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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 9.1918-1919

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Zwölftes Heft (März 1919)
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Heynicke, Kurt: Gedichte
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Wauer, William: Über Moralisches
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https://doi.org/10.11588/diglit.37111#0162

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Klang
Wald
erhoben ich Knabe Knie Andacht vor dir!
Ersing mir die dunkele Ruhe des Lebens
seelenversunken
trunken
fall ich vor deinen Säulen in Schlab

Schweben über mir Winde
grüne deine Bogen falten mir Träume zur Nacht.
Ein Mensch
O ich Kind,
spielend auf bunter Wiese
o ich Mensch,
träumend mein Leben ins Nichts.
Erde,
mir in den Schoß gefallen
meine Augen gehen weit von dir,
fröstelnd stehe ich inmitten der Tage.
Alle Kinder sind einsam zutiefst
und spielen mit der eigenen Stimme
O Kind sein auf der Wiese

über Moratisches
William Wauer
Moral, wie man sie versteht, ist immer die Verpflichtung
des Anderen.
Der Andere muß moralisch sein das ist und bleibt die
Moral von aller Moral.
Feinere Egoisten haben sich daran gewöhnt, moralische
Anschauungen für minderwertig zu halten und sie ins Aesthe-
tische umzuwerten.
Aber sie erheben dadurch nicht das Moralische ins Aesthe-
tische, sie ziehen nur das Aesthetische ins Moralische hinein.
Wir können eben alle nicht aus dem Moralischen heraus.
Moral ist eingeboren
Sie wuchs in den Menschen hinein, sie wächst durch ihn
hindurch.
Sie wurzelt im Landstrich.
Mit dem Erdreich wechselt ihre Beschaffenheit — ihr Wesen.
Eine andere Moral gebar der Urwald, eine andere die
Steppe, eine andere Rand, Ufer und Saum.
Eigenartiges Erleben schafft Erinnerungsgebilde, die sich
als Erfahrungen in des Menschen Hirn hineinpflanzen und aus
ihm herausblühen als Anschauungen.
Artbildend wirkt gleiche Befruchtung bei dauerndem An-
reiz. Moralen reifen — reiften langsam unter den Strahlen auf-
gehenden Bewußtseins.
Moralen sind Früchte
Gepflückt vom Baume der Erkenntnis.
Der menschliche Kampf ums Dasein paßt sich in Form und
Farbe seiner Umgebung an.
Besonderer Zwang der Erhaltung schuf besondere Haltung.
So gebar der Urwald den Jäger — so erzog die Steppe den
Hirten, so lockte der Waldsaum, das Ufer, der Steppenrand
zum Anbau
Geschieden in ihrem Können verschieden in ihrem Wol-
len, erwuchsen so drei Artungen aus der Notdurft des Men-
schen und der Gelegenheit des Orts:
Der Jäger.
Der Hirt.
Der Bauer,
Zwang schuf Gegensätze — Entfremdung verwirrte Ver-
stehen Gewohnheit riß Abgründe auf.
Da findet Eifer und Uebereifer keine Brücke mehr
Und der verliert den Weg, der meint, daß das Moralische
ein im Jenseits verankertes, allein seligmachendes Schema
wäre —

Jäger.
Hirt-
Bauer.
Jeder kennt ein anderes Wissen, jeder lehrt eine andere
Weisheit, jeder huldigt einer anderen Aloral, jeder betet zu an-
deren Göttern.
Viele Götter verehrt der Bauer — sie wohnen um ihn, er
hat Zeit zu Kulten und Zeremonien.
Der Bauer pflegt seine Götter.
Er hegt geweihte Orte. Er baut ihnen Tempel und Dome.
Wenig Götter führen den Hirten — denn er mußte sie mit
sich führen.
Leicht mitzuführen müssen Hirtengötter sein: wie die
Hamme, oder allgegenwärtig: wie die Gestirne.
Am besten aber ist e i n Gott — ein Führer ein Mit-
geführter.
Der Hirt opfert seinem Gotte.
Er liebt,Prediger in der Wüste und heilige Stätten.
Des Jägers Götter sind seine Begleiter. Sie müssen mit ihm
gehen, n e b e n ihm gehen. Tragen kann er sie nur, wenn er sie
in sich trägt: so mußte er seinen Gott verinnerlichen.
Der Jäger feiert Gott.
Der Jäger findet Gott in der Natur.
Ein Einzelgänger ist der Jäger und wenig nur verträgt er
Gefährten.
Der Hirte aber wirkt in der Gemeinschaft, er ist fruchtbar
und seine Sicherheit wächst md der Menge,
Der Bauer duldet nur Nachbarn und sein Rückhalt ist die
Gemeinde. Sie ist auch seine Rücksicht, sein Urteil.
Deshalb steht des Bauern Moral beim Nachbarn. Aeußerlich
leicht verletzlich, fürchtet er Klatsch und Skandal. Durchs Fen-
ster läßt er sich nicht schauen, denn was in seinem Haus ge-
schieht, ist s e i n e Sache.
Er hält auf Ehre. Seine letzte Rechtfertigung ist die vor
seinem Nachbarn.
Bauernmoral ruft nach Gottesurteil und Duell.
Schlechtes Gewissen macht ihn zum Heuchler.
Hirtenmoral ist weniger streng. Hat der Hirt sich irgendwo
unmöglich gemacht zieht er weiter. Ihn fesselt nichts, ihn
schändeL nichts. Er rechnet mit Vergessen und Vergeben. Er
kennt die Menge. Seine Strenge lebt in der Familie. Sein
Zelt hält er rein.
Schuld macht den Hirten unstet und flüchtig
Der Jäger ist der tiefste Moralist: ihn richtet kein Nach-
bar, ihm nützt keine Flucht; er ist sich selbst Richter und Klä-
ger. Anderer Aleinung kümmert ihn nicht. Und so ist er auch
der I m m o r a 1 i s t im Sinne der Anderen.
Zerfällt der Jäger mit sich, wird er Verbrecher —
Denn der Jäger kennt keine Gesetze er haßt Gesetze.
Er ist Anarchist.
Der Hirte umgeht die Gesetze, die er achtet. Er ist liberal.
Der Bauer liebt Gesetze. Er ist konservativ.
Konservativ ist der Bauer: Erhalter, denn er besitzt.
Und alles wird ihm Besitz.
Macht ist sein Ehrgeiz, die sich im Besitz offenbart.
Der Hirt verlangt Chancen, denn er will gewinnen und
Schätze häufen.
Und alles wird ihm zum Schatz.
Reichtum ist seine Gier, den er verbirgt.
Der Jäger sucht Beute.
Und alles wird ihm zur Beute. Erlegte Beute verliert
ihm den Wert.
Die Jagd ist seine Leidenschaft, das Abenteuer seine Lust.
So bleibt der Jäger besitzlos.
Er ist der Idealist, der Träumer, der Künstler . . .
Der Hirt ist Materialist — der Genießer — der Paulenzer,
Der Bauer ist Realist - der Säer und Ernter — der Bauer
und Aufbau er.
Des Jägers Rasten heißt Schweigen und Grübeln.
Des Hirten Laune — Schwatzen und
Des Bauern Zeitvertreib Trr
 
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