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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Scheuer, O. F.: Das Waffentragen auf Deutschlands Hohen Schulen: Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte
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Doege, Heinrich: Die Freiherrl. von Lipperheide'sche Kostümbibliothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0086

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68 HEINRICH DOEGE, DIE FREIHERRL VON LIPPERHEIDE’SCHE KOSTÜMBIBLIOTHEK BAND 9

Frankfurt nach Berlin übersiedelten Studenten, an
deren farbige Abzeichen und Schlagwaffen, die
auf offener Straße getragen wurden, gewöhnen
konnten.67)
Wenn auch nach 1750 die Studenten allmählich
auf fast allen deutschen Universitäten ohne allen
Zwang dem Degentragen entsagten, gerne taten sie
es sicher nicht. Sie hätten sonst nicht in einer Vas
riante des „Landesvaters“ an den König von Preußen
die naive Bitte gerichtet:
„Gibst Du uns den Degen wieder.
Singen wir Dir manche Lieder
Auf Dein hohes Wohlergeh’n.“
oder wie es im „Commersch«Buch 1795“ in den
„Strophen zum Landesvater“ vom Kronprinzen Frieds
rieh heißt:
Kommst Du einst zu Preußens Throne,
O so gib dem Musensohne
Freiheit und sein Schwert zurück!
Allerdings, und darin hat Meiners recht,68) wäre der
Geist der Zeit dem Degen so günstig gewesen, als
er demselben ungünstig war, so würde ein königs
licher Befehl nicht hinreichend gewesen sein, der
akademischen Jugend auf preußischen hohen Schulen
die (bisher dafür gehaltene) Zier des Degens zu
rauben; jedenfalls würden die Studenten auf den

nichtpreußischen Universitäten den Degen umso
hartnäckiger beibehalten haben.
Und heute? Die studentische Tracht vergangener
Jahrhunderte lebt bis auf den heutigen Tag im stu«
dentischen Wichs der Chargierten. Dazu gehört vor
allem der Schläger, den der „wehrhafte“ Student
von heute ebenso stolz wie seine Vorfahren an der
Seite trägt. Darf er ihn tragen? Was sagt das bür«
gerliche Strafgesetz dazu? Welchen Standpunkt neh«
men die akademischen Behörden ein? Weder in den
akademischen Vorschriften noch in den Strafgesetz«
büchern ist vom Studentenschläger die Rede.69) Er
gebührt dem Studenten nach altem Herkommen, er
gehört zur Studententracht wie Flaus und Kanonen.
„Die Schlägerfrage“, so äußerte sich im Jahre 1900
der Prorektor der Wiener Universität, Professor
Meyer«Lübke,70) „ist keine Rechtsfrage, sie ist eine
einfache Frage der Kleiderordnung“. „Farbiges Band,
Mütze oder Cerevis und Schläger sind seit undenk«
liehen Jahren die Abzeichen der deutschen Studenten«
Verbindungen, Abzeichen, mit denen ihre Träger bei
feierlichen Gelegenheiten auch auf akademischem
Boden aufzutreten pflegen.71) Das ist in Deutsch«
land so und ist in Österreich auch so gewesen.“
Und wird, so wollen wir zuversichtlich hoffen, auch
für alle Zukunft so bleiben.

DIE FREIHERRL. VON LIPPERHEIDE’SCHE
KOSTÜM BIBLIOTHEK
VON HEINRICH DOEGE

Die Trachtenkunde, dieser wenig beachtete und
noch ebenso wenig in allen Teilen Wissenschaft«
lieh durchforschte Zweig der allgemeinen Kulturge«
schichte, entbehrte bisher eines Organs, in dem der
Forscher die Ergebnisse seiner Arbeit, der Sammler
seine Beobachtungen niederlegen konnte. Die wenigen
Aufsätze, die abgesehen von einer Reihe von Disser«
tationen der letzten Jahrzehnte sich gelegentlich mit
kostümgeschichtlichen Fragen befassen, finden sich
an den verschiedensten Stellen, in archäologischen,
kunstgeschichtlichen, historischen und anderen Zeit«
Schriften, zerstreut, um sich dort in einer mehr oder
weniger fremden Umgebung nicht selten völlig zu
verlieren. Da ist es dankbar zu begrüßen, daß die
67) Köpke, G., Die Gründung der FriedrichsWilhelms«Univer«
sität. Berlin, 1860,100. 68) Meiners, Gött. Annalen. 185. <™)Auch
bei S. Freund, Die Führung von Vereinsabzeichen. Eine Vereins«
rechtlichliche Erörterung. Wien 1898, ist die Schlägerfrage mit

Zeitschrift für historische Waffenkunde mit dem neu
begonnenen Jahrgang den Kreis ihrer Aufgaben er«
weitert und die Kostümkunde in diesen mit hinein«
bezieht. Es ist zu hoffen, daß die bisher zerstreute
und zersplitterteForschung durch den so geschaffenen
Mittelpunkt zusammengeführt und das Studium der
Trachtenkunde neue, wünschenswerte Anregung er«
fährt. Bei dieser Gelegenheit muß darauf hingewiesen
werden, daß seit mehr als zwanzig Jahren schon aller
kostümgeschichtlichen Forschung eine Stätte bereitet
war in der einzigartigen Freiherrlich von Lipper«
heide’schen Kostümbibliothek des Staatlichen Kunst«
gewerbe«Museums in Berlin. Trotz ihrer weit über
das engere Gebiet der Trachtenkunde hinausgehenden
keinem Worte erwähnt. ’°) Neue Freie Presse von 1908. 28. Mai.
7I) So umgaben schon im 17. Jahrhundert adelige Studenten
den Rektor der Ingolstädter Universität bei öffentlichen Auf«
zügen mit blanker Wehre (Seitz, a. a. O. 20).
 
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