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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 9.1918-1919

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Drittes Heft (Juni 1918)
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Dresler, Kinner von: Gedichte
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Mehring, Walter: Die Frühe der Städte I, [2]: Die Brücke
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https://doi.org/10.11588/diglit.37111#0044

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Ich wuchte schwingende Form
Du seufzt wehende Seele
Unter uns Vergehen
Wir bleiben
Vater
Mutter
Wir


Die Frühe der Städte t
Die Drücke
Walter Mehring
III
Eine weiße Brücke ist empor gewachsen
Ringsum wölbt Blautiefe
Schweigen staut sich Menschen ketten schräg zur Brücke
Blonden (Edith)
Der rote Militär (der Offizier)
Der Herr in Trauer (der Vater)
Schleichenden (die Mutter)
Schreitenden (die Mädchen)
Kreisenden (der Freund die Freundin)
Trauernden (die Passanten)
Ganz vorne unter den ersten Sas (das Wesen) einen Fuß auf
die Brücke gehoben und in sich ruhend.
Hämmern (die Tiefe)
Hartes Klopfen (die Höhe)
Steine wandern unablässig hinunter hinauf
Stimmen hinauf:
Steine runter
Stimmen hinunter:
Mensch wir steigen immer Alle Luft geht aus
Stimmen hinauf:
Reißt doch Stücken Himmel Det Ding steht auch so
Stimmen hinauf:
Was Ihr Herren immer von oben runter Ausruhn Jeder
Atem zentnert Uns zerkeucht das Herz
Stimmen hinauf (brüllen):
Ausruhn — Eisen schient die Brust Sterben muß ewig
tragen eingemauert Augen brüllen Tod
Stimmen hinauf (stöhnen):
Mörtel frißt alten Bruder auf Ruht sterben aus den Kopf
in den Schoß gelegt Grau frißt alles Sehen auf Kind wim-
mert so'n bischen Licht Kopp is Stein Schläfern sickert
rot aus'm Schädel — Kleine Wunde — patscht — heiße
Hände — an — die — Backe — — — weich Wat hat n —
Sterne kleenet Wurm
Die Steine hängen in der Luft
Stimmen oben (steigen):
Kerls spannt letzten Atem höher immer höher Wir stei-
gen immer Schwindel schleppt Treppen mitten in die Luft
Wer trägt der Himmel lacht Schwindel! Brückenschwindel
Ein Stern tanzt seil in einem roten Rock Die Sonne äfft
Und tausend Tiefen klettern an meinen Adern in die
Brunst der Sterne
Die Stimmen (klettern Wahnsinn in die Angst)
Ein Sehnsuchtsschrei (hat sich verstiegen):
Brückenlügen Bogen lachen Die letzte Sehnsucht spannt
Nur noch eine Spanne Himmel

Stimmen hinab:
Vaflucht Da stürzt Koppe die Koppe weg Ich springe die
Erde springt Der Mond kommt angeritten Die Himmel-
ängste reiten Alle Sterne wiehern Ich springe Der Ab-
grund lacht Trümmern
Die Brücke (versinkt)
Weiß hinauf hinab weit und nah
Weiß: Die oberen Bögen der Brücke
Weiß: Die rote Sonne und die Sterne
Der junge Offizier (sucht Wege atemlos):
Die Ferne waist vor mir die Wege fliehen nah Verirrt
raucht der letzte Schlund einer Kanone Kreisrund um ki-
chernde Schrappneils
Der junge Offizier (sucht Wege herzenlos):
Schrei adert ein letzter Baum Mein Blut verästelt
schwarz und schleppt die Einsamkeit Eine Träne küßt
meine Augen blind Eine blonde Schleppe löscht mein hei-
ßes Sehen
Der junge Offizier (sucht Wege sonnenlos):
Glühe Haare berieseln mich heiß Rosenrot küßt mich Eis-
kälte Astern blüten ihr süßes Fleisch Ein blüher Blitz
grünt eingefangen mir im Blut Und meine Augen rauschen
auf in Schauen
Edith (in einem Silberpelz tritt nah hinter ihn):
Du was blaßt Du mein kleiner rosenroter Offizier Ich
schäme mich Ich will mich tief in Dir verbergen
Der Offizier (verschließt seine Blicke)
Edith :
Was schließt Du Deine Blicke über meinem Licht Ich
fürchte mich Ich lasse ewig Deine Küsse in mir brennen
Unser Geheimnis bewacht meinen Schlaf
Der Offizier:
Edith, mein Sehnen siegt um Deiner Sonnen Tod, aber
meine Träume erfroren in Deiner wachen Liebe
Edith :
Was fliehst Du mein Erinnern kleiner Offizier Ich fange
Deine Träume in mir ein Ich greife Dich mit meiner blon-
den Seele Mein Berühren lodert von Deinen Küssen
Der Offizier (greift zurück ihre Hand)
Edith (schreit auf):
0 Du Dein Haß erwürgt alle Heimlichkeit Dein Haß reißt
alle Nähe entzwei Und Einsam schließt die Ferne Dich
und mich
Das grüne Sofa hebt das Weiß empor, aber sie sehen es
nicht
Edith der Offizier (entschreiten sich)
Auf der andern Seite
Freund und Freundin (kommen herabgeschritten)
Der Freund (den Rock hochgeschlagen, die Hände in die
Taschen gestemmt)
Die Freundin (trägt den Kopf in den Nacken gebürdet)
DerFreund (steht und blickt)
Die Freundin (schreitet, ihre Händen krümmen sich zur
Schale)
Der Freund:
Du schreitest Wir steht ewig stille alle Wege kehren leer
in mich zurück
Die Freundin:
Ich kehre ewig unsern Weg zurück und suche, wo wir uns
gefunden
Der Freund:
Unsere Wege entringen den Kreis Unsere Ringe zerspren-
gen unsere Finger Und unsere Hände greifen hart sien
selbst

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