote, Heinz: Die Zigarettentasche
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0781

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324

MODERNE KUNST.




Edmund Erpff: Leichtathletik' Am Ziel.

Eines Tages bewun-
derte ich einen kost-
baren Ring, den sie trug.
Sie schien in Schmuck
ganz vernarrt zu sein. Da
zog sie ihn ab, schob ihn
mir auf den Finger und
wollte durchaus, daß ich
ihn behalte, daß ich ihn
mir vergrößern lassen
sollte. Und sie ließ nicht •
ab, wollte nicht begreifen,
daß das unmöglich sei. —
Ihr zu Liebe sollte ich ihn
immer tragen. Von nun
an war sie von der Idee
besessen, daß sie mir
irgend et-
was schen-
ken müßte,
da ich den
Ring nicht
wollte.
Wenn sie
zu mir kam,
geschah es
selten mit
leeren Händen. Früchte, Süßigkeiten, Zigaretten, aber das waren Dinge, die
sie mehr für sich, als für mich mitbrachte, ebenso wie die Blumen, mit
denen sie mein Zimmer schmückte. Ich konnte es ihr nicht wehren, ich
selbst sorgte dafür, daß immer ein kleines kaltes Büfett da war, Aus-
gaben, die meinen Etat oft beträchtlich überschritten. Die paar Kleinig-
keiten, die sie zusteuerte, fielen dabei nicht ins Gewicht, sie gaben dem
Ganzen weit mehr das Bild der Gleichberechtigung. Sie tat es wohl auch
hauptsächlich, damit sie das Gefühl voller Freiheit und Unabhängigkeit behielt.
Eines Tages, da mein Geburtstag herannahte, fragte sie mich: ich sei
doch Mitglied des Yachtklubs? Auf meine Gegenfrage lachte sie nur ver-
gnügt und wollte nichts verraten.
Aber nichts schenken! bat ich sie. Ich mag es nicht. Nur eine Blume
und natürlich den ganzen Abend! . . .
Dazu nickte sie und lächelte ge-
heimnisvoll vielversprechend.
Unter den Blumen, die sie mir an
diesem Tage brachte, lag ein silbernes
Zigarettenetui, und aus kostbaren
Steinen war darauf das Abzeichen 1
unseres Yachtklubs.
Allein das ging unmöglich! Ich
konnte solch ein wertvolles Geschenk
nicht annehmen, in keinem Falle.
„Ich habe leider sonst keine Be-
kanntschaften im Yachtklub“, sagte sie
endlich ganz böse, „und ich wüßte nicht,
an wen ich es weitergeben könnte. Du
mußt es schon behalten, denn es ist
extra für dich angefertigt. Da wird
dir nichts helfen.“
„Aber es ist unrecht von dir. Ich
hatte dich doch so gebeten.“
„Es ist wirklich nichts dabei. Und
es wäre ja noch schöner, wenn ich dir
nicht mal solch eine Kleinigkeit schenken
dürfte! ..."
So mußte ich schließlich einwilligen
und mußte die Dose auch gleich in
Gebrauch nehmen. Es dauerte nicht
lange, da hatte ich mich daran ge- Edmund Erpff:

wohnt, daß ich ohne das silberne Ding gar nicht mehr ausging. Es war
wirklich kostbar und eigenartig, und ich hatte jedesmal Freude daran.
4: *
*
Eines Tages kam sie nicht zu mir. Ich wartete bis Mitternacht, aber
erhielt keinerlei Nachricht. Es war. schon geschehen, daß sie im letzten
Augenblick eine Absage geschickt hatte mit irgendeinem Boten. Aber daß
ich ganz ohne ein Wort blieb, war doch noch nicht : vorgekommen, und ich
war ganz fassungslos; denn ich war noch immer ganz vernarrt in sie.
Am Fenster saß ich, und alle Augenblicke lief ich an die Tür, ob es auch
nicht etwa geklingelt hatte,-ob nicht im Briefkasten ein Billett eingeworfen
war. Bis Mitternacht wartete ich so. Vielleicht, daß sie doch noch kam . . .
Aber nichts war zu sehen.
Ich konnte am folgenden Morgen den Briefträger vor Ungeduld nicht
erwarten, der sich verspätete. Ich ging hinunter, um ihm auf der Straße
schon die Post abzunehmen, er hatte nur eine. Karte und die Reklame eines
Zigarrengeschäfts, sonst nichts, trotzdem ich ihn veranlaßte, seine Tasche
noch einmal durchzusehen.
Keine Zeile! — Was war geschehen ? .
Ich stürzte mich auf die Morgenblätter, den Lokalanzeiger, das Tage-
blatt. Wenn ihr ein Unfall zugestoßen war ? Ein Autozusammenstoß, ein
Unglücksfall? Aber es war nichts passiert. Ich fragte auf einer Redaktion
an, ob sich vielleicht am Abend etwas ereignet habe — aber es war nichts
gemeldet.
Ich wollte zur Polizei. Aber wie konnte ich das! ... Ich kannte ihren
Namen nicht, wußte ja nicht, wer sie war. Außer ihrem.Vornamen wußte
ich nichts von ihr. Wenn ich nachforschen ließ, konnte ich ihr womöglich
die größten Unannehmlichkeiten bereiten. Das war ausgeschlossen. Ein
Detektivbureau? Aber auch da war die. Gefahr ebenso groß.
Vielleicht war sie krank geworden und hatte niemand, dem sie sich an-
vertrauen konnte.
Oder ihr Mann war plötzlich zurückgekommen!
Es war nicht auszudenken, wie das werden sollte. Nur das nicht! —
Was konnte alles daraus entstehen ? Sicher nur Unruhe, vielleicht gar eine
Katastrophe.
Am wahrscheinlichsten, daß sie erkrankt war, da ja ein Unglücksfall
sich nicht erweisen ließ.
Daß ich auch nicht wußte, wo sie wohnte, daß
ich ihr nie nachgeforscht hatte. Zu dumm, daß
ich mein Versprechen so wörtlich gehalten hatte.


Leichtathletik.

Der Sieger.
 
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