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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 5
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Literatur
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Vereinsnachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0210

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LITERATUR - VEREINSNACHRICHTEN

BAND 9

LITERATUR

Selbstanzeige. Hans Mützel, Kostümkunde für Sammler.
Zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage. 250 Seiten.
150 Abb. Berlin 1921. Rich. Carl Schmidt. Mk 50.—.
Das Buch ist dem Titel nach zunächst für den Sammler be»
stimmt und umfaßt daher nur diejenigen Gebiete der Kleider*
kunst, auf denen er heute noch seine Ernte halten kann. Da die
Vergänglichkeit des Materials allem, was zur Kleidung gehört, von
vornherein das Todesurteil spricht, ist dieses Feld, wenigstens so*
weit essich um historische Trachten handelt, kein sehr großes. Auf
diesen um so kostbareren Bestand will auch das Buch vor allem
das Interesse erst einmal lenken. Dies ist der Wesensunterschied
gegenüber anderen Kostümwerken und Trachtenkunden, welche
zunächst nichts anderes als eine Entwicklungsgeschichte des west»
europäischen Kostüms bis zur heutigen Modetracht geben und
die Öriginalstücke gar nicht und die außereuropäischen Formen*
kreise nur ganz nebenher berücksichtigen. In dieser Hinsicht
erstrebte das Werk, wie wir glaubten, schon in seiner ersten Auf*
läge etwas durchaus Neues. Die älteren Originalstücke bis zum
17. Jahrhundert sind an sich schon eine Seltenheit und sämtlich
im Museumsbesitz; aus dem 18. und 19. Jahrhundert dagegen
ist, abgesehen von den öffentlichen Sammlungen, noch Vieles
in Privatbesitz und im Antiquitätenhandel. Unter Benutzung
gerade dieser 'Quellen konnten die hauptsächlichsten Typen
der Mode aus diesem Zeitabschnitt in guten Exemplaren vor»
geführt werden und es werden Stücke abgebildet, die vom
Verfasser erst in der Verborgenheit des Privatbesitzes aufge»
stöbert wurden und daher zum erstenmal publiziert werden. Ein
systematisches Sammeln in dieser Richtung ist ebenso neu wie
interessant Das Buch, das bis zum Jahre 1900 geht, will hierzu
die fachliche und historische Anregung geben und vor allem
denen, die noch im Besitz von Kleidergut gerade aus den letzten
Jahrzehnten, etwa von 1870—1900, sind, zum Bewußtsein bringen,
daß diese Stücke jetzt schon historisch, also einer pietätvollen
Konservierung würdig sind. Der andere Teil des Buches be»
schäftigt sich mit den außereuropäischen Formenkreisen. Die
vergleichende Kostümkunde hätte eine Tochterwissenschaft der
Völkerkunde sein müssen, statt dessen war sie ihr Stiefkind.
Da hier noch so gut wie gar nicht methodisch geforscht ist,
muß der Verfasser seinen eigenen neuen Weg gehen, indem er
die kostümlichen Zusammenhänge auf der ganzen Erde zwischen
allen bekannten Völkern der Vergangenheit und der Gegenwart
feststellt. Er kommt dadurch zu einer grundlegenden Systematik
nach Gesichtspunkten, welche sich den Voraussetzungen der
Rasse, der klimatischen, kulturellen und sonstigen Lebens»
bedingungen zwanglos anpassen, eine Systematik, die durch diese
natürliche Selbstverständlichkeit andere erkünstelte Einteilungs»
versuche zu ersetzen versucht. Unter diesem Gesichtswinkel be»
deutet die Geschichte des westeuropäischen Modenkostüms nur
die Entwicklung eines einzigenTyps unter den vier gleichwertigen
und gleichwichtigen Typen, die auf dem ganzen Erdball in Er»
scheinung treten, nämlich des Hemd» oder Kittel»Typus. Dieser
Bekleidungsgedanke einer zylindrischenUmhüllung des Körpers
und seiner Glieder ist sowohl allen arktischen Völkern in Asien,
Amerika und Europa eigen, als auch den syrisch»vorderasia»
tischen, welche ihn an die Völker des Mittelmeerbeckens weiter»
gaben. Die alten Ägypter, Griechen und Römer trugen das Hemd
zu ihren Wickelgewändern und als sie diese aufgaben, entstand
durch Vermählung mit der nordischsgermanischen Kitteltracht

