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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Zu den Tafeln
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0090

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72

FACH NOTIZEN

BAND 9

II. ALTE TRACHTEN, TAFEL II
Unsere Tafel bringt ausnahmsweise kein Originalstück, son*
dem zwei Trachtenbilder in Farbendruck, die indessen Waffen«
wie Kostümfreunden gleich willkommen sein dürften.1) Die
beiden Tafelbilder der Cranachschule von der Wartburg2 3) stellen
in frischer und lebendiger Schilderung zwei Landsknechte dar
und zwar, wie oben am Rande der Tafeln die Aufschrift lehrt,
aus dem Jahre 1545.s) Für die Organisation der Landsknechts«
truppe, dieser ersten deutschen Reichswehr, ist es der Zeitpu'nkt
des nahenden Verfalls, für ihre Tracht die Epoche üppigster
Entfaltung.
Unsere beiden Landsknechte sind, wie es entgegen einer
weitverbreiteten irrigen Ansicht das übliche war, völlig unge«
wappnet. Der rechte dürfte nach den gespornten Reiterstiefeln
und der weisenden Bewegung der rechten Fland zu urteilen,
ein Landsknechtsführer sein. Mit Schwert und Spieß bewaffnet,
ist er zum Kampf abgesessen, um, wie es uns von Frundsberg
ausdrücklich überliefert ist, in Reih und Glied einzutreten. Er
trägt ein rotes, goldbesticktes Schoßgewand, mit kurzen, weiten
Ätmeln, deren blaues Futter sichtbar wird. Der lange Ärmel,
aus dessen unterem Längsschlitz die Hemdsärmel herausquellen,
gehört dem Untergewand an. Charakteristischer ist das Gewand
des „gemeinen Landsknechts“ links, der in Kampfstellung ein
breites Schwert schwingt — die Form beider Schwerter belehrt
uns, daß die Zeit des typischen Landsknechtsschwerts mit brillen«
förmiger Parierstange vorbei. — In der Linken hält er wohl
einen Dolch, denn die zu vermutende Schwertscheide liegt am
Boden. Ein kurzes Wams mit weit ausladenden balusterartig
gepufften Ärmeln und ähnlich gearbeiteter Brust deckt den Ober«
körper, an das sich die enganliegenden Beinkleider schließen
mit den vorne abgerundeten Schuhen. Die Knieschleifen, die
zur Befestigung der damals aufkommenden Kniestrümpfe zu
dienen pflegen, scheinen hier lediglich Putz.

Zur Buntheit der Kleidung tragen vor allem die mannig«
faltigen Schlitzungen von Rock und Hose bei, die, mit anders«
farbenem Stoff unterlegt, der Tracht ihr eigentliches Gepräge
geben. Dieses Schlitzen und Zerschneiden, das auch an den
kühn drapierten Federbaretts beider Krieger wiederkehrt und
damals in der gesamten Mode, namentlich in Deutschland, eine
so große Rolle spielt, dürfte als eine aus der Not entsprungene,
eigene Schöpfung der Landsknechtstracht anzusehen sein. Urs
sprünglich wurde anscheinend, wie es noch bei Dürer und
auf anderen Darstellungen aus den Anfängen der Landsknechts«
zeit zu beobachten ist, das im Gefecht zerschlissene und durch«
löcherte Kleid mit absichtlicher Nachlässigkeit zur Schau ge«
tragen, um den martialischen Eindruck zu erhöhen. Diese Ge«
pllogenheit dürfte dann den Anstoß zum Entstehen oder min«
destens zur Entfaltung der Schlitzmode gegeben haben, die be«
kanntermaßen bei den Landsknechten zu den gewagtesten Ent«
blößungen führte. Ein ähnlicher Hergang liegt hier also vor
wie beim mittelalterlichen Zaddelwerk.
Die Landsknechtstracht mit all ihren Auswüchsen genoß
die stillschweigende Duldung der deutschen Kaiser. Von Kaiser
Max ist das Wort überliefert, als man ihm seine Nachsicht in
dieser Hinsicht vorhielt, daß er den Landsknechten „für ihr
unselig und kümmerlich Leben ein wenig Freud und Er«
götzlichkeit gönnen möchte“. Auf dem Augsburger Reichstag
von 1530 wurden die Landsknechte ausdrücklich von den
Kleidervorschriften befreit, zweifellos in der Absicht, um
bei der Werbung dieser wichtigen Truppe als Lockmittel
zu dienen.
Hieraus erklärt sich z. T. die Entfaltung der Landsknechts«
tracht und ihr Einfluß auf die Gestaltung der Gesamtmode;
vielleicht das einzige Mal in der Geschichte der Mode, wo
Deutschland auch für das Ausland tonangebend wurde.
P.

