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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 25.1915

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Heft 10
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Esswein, Hermann: Ludwig Dill als Schlachtenmaler
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https://doi.org/10.11588/diglit.26491#0340

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Ludwig Dill. Neitergefecht.

Der neuzeitlichc Künstler erzielt die bedeutende Wirkung dieser Übersteigerung des zeitläufigen
Themas nicht mehr durch historizistische Posen, durch feierliche StilmaSkeraden, durch die leere Pathetik
großer Formate und theatralischer Gebärden. Auch wo er dem naturalistischen Sonderfalle weit aus-
weicht, bleibt er dem Einfachen, Natnrlichen, Wahrhaftigen innig gesellt. Aus wenigen Handbreiten
Malpappe gestaltet er ebensoviel und mehr als ein Tintoretto auf den weiten Flächen seines Gonzaga-
ZykluS, womit freilich nicht überhebend gesagt sein soll, daß es unserer Zeit bereitS gelungen sei, der.
stärksten Ausdruck ihreö WesenS auch schon in monumentalen Formen auszusprechen. Der neuzeitliche
Künstler erfindet geniale Abkürzungen der Einzelformen, Abkürzungen, die den wesentlichen Vorgang
und seinen seelischen Inhalt um so wuchtiger hervortreten lassen, je selbftherrlicher die an sich nichts-
sagenden, unwesentlichen Einzelheiten dem AuSdruckSwillen des KunftwerkeS untergeordnet wurden.
Er kann stch bei den verjährten Forderungen der NachahmungS- und RichtigkeitSäfthetik nicht auf-
halten. Ein vorwärtöftürmendeS oder ein jäh gezügelteS Pferd braucht ihm nicht in jedem Einzelteile
seines KörperbaueS anatomisch richtig zu gelingen; diese Pferde haben, genau wie der rennende, zum
Hieb ausholende oder niedergestreckt am Boden liegende Mann, ihre dynamische Funktion im all-
gemeinen Kräfteparallelogramm dcs KunstwerkeS auSzuüben und darüber hinaus mit draftischer Schärfe
nur ihr besonderes statischeS oder kinetischeS Ausdrucksmotiv, das laftcnde Daliegen oder daS Stürzen,
die Zustände von Spannung oder Entspannnng zu offenbaren, soweit ste eben auSdrucksnotwendig sind.

Es ift wohl nicht überflüssig, den Künftler in dieser Weise gegen die immer und immer wieder
versuchte Rüge wegen vcrmeintlicher Verzeichnungen in Schutz zu nehmen, denn tief im Kunstempfinden
selbft sonst aufgeklärter und gebildeter Menschen wurzelt jener veraltete leidige FormaliSmuS, der sich
darauf verfteift, „richtige" oder gar „schöne" Einzelformen sehen zu wollen, wo dcr ganzen Kunstart
nach nur auSdruckövolle, charakteristische, ja draftische gezeigt werden können.

Nach diesen VoranSschickungen darf ich ein nähereö Eingehen auf ArbeitSweise und Stil der
Dillschen Kampfesszenen wohl wagen: So räumlich und lufterfüllt diese kleinen Werke gesehen sind,
so streng hä'lt ihr Urheber auf eine restloö vollständige und schöne Organisation der Malfläche. Er
duldet schlechthin keinen Eluadratzentimenter, der leer, belanglos, lückenbüßerisch mit Formen odcr
Farben zugestrichen wäre, die nur gegenständlich, nur erzählend, nicht aber auch ästhetisch etwaS be-
deuten wollen. Man mache die Probe und schneide sich durch Zuhalten des Reftes beliebige Ecken

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