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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 3
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Rathgen, Bernhard von: Frankfurter Prunkgeschütze und ihre Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0103

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ZEITSCHRIFT FÜR HISTORISCHE WAFFEN# UND KOSTÜMKUNDE

BAND 9

5. DEZEMBER 1921

HEFT 3

FRANKFURTER PRUNKGESCHUTZE UND IFIRE MEISTER
VON BERNHARD RATHGEN

Die frühesten Pulverwaffen waren aus Eisen
geschmiedet, aus Kupfer oder aus Bronze gegossen.
Das Schmieden einer Büchse war an sich eine leichte
und einfache Arbeit. Bei größeren Stücken mußte
das Rohr dann aber aus vielen einzelnen Teilen
zusammengesetzt werden. Zur Bildung des Rohr*
körpers wurden Längsstäbe aneinander geschweißt,
die so gebildeten Rohre mit einem Boden versehen
und mit Ringen umgeben. Da war es nun schwer,
einem auf diese Art zusammengearbeitetem Rohre
in allen Teilen dieselben Spannungsverhältnisse zu
geben und dieselbe Widerstandskraft gegenüber
der auf Bruch gerichteten Beanspruchung durch
die Pulvergase bei dem Schüsse zu erzielen. Beim
Gießen des Metalles war es weit leichter, eine in
sich völlig gleichmäßige und dem Gasdrucke gegen*
über gleich widerstandsfähige Masse des Rohrkörpers
zu erreichen. Und so wurde in Deutschland, wo
der Bronzeguß schon vor dem 13. Jahrhundert in
hoher Blüte stand, das Pulvergeschütz bald in der
überwiegenden Menge aus Metall gegossen. Das
Schmieden der Rohre trat hiergegen mehr und
mehr zurück. Als man auch das Eisen zu gießen
lernte, gelang es Ende des 15. Jahrhunderts dem
weit billigeren Eisen, in erneuten Wettbewerb mit
der im Preise viel höher stehenden Bronze zu treten.
Die ersten Pulverwaffen waren röhrenförmige
Gebilde von geringer Länge mit kleinem lichten
Durchmesser und leichten Gewichtes. Die in der
Herstellung der Geräte für den häuslichen Bedarf
erfahrenen Rotgießer — die „Doppen“, „Grapen“,
„Apengheter“ — fertigten dann auch diese Guß*
stücke, anfangs meist aus reinem Kupfer, später
überwiegend unter Zusatz von Zinn, also aus
Bronze. Wie nun die Abmessungen der Büchsen
wuchsen, wie die Steinbüchsen mit ihrer erheblichen
Seelenweite aufkamen, da erforderte der Guß dieser
großen Stücke von hohen Gewichten eine besondere
Kunstfertigkeit. Das Niederschmelzen solcher Metall*
mengen, das gleichmäßige „Blasen*“ und „Schlacken*“
freie Gießen konnte nur von Meistern mit reicher
Erfahrung in der Bewältigung der mit der Größe
des Gußstückes sich steigernden Schwierigkeiten

ausgeführt werden. Da traten denn für den Geschütz*
guß die Glockengießer an die Stelle der bisherigen
handwerksmäßigen Kleinmeister.
Der Guß der Glocken geht in Deutschland bis
ins 9. Jahrhundert zurück. Die Glöckner legten zu*
nächst nur Wert auf den weithin dringenden, vollen,
schönen Klang dieser rufenden Stimmen der Kirche,
die schlicht und schlank, ohne äußeren Zierrat,
gegossen wurden. Einfacher Bildnisschmuck, fromme
Sprüche, dann das Jahr der Fertigung — 1144 ist
die älteste auf einer Glocke erhaltene Jahreszahl in
Deutschland1) —, die Namen der Gießer, weiter*
hin auch die der Glockenpaten, und schließlich
lange, selbstlobende Inschriften bedeckten dann
die Glockenwandungen.
Berühmte Meister ihrer Kunst, zogen die Gießer
von Ort zu Ort. Meist wurde auf einem Platze
unmittelbar an der Kirche der einfache Schachtofen
erbaut, vor ihm die Dammgrube ausgehoben, in
dieser die Form erstellt. Zur Glockenspeise erhielt
das Kupfer einen hohen Zusatz an Zinn,2) der für
das Klingen notwendigen Härte wegen. Mit etwas
weicherer und damit auch zäherer Bronze gossen
nunmehr die im Kernguß erfahrenen Glöckner
auch die großen Steinbüchsen, die besonders in
Deutschland hoch zu Ehren kamen. Der einzige
Unterschied zwischen Glocken* und Büchsenguß
bestand darin, daß die Form der Glocke mit der
Schallöffnung, die der Büchse mit dem Boden nach
unten, in die Dammgrube eingebaut wurde. Bei
der Glocke stand der Kern fest auf dem Grunde
der Grube. Bei der Büchse wurde der Kern in
die Hohlform von oben eingehangen. Bei der
Glocke hatte der untere Rand, der Schlagring, bei
der Büchse der Boden die größte Anstrengung
auszuhalten. Es war daher von Wichtigkeit, daß
man diese Teile unter dem Drucke der darauf
lagernden flüssigen oberen Metallmassen, und unter
') Otte; Die Glocken. Handbuch der christlichen Kunst*
archäologie 1883. S. 355. Glocken zu Ingensbach, Amt Deggen*
dorf in Niederbayern.
2) 80 Teile Kupfer, 20 Teile Zinn gegenüber dem Kanonen*
gut von 90 Teilen Kupfer und 10 Teilen Zinn.

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