FACHNOTIZEN

Frühgeschichtliche Schwertinschrift. In der Konservie«
rungsanstalt des bayerischen Denkmalpflegeamtes wurde vor
kurzem mit anderen Grabfunden eine Spatha eingeliefert,
deren leider sehr zerstörte Klinge nach der Entrostung auf der
einen Seite nahe bei der Wurzel zwei Zeichen aufwies (s. Abb.).
Die Zeichen sind in dem schon öfter, allerdings erst für
spätere Zeit beobachteten Verfahren der Eisentauschierung
hergestellt. Die Gruben wurden mit Meißeln ziemlich tief
eingehauen, wobei auch halbkreisförmige Punzen verwendet
wurden, und dann mit Eisendrahtbündeln ausgelegt, deren
einzelne Fäden beim Schweißen nicht ganz geschmolzen, noch
gut sichtbar, zum Teil aber auch ausgefallen sind. Die Gruben
sind an ein paar Stellen bis zur Rückseite durchgerostet. Das
liegende Zeichen ist breit = 21, das stehende hoch = 24mm;
beide sind deutlich als die Buchstaben SO erkennbar, wenn
auch das S verkehrt gezogen ist.
Die Spatha stammt aus dem Reihengräberfeld am hohen
Schänzle bei Nördlingen, in dessen Stadtmuseum auch die
Funde liegen. Dieser Teil des bayerischen Schwabens ist von
alemannischen Sippen etwa um 500 n. Chr. besiedelt worden;
*) Herrn Oberburghauptmann von Cranach, der die Klischees hierzu in liebens*
würdiger Weise zur Verfügung stellte, sei an dieser Stelle nochmals der beste
Dank ausgesprochen.
2) Größe 0,55X0,37 72 cm.
3) Die Unterschrift der Tafeln bringt versehentlich die Jahreszahl 1546.

mit Einführung des Christentums um 800, als Kirchen neben
die Reihcngrabfelder gebaut wurden, so daß aus diesen christ«
liehe Friedhöfe entstanden, hörte die Sitte, den Verstorbenen
Waffen ins Grab mitzugeben, auf. Man wird daher die frag«
liehen Gräber auf die mittlere Zeit, 600—700 n. Chr., also
jedenfalls noch in die vorkarolingische Epoche setzen müssen,
Damit erhält diese abgekürzte Umschrift eine besondere
Bedeutung. Einmal wird sie meines Wissens das früheste Beispiel
der Anwendung von Eisentauschierungen für Schwertinschriften.
Sie mit der SOS «OSO «Gruppe (Z. H.W.K. 3, 223) zusammen«
zustellen, dürfte wohl nicht angehen, da zwischen beiden
ein Zeitraum von etwa 500 Jahren liegt, in dem es keinen
Beleg für den Gebrauch der Inschrift gibt. Überhaupt führt
die Anwendung lateinischer Buchstaben zu einer Zeit und
in einer Gegend, wo keinerlei Reste römischer Provinzial«
kultur mehr vorhanden waren, zu einer besonderen Überlegung.
Der heidnisch«germanische Brauch, den Verstorbenen im Grab
mit Waffen und Geräten so auszustatten, das er auch für das
Leben in den seligen Jagd« und Kampfgefilden wohl ausgerüstet
war, kann nur solange im Schwung geblieben sein, als bei
der Sippe genügend Waffen vorhanden waren; sobald aber
äußere Verhältnisse, wie etwa zur Zeit der Avaren« oder
Ungarnkämpfe eine ständige wehrhafte Rüstung der Dorfschaft
verlangten, war man gezwungen, die Bestattungsbräuche gegen
 
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