Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 9.1918-1919

DOI issue:
Zwölftes Heft (März 1919)
DOI article:
Behrens, Franz Richard: Gedichte
DOI article:
Hoeber, Fritz: Die Irrtümer der Hildebrandschen Raumästhetik: Kritische Bemerkungen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37111#0165

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
McrKert
Schollen furchen rosa Funken
Felder schäumen silberwild
Acker wildern Weidenwind
Garten glasen Rogenglühen
Falter kosen taufang Mädchenscheitel
Brunnengrün brennt stillster Wein
Schneeschnitt
Pulver pudern Feuer
Blaue binden Mond
Seiden singen Silber
Weiherweiße Saiten
Milche Weiden winken Tau
Nacht brennt wiesenweh
Rot bangen Weh
Mohn gelben Weh
Blaß blitzen Weh
Seerunde Glocken tropfen
Goldkugelfluß voll Mond
Brunnen bauen
Lüste spießen
Hohe küssen
Perlen spielen
Klingen nacken kranzersternt
Ermorgen
Rohrot taut blasse Schneide ,
Nasse Birken zirpen Last
Samen sahnen sengen Sand
Samen fahnen nächte Tagen
Samen zagen säe Samen
Samen zähen Samensäen
Garben wiegen Diestelblute
Garben bluten dorne Wiegen
Stahle Nesseln sicheln Raaben


Die lrrtümer der Hiidebrandschen
Raumästhetik
Kritische Bemerkungen
Fritz Hoeber
Die falsche ästhetische Stellungnahme
Die Raumästhetik in Adolf Hifdebrands ,.Problem der
Form in der bildenden Kunst" stellt eine Gegenwirkung dar zu
der künstlerischen Unkultur des verwilderten Naturalismus des
ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts. Darauf beruht ihr
praktischer Erfolg und ihre theoretische Bedeutung.
Wie jede erfolgreiche Theorie strebte sie aber weit über
ihren angemessenen Wirkungsbezirk hinaus, und es bedurfte
nur der Darstellung ihrer extremen Konsequenzen und ihrer
Anwendung auf die unermeßliche Vielfältigkeit der lebendigen
Kunst, wie sie Hans Cornelius in seinen ,,Elementarge-
setzen der bildenden Kunst" zu geben versucht hat"), um ihre
Unzulänglichkeit als nomative Aesthetik der bildenden Künste
offensichtlich darzutun: Man bemerkte nun allgemein die prin-
zipiellen Fehler ihrer zu eng und zu einseitig gefaßten Voraus-
setzungen. Man erkannte die beschränkte Geltung des raum-
künstlerischen Axioms im bildenden Kunstwerk. Man erfuhr,
daß die Zahl der Meisterwerke, die der Hiidebrandschen Theo-
rie nicht entsprechen, der ihr entsprechenden Kunstwerke
weit überstieg.
*) EiementaDgesetze der bildenden Kunst. Grund-
lagen einer praktischen Aesthetik. Leipzig und Berlin. 1908. Auf S. V!
des Vorworts schreibt H. Corneiius: „Die Gedankengänge der wissen-
schaftlich-ästhetischen Untersuchung stehen in enger Verwandtschaft und
zu einem großen Teit in unmitteibarem Abhängigkeitsverhältnis zu den
Ausführungen *in Hildebrands „Probiem der Form in der biidetnden Kunst".
!n der Tat sind sie im Lauf der Jahre p,us einem Zyklus akademischer
Vorlesunge ' ' !ch über Hild'ebrands Buch gehalten habe."

