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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 5
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Becker, Franz Karl: Kaiser Karls Gesellen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0191

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Kaiscr Karls Gcsellcn.

Einen zum Baumeister, Haus und Heim zu bauen jedem
nach seiner Lust und dauerlich zu schützen vor den Win-
den. Burgen, Kirchen und Klöster nach Gesetzen der
Kunst, einheitlich wie aus dem Gestein erwachsen, großen
trotzigen Wesen gleich. Einen zum Erforscher der Welt-
kräfte und Menschengeschichte, alles Sinnfallige ver-
ständig zu betrachten, genau nachzuforschen in den Falten
und Bauschen der ewigen Erde. Der Gestirne Abstand
und Gang zu ermessen, schöne Worte auszustreuen über
das, was außer den Sinnen liegt, und wieder erwecken
wehmütig, was einst war.

So tat Kaiser Karl mit seiner Schar, bestallte sie und
ward seiner Wirkung froh. Hatte nur noch zwei bei sich
von den Awölf, der eine ritt rechts, der andere links
neben ihm. Da er sie nun betrachtete und sich besann,
schien es ihm, als ob diese zwei noch edlere Art hätten
und noch schönere Rasse als die andern. Blühend jung
waren ihre Münde, und ihre Augen kindlich unbefangen.
„Was nun tu ich mit denen da?" sagte der Kaiser zu sich
selbst, „alle Würde und Arbeit vergab ich schon." Von
dem ausgesäten Wohl stand Freude in ihm auf, er sagte
laut: „Wenn einer von euch sänge, das würde mir
wohl tun!"

Sofort folgte der eine emsig, hob seine Stimme und
begann zu singen. Mit heller, jubelnderKraft begann er.
Er sang von der ewigen Sonne, von der nährenden Welt,
von der Blüte, von der Sehnsucht und vom Tode. Wie
ein Fall bergfrischer Wasser war seine Stimme, sie sprang
auf, jauchzend und schimmernd, stieg und fiel im gleiten-
den Wechsel, wie ein Kämpfer, der des Sieges gewiß ist,
und zerging zuletzt wie ein Hauch.

Kaiser Karl sagte sodann: „Du sollst ein Dichter sein,
hinziehen sollst du ins Ungewisse, sollst singen und dichten.
Nicht Besitz sollst du haben, noch Gut, noch hohe Ehre.
Leben sollst du von dem Brot, .das man dir abschneidet,
und von dem Wasserkrug, den man dir darreicht. Gleich-
mütig sollst du sein gegen Schimpf und Schmahung, den
Reichtum in dir mehren, daß er den Menschen ein un-
erschöpflicher Born ist. Und aus Traum und Schaum
sollst du weben deine Gespinste und Gesichte, und das
allein sei deine Trauer, wenn sie dir ungesungen ver-
rinnen. Geh!"

Der Jüngling legte ab allen Prunk, beugte sich und
ging. Jn die Ferne hinein schritt er singend, tauchte in
den Wald ein, aus dem sein verlorener Gesang schallte,
schön verklingend.

Als Kaiser Karl nun mit dem letzten weiterritt, war
es ihm doch, als ob Nacht sänke, und als ob es plötzlich
finster würde. Sie spornten die Rosse und kamen nach
Jngelheim, wo die Kaiserburg stand.

„Du, komm, Lieber," sagte der Kaiser zu dem letzten
der Awölf, „für dich hab ich das Schönste."

Sie ritten der Burg zu, die ward aufgetan mit Trom-
petenstößen. Stiegen in die Gemächer hinauf. Aber
aus dem Gaden der Frauen führten treue Greisinnen ein
blondes Kind herbei, lieblich von Jugend, im Alter der
süßen Beschämung.

„Siehe," sagte Kaiser Karl zu ihr, indes er sie lüßte,
„was ich dir mitgebracht. Ein Herzgespiel! Den lieb-
werten Gesellen da, den Stolzen da!"

Jhre Hände vereinigte er in seiner.

„Du nun", sagte er froh, „sollsi diese zu dir nehmen als
deine Frau. Eine Burg geb ich dir. Darauf sollt ihr wohnen.
Ein Geschlecht von Königen soll eurer Liebe Frucht sein."

Trunk und Speise ward gebracht, sie erlabten sich
fröhlich. Aogen sogleich von dannen.

Am Nhein auf der Lurlei stand die Burg des schönen
Paares. Sobald sie an den Strom kamen, der Kaiser
und die Awei, nahte sich schon der Fischer mit dem Kahn.

„Zieht hin," sagte Kaiser Karl, „da oben auf der
Höhe leuchtet im Abendlicht euer Heim."

Sie stiegen von den Pferden und betraten den Kahn,
innig verschlungen. Diener jagten mit den Pferden
wieder zurück. Kaiser Karl allein wartete. Jndes das
Schifflein hinüberglitt, sah er voll des Glückes das edel-
schöne Paar. Wehmütigen Segen murmelnd, wandte
er sich, fortzureiten.

Da schrie es plötzlich laut auf vom Strom her. Jäh
hielt Kaiser Karl an, warf sein Antlitz um, sah.

Geborsten an tückischerKlippe war das Schifflein. Jm
Strom rang Edelmaid und Edelfreier. Sie hielten sich
treu und versanken. Fischer kamen mit Booten und
Stangen, sie suchten lange. Eine kleine Kirche lag am
Gestade, darein begruben sie das tote Paar.

„Eine Ampel", befahl der Kaiser mit stolzem Schmerz,
„soll hier brennen und über die Wasser leuchten zu allen
Nächten."

Dann stob er gen Aachen auf seinem Pferd. Jhn
umrauschte der Sturm, sein Atem grollte in seiner Brust.
Sprang ab auf dem Königshos, wunderte sich der schnellen
Fahrt,ging in seinGemach. Jn traumhafterDämmerung
war es. Da er sich entgürtet und entkleidet hatte und die
Decken zurückschlug von seinem Lager, war es noch warm,
als ob er nicht lange fort gewesen sei.

Erwachte mit der aufgehenden Sonne, vom Geräusch
schreitender Füße geweckt.

Der Truchseß war es, legte Gewänder zurecht.
„Herr," sagte er, „beliebt aufzustehen. Schön singen heut
die Knaben im Münster. Jst eurer Frauen Hildegard
Todestag und Gedenken."

Kaiser Karl erhob sich und bekleidete sich. Rede fiel
ihm schwer. Wie betäubt war sein Sinn. Seine Ge-
danken taumelten und wirrten durcheinander. So ging
er zum Münster.

Vernahm den vielverschlungenen Chor silberheller
Knabenstimmen. Wie Nebelwölklein, spielend und rie-
selnd, schwebten die Melodien.

So geschah es, wachte langsam auf in ihm, was er
geträumt. Jn seinem Blute fühlte er einen schwachen
Nachklang wie von langem Ritt, in seiner Seele einen
halb zerflossenen Schimmer der zwölf Wundergestalten.
Es hallte in ihm auf die Stimme des Sängers aus dem
fernen Walde. Er sah das edelschöne Paar, als er eine
Weile müde die Augen schloß, und schrak auf bei dem
gellenden Todesschrei. Die Ampel flackerte über dem
breiten Wasser.

Er blickte gemächlich um sich. Da war sein Jngesinde,
das feierte den Todestag der Kaiserin. Verwirrt strich
er sein graues Haar.

„Alt bin ich worden," murmelte er, „nun blieb mir
nichts mehr." Ein schwacher Schimmer nur lockt, von
überm Strom her-

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