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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 9.1918-1919

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Neuntes Heft (Dezember 1918)
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Walden, Herwarth: Ableger
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Heynicke, Kurt: Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.37111#0123

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Herr Adolf Behne die Führerschaft. Ich bin gar nicht ehr-
geizig. Aber Herr Behne wird sich an die kleinen Ableger ge-
wöhnen. Er ist ein schlichter ehrlicher Kleinbürger, der Kunst
liebt. Nur den Sturmklub hätte ich nicht gründen sollen. So
komme ich um meine Unsterblichkeit, um die ich zittre. Herr
Adolf Behne hat sie mir im Jahre 1914 selbst in Dresden be-
willigt: ,,Von wem diese Auffrischung ausgegangen ist, kann
keinen Augenblick zweifelhaft sein: Es waren die Ausstellun-
gen des Sturm, welche die Rolle des Hechtes im Karpfenteich
gespielt haben. Die Bedeutung, die in der Ausstellungsarbeit
des Sturm gesteckt, wird der künftige Historiker einmal im
Ganzen zu wmrdigen haben. Hier sind uns Persönlichkeiten
wie Franz Marc, Delaunay, Kandinsky, Kokoschka und Archi-
penko zum ersten Mal in ihrem ganzen Reichtum gezeigt wor-
den." Nun habe ich mir meine Zukunft durch ein Glas Wein
verwirkt. Ich hätte meine Zukunft im Wasser liegen lassen
sollen. Oder aber Herr Adolf Behne wird die ,,kleinen Ab-
leger" demnächst als große Künstler erkennen. Dann will ich
gern mit ihm zusammen ein Glas Wasser auf das Wohl seiner
Vergangenheit trinken.
Womit diese beiden Herren vorläufig abgelegt seien.
Herwarth Waiden


Gedichte
Kurt Heynicke
Der Soldat
Blühend steigt der Tag,
meine Seele ist Sonne,
Licht überfließt mein waches Gesicht,
ich wandre,
bald wiegen die wehenden Wipfeln der Föhren,
bald fließt mein Boot die Freude entlang
in meiner Heide Einsamkeit
o Schlacht,
fernab,
ich entfliege ins Licht!
Die Straßen trinken die Bogenlampen,
o Stadt und Säle, ihr Straßen-Terrassen an spätem Tag
Ihr Wanderer der lauten Plätze,
leicht fliehen Euere Worte dahin —
ich bin fremd unter Euch,
meine Seele ist ein gefalteter Vogel
und friert.
Im Park fällt der Herbst festlich aus bunter Höhe,
die schlanken Wege schmücken sich müde zur Feier.
Mädchen zittern in halber Helle
ich lächle mich an ihrem Blick vorbei,
bald
würgt mich die Schlacht.
Bald
liegt auf meiner Seele der Stahlhelm der Zeit,
erschossen wird meine Liebe,
und die Sterne,
Gottes Gesicht,
verbluten grausam am Morgen.
Reiche Jugend aus Wein und Deinem Gesicht,
Tagesgeliebte,
Mädchen
erhebe die purpurne Schale des jungen Blutes.
Erinnerung sind Deine Augen an meine gestorbenen Jahre,
oh,
morgen erstößt mich der Geier der Schlacht,
heut bin ich Lachen

reich mir die Nacht,
tanzen will ich den Tanz dieser Zeit
mit schwarzem Angesicht den Tanz mit Pferdefüßen,
ich bin das Lachen
morgen
zerreißt mich die Schlacht.
Du,
meiner Seele Schwester,
stilles Licht,
milde scheinst Du am Bogen meiner Gedanken,
gib Deine Hand.
Weinen will mein zagendes Herz
wehe leis Deine Hand still über mein Haar,
träume Schlummer hin über mich.
ich will knieen meine Unrast vor Dir,
ich bin nicht geboren in dieser Welt.
Alles ist Nacht.
Meine Blicke sind glanzlos und Nebel mein Gesicht,
tot ist meines Herzens barmherziger Quell
keine Träne entspringt mehr dem Felsen der Schmerzen.
Niemanden sehe ich nah,
fern bist Du jäh,
Dunkel umrauscht mich,
Schlacht bricht an,
ich sinke
ertrinke,
Licht
ich rufe Dich an!
Morgen.
Die Schlacht.
Morgen.
Am Himmel Gottes weint der Mond.
Ich wandre meinen Brüdern zu.
Mein lieber Bruder ist der Tod.
Gesang des Jünglings
Rings kreist die Welt.
Und Sterne um die Welt
und Schicksal rundgehetzt um Welt und Sterne.
Ich bin die Mitte,
ich trage meine Seele auf den Schultern
ich bin der Welten übervoll.
Ich bin die Mitte.
Schicksal kreist um mich.
Und brausend stürzt der Tag.
Ich bin der Jüngling.
Jung meine Füße auf beglänzter Straße
zu hellen Mädchen in den Dörfern
und grüne Gärten blühn am Bogen meines Blickes
in alten Kammern bin ich nachts zu Gast.
Am Abend singt die Laute mir im Schoß
hintaumelnd über alte Lieder
sternweit
und Frauen fallen lächelnd aus den Melodien.
Ich bin der Jüngling
mein Angesicht ist weicher als der Abend,
der aus den Wäldern auf die Städte fällt,
am Abend bin ich älter als die Erde,
Gott sinkt in mich,
ich bin Geheimnis
alt wie er
und dunkel.
Ich wache noch mit Kinderaugen in der Nacht,
Mond stürzt in meine Kammern,
 
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