Zudem hatte sich im allgemeinen Empfinden die ästhetische
Dominente verschoben: an Stelle des rationalen Formalismus,
der seinen theoretischen Ausdruck in dem 1893 erschienenen
,.Problem der Form" fand, ist heute wieder eine gefühlsmäßigere
Auffassung des Kunstwerks getreten, die in einem bewußten
Gegensatz zu allem dinghaften Sensualismus und seiner Ver-
räumlichung der inneren ästhetischen Vorgänge steht. Diese
Auffassung unterscheidet streng zwischen dem Extensiven
des materiellen Kunstgegenstandes und den intensiven
Impressionen des ,,ästhetischen Objekts", des Produktes
unseres inneren, anschaulichen Erlebens. Solche wesentliche
Unterscheidung wird aber von der Hiidebrandschen Raum-
ästhetik konsequent übersehen, und dadurch gelangt sie nicht
nur zu ganz falschen Synthesen, sondern auch zu höchst ver-
hängnisvollen Wertungen.
Die Unzulänglichkeit einer ausschließlich räumlichen Aesthetik
Die prinzipielle Behauptung, „bildende Kunst sei Gestal-
tung für das Auge oder für die Bedürfnisse des Auges", ist in
dieser unterschiedslosen Allgemeinheit unrichtig. Denn nicht
jedes Sehen ist zugleich ein ästhetisches Sehen. Das
praktische Lehen stellt sich wesentlich als ein Rekognos-
zieren quantitativ bestimmter Merkmale dar,
während die ästhetische Apperzeption ein weit intensive-
res „Scheinfühlen" in die Eigenart des betrachteten Gegen-
standes bedeutet, dessen ästhetische Eigenschaften aus dem
Quantitativen eines bloß räumlichen Daseins in die qualitative
Sphäre unseres eigenen, intensiven Bewußtseinslebens über-
führt werden.
Als kunsttheoretisches Resultat dieser Vermengung er-
scheint die Grundförderung der Hiidebrandschen RaumästheU.k:
„Die räumliche Klarheit", obwohl alle Raumkausalität ästhe-
tisch vollkommen indifferent ist, da die interobjektiven Rela-
tionen nur von empirisch praktischer Bedeutung sind. Hilde-
brands Axiom entspringt der erkenntnistheoretisch naiven Mei-
nung, das räumliche Realobjekt gehe als solches in unsern Be-
wußtseinsinhalt ein, während es tatsächlich nur die absolut un-
räumliche Stimmungsimpression ist (um den von B r o d e r
Christiansen geprägten Terminus zu gebrauchen *), die
unser Gefühl als ein ihm Verwandtes aufzunehmen vermag.
Die „Raumklarheit" soll, nach Hildebrand, Grundbedingung
der „Anschaulichkeit" sein, während in Wahrheit die Anschau-
lichkeit im Kunstwerk nicht die Klarheit des absoluten Raums
bedeutet, sondern die klare Hervorhebung der jeweiligen,
als solche sehr veränderlichen Dominante.
Hieraus folgt der zweite Grundirrtum der Hiidebrandschen
Raumästhetik: Auf Grund der dauernden Vermengung einer
falschen Synthese des „ästhetischen Objekts" und seiner vor-
eiligen Wertung werden nämlich alle die Kunstwerke, in denen
die „Raumklarheit" dominiert, als „wertvolle" bezeichnet, wie
alle die übrigen als wertlos, in denen der Raum als solcher
keine Bedeutung hat. — Obwohl Wert oder Unwert des Kunst-
werks niemals von irgendeiner in der ästhetischen Synthese
wirksamen Dominante abhängen, sondern allein von jener nie-
mals allgemein vorauszusagenden Vertiefung, welche die ma-
gische Brücke zwischen dem „ästhetischen Objekt" und der
„autonomen Persönlichkeit", dem immanenten Kern der Sub-
jektivität und Ursitz aller Welturteile, schlägt.
Eine wertende Gegenüberstellung, in der die raumkla-
r e n Kunstwerke die Gegenbeispiele, die raumunklaren
— die Beispiele darstellen, wird sich darum mit Leichtigkeit
ebenfalls bewerkstelligen lassen
Ein zweiter Grundfehler der Raumästhetik ist die ver-
kehrte Synthese ihr nicht entsprechender Kunstwerke: still-
schweigend setzt sie bei allen Werken der bildenden Künste
das „Raumklare" als stilistische Dominante voraus, obwohl es
in der bildenden Kunst, vor allem der Malerei und Zeichnung
gewiß nicht an Beispielen fehlt, wo der Raum etwas vollkom-
*) Broder Christiansen, Philosophie der Kunst. Hanau 1909.
H. Das ästhetische Objekt.

t57
 
Annotationen