die westeuropäische Kulturtracht mit ihrer ganz einzigartigen
Entwicklungskette. Diesem Typus gedanklich verwandt ist die
Kaftantracht, welche in breiter Zone ganz Mittelasien von der
Küste des Stillen Ozeans bis tief nach Europa hinein in tausend»
facher Gestaltung beherrscht. Die Weichsel wird hier als eigent»
tliche kulurelle Grenze zwischen Asien und Europa durch die
Kostümwissenschaft bestätigt. Diesen beiden Typen stehen die
ungenähten Gewänder der alten und der neuen Welt gegen»
über: Die Wickelgewänder des Altertums und der Gegenwart
in Hinter» und Vorderindien, Ost» und Nordafrika und Süd»
europa, und der Poncho »Gedanke, der den ganzen amerika»
nischen Kontinent beherrscht hat und bei den Naturvölkern und
den niederen Ständen der jetzigen Kulturstaaten noch herrscht.
Auch diese vergleichende Kostümkunde hat ihre Logik: ganz
selbstverständlich ergeben sich aus den Grundgedanken die
Verschlußmethoden und die Dekorationsmotive. In richtiger
Anwendung werden die Völker mit unverdorbenem Stilgefühl
auch heute noch ihre Kleider zu Kunstwerken erheben können.
Durch die Darstellung dieser Beziehungen wird das Buch auch
anregend auf eine reine künstlerische Auffassung der Kostüme
der Vergangenheit und der Gegenwart wirken können. Das Kleid
erscheint als Kunstwerk, als Produkt eines zielbewußten Wil»
lens, der sich in der Massenerscheinung derVolkstrachten ebenso
äußert wie in den Einzelkostümen eines kultivierten West»
europäers. Es ist dem Verfasser wohl bewußt, nach welcher
Richtung der Schatz der Abbildungen nach bereichert werden
könnte. Es müßten im historischen Teil die Sammlungen des
Bayerischen Nationalmuseums, des Germanischen Museums in
Nürnberg und des Historischen Museums in Dresden eingehend
gewürdigt und aus kleineren Museen noch mehr Belege beige»
bracht werden; aber bevor nicht die Originalstücke der Kleider»
kunst aus dem Stadium amüsanter Kuriositäten zu Gegenständen
wissenschaftlicher Forschung erhoben werden, wird auch die
Beschaffung von photographischen Abbildungen umständlich
und kostspielig sein, weil die Museumsleitungen selbst noch
kaum solche haben anfertigen lassen. Auch dürfen in einer spä»
feren Auflage einige Farbentafeln von hervorragenden Stücken
nicht fehlen. Für den Teil der außereuropäischen Kostüme
müssen aber zunächst erst die infolge unserer langjährigen Iso»
lierung gerissenen Lücken durch planmäßige vergleichende For»
schung geschlossen werden. Hans Mützel
VEREINSNACHRICHTEN
Dem Verein neu beigetreten sind: Dr. Hans Karl Becker,
Chemiker und Geologe, Frankfurt a/M., Myliusstr. 49; Dr. Karl
Schumacher, München, Krankenhaus 1. d. L; Karl Leopold Hol»
litzer, ak. Maler, Wien VI, Gumpendorferstr. 63 B; Oberst a. D.
R. H. Vogel, Cham, Kt.Zug (z.Zt. München, Ainmillerstr. 26).
Stadthistorisches Museum, Straßburg i. E.
DRUCKFEHLER
Heft 4: S. 117, Abb. lb befindet sich S. 120 neben Abb. 4.
— S. 119: Spalte 2, Absatz 2, Zeile 5 von unten lies statt „eine
abgebildet sei“: „zwei abgebildet seien“. — S. 121, Spalte 1, Zeile 5
hinter „regierte“ einzuschalten „(Abb. 5)“ — S. 145, Unterschrift
Abb. links: statt „Tembroke“ lies „Pembroke“.
 
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