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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 4.1906-1908

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2. Heft
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Forrer, Robert: Die ältesten gotischen ein- und mehrläufigen Faustrohrstreitkolben
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https://doi.org/10.11588/diglit.38677#0071

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2. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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Diese Feststellung- ist wichtig-, denn sie ist
geeignet, uns mancherlei dunkle Punkte in der
Geschichte der ältesten Feuerwaffen aufzuklären.
Insbesonders erklärt sie die gerade für die Ge-
schichte der Faustrohre so interessante Zeichnung
Abb. 3 aus dem Cod. 734 der Münchener Staats-
bibliothek (1460 bis 1470). Wir sehen dort einen
Reiter ein Faustrohr auf seinen Gegner abschiefsen,
ohne dafs ersichtlich wäre, wie eigentlich die Ent-
zündung- des Pulvers erfolgt. Man hat daher dies
Bild als ungenau vermutet, so Essenwein, der in
seinen „Quellen“ sagt, dafs dort „die Handfeuer-

den Zügel loslassend, nach seiner unter dem Arme
vom Plattenpanzer nicht geschützten und allem
Anschein nach verwundeten Armhöhle. — Wie
durch Annahme einer Zündschnur als Zwischen-
glied diese Reiterfigur ihre Erklärung findet, so
rechtfertigt und bestätigt sie andererseits die
supponierte Anwendung einer Zündschnur bei
meinem Vierläufer-Faustrohre und bei verwandten
primitiven Feuerwaffen.
Die Zündschnur in dieser Anwendung er-
öffnet uns aber auch noch weitere Perspektiven:
sie gestattete die Möglichkeit der Entzün-






waffe durch ihre eigentümliche Gestalt auffällt;
bei der wir jedoch dahingestellt sein lassen müssen,
wie weit sie einem wirklichen Originale entspricht“.
Ich erkläre mir die Zeichnung- folgendermafsen:
Der Reiter hat sein „erstes Tempo“ bereits hinter
sich, d. h. er hat die im Zündloch des Faustrohres
steckende Zündschnur mit der Lunte in seiner
(unsichtbaren) Linken bereits entzündet und diese
Linke hat bereits wieder den Zügel des Pferdes
gefafst. Wir sehen ihn im „zweiten Tempo“, in
dem Momente, wo die brennende Zündschnur die
Ladung erreicht und diese soeben zur Entzündung
gebracht hat. Ersichtlich „sitzt“ der Schufs auch
vorzüglich, denn der Gegner greift mit der Linken,

düng mehrerer Läufe auf einmal, wobei bei
gleicher Länge der vier Zündschnüre die vier
Schüsse gleichzeitig losgingen, bei verschiedener
Länge die vier Schüsse sich nach Art der Klotz-
schüsse einander folgend entluden.
Im Verhältnis zu unseren heutigen Schufs-
waffen erscheinen diese gotischen Vierläufer über-
aus primitiv und geradezu wirkungslos. In der
Tat kann ihre Tragweite nur eine sehr kurze ge-
wesen sein, war eine Wirkung nur in allernächster
Nähe des Gegners möglich. Wir dürfen aber
nicht vergessen, dafs in solchen Fragen alles
relativ ist, dafs der Gegner mit einer annähernd
ebenso schlechten Schufswaffe ausgestattet war.
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