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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 1
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Potier, Otmar Baron: Waffengeschichtliches aus dem Wiener Jagdteppich
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0022

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OTMAR BARON POTIER, WAFFENGESCHICHTLICHES AUS DEM WIENER JAGDTEPPICH BAND 9

Vier der Weidgesellen bedienen sich der Streitkolben
(Gurz). Deren birnenförmiger, deutlich von Schlags
blättern gegliederter Kopf sitzt auf einem anscheinend
etwas elastischen Stiel, wodurch die Schlagkraft des
Kolbens wesentlich gesteigert würde, und worin wir
möglicherweise den Urahn des Gummiknüttels unserer

modernen Polizisten erblicken dürfen. Zwei der
mit Pallaschen ausgerüsteten Fußknechte tragen ein
keulenartiges geflammtes Gerät geschultert, das viels
leicht eine Fackel, dessen Träger also einen Treiber
vorstellen könnte. Ein Reiter zerrt an einer Wurfs
schlinge, einem Lasso, ein Wildschaf hinter sich her,
zwei persische Simsons kommen ihren Gefährten
dadurch zu Hilfe, daß sie einfach die Löwen an deren
Schweifen zurückreißen, wobei das Roß des einen
Reiters scheinbar durch Beißen in den Kampf tätig

mit eingreift, was ja nach Herodot (V, 111) auch das
Leibpferd des persischen Generals Artybios als wohls
dressierter Kriegskamerad seines Herrn getan haben
soll. Diese Erzählung und die betreffende Darstellung
auf unserem Teppich ist wohl glaublich, wenn wir
uns an die isländischen Hengstdings erinnern, oder
an die aufregende Episode in dem
Turnier denken, welches 1521 an«
läßlich der Hochzeitsfeierlichkeit
zu Linz abgehalten worden war,
als der Erzherzog Ferdinand die
Prinzessin Anna von Ungarn ehe«
lichte. Von dem Herrn Sebastian
v. Losenstein wird nämlich berich«
tet, dessen Turnierhengst sei dazu
abgerichtet gewesen, sobald ihm
sein Herr den Maulkorb abwarf,
zusprach und den Zügel schießen
ließ, sich in das andere Roß zu
verbeißen, worauf der Losenstei«
ner in Linz seinen spanischen
Herausforderer „baß geschlagen
und hart verwundet, auch gleich
den Garaus hat machen wollen“.
General Jean Baron de Marbot
erzählt (Memoires, Paris, 1891)
ähnliches von der bösartigen Stute,
welche er am Tage von Eylau
(8. Februar 1807) geritten hatte.
Das Pferd wurde durch einen
Bajonettstoß verwundet. Rasend
vor Schmerz sprang die Stute auf
ihren Schädiger zu, riß ihm mit
ihren Zähnen die Gesichtshaut
herunter, so daß Marbot ein leben«
der von Blut überströmter Toten«
schädel entgegengrinste. Dann
warf sich das Pferd zwischen die
Kämpfenden, faßte einen Offizier,
den es buchstäblich zertrampelte.
Hier möchte ich einschalten, daß
1897 einer meiner Studienkollegen
als Strafrichter des Bezirksgerichtes in Radstadt (Salz«
bürg) folgendes Erlebnis hatte: Zwei Bauern waren,
um den Weg abzukürzen, über eine umfriedete Weide
gegangen. Eine dort grasende Mutterstute erblickte
darin offenbar eine Gefahr für ihr Fohlen. Sie, ein
schwerer Pinzgauer, nahm einen der beiden Eindring«
linge an und spielte dem Mann durch Trampeln sehr
übel mit. Die Fälle zeigen, daß mit derartigen von
Naturanlage kampflustigen oderkriegerischerzogenen
Pferden durchaus nicht zu spaßen ist.

Abb. 4. Persische Miniatur, 15. Jahrhundert
 
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