Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

DOI issue:
Heft 2
DOI article:
Scheuer, O. F.: Das Waffentragen auf Deutschlands Hohen Schulen: Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0085

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
HEFT 2 O. F. SCHEUER, DAS WAFFENTRAGEN AUF DEUTSCHLANDS HOHEN SCHULEN 67

Waffentragen verbot, war ein Streit zwischen Halb*
sehen Studenten und dem im Jahre 1750 in Halle
liegenden Regimente. Schon seit 1716 gab es dort
zwischen dem „polternden Hochmut der Lieutenants
und ihrem Centaurenhaß gegen die Gelehrsamkeit der
Federfuchser“ und dem Übermut und der leichten
Empfindlichkeit der Musensöhne, die auch bei einem
nur scheinbaren Antasten des Palladiums der aka*
demischen Freiheit mit der Hand an den stets scharfen
Degen fuhren, viel Anlaß zu Reibereien und Streitig*
keiten. Der Zwiespalt zwischen Militär und Studenten
verschärfte sich von Jahr zu Jahr, bis es 1723 zu
einem förmlichen Studentenaufstand kam, der zur
Folge hatte, daß eine ältere Anordnung, wonach das
Militär bei Unruhen auf Requisition der Universität
einschreiten mußte, aufgehoben wurde.64) Nichts*
destoweniger gab es immer wieder neue Anlässe zu
Streitigkeiten, die endlich 1750, obwohl ein könig*
liches Reskript vom 11. März anerkannte, daß die
Soldaten an den fortgesetzten Händeln zwischen
Studenten und Besatzung schuld seien, zum Waffen*
verböte für die Studenten führte.65) Vorerst wurde
allerdings die Universität nur angewiesen, die Studen*
ten besser in Disziplin zu halten. Daraufhin legten
Rektor und Senat der Haifischen Universität einen
Entwurf eines neu zu erlassenden Reglements vor,
worin im § 4 den Studenten, „welche Landeskinder
und nicht von Adel sind“ das Degentragen verboten
werden sollte. Doch stellten die Kuratoren der Uni*
versität in dem Immediatbericht, mit dem sie ihren
Entwurf dem Könige vorlegten, noch einige Fragen,
deren erste folgendermaßen lautete:
„Ob nicht den Studenten ohne Unterschied zu
verbieten, Hau* und Raufdegen zu tragen, und die
deswegen schon vormals ergangenen Verordnungen
ernstlich zu erneuern seyn. Und wie hiedurch vielem
Unheil vorzubeugen wäre, würde es von Ew. königl.
Maj. Gnade allein dependiren, ob das dergestalt ein*
geschränkte Degentragen nicht auch den Landes*
kindern, so nicht von Adel, zu gestatten, und sie
dadurch der Verachtung und Raillerien ihres Gleichen
und daraus entstehenden Händeln zu überheben.“66)
Die Frage wurde abschlägig beschieden, hingegen
in einem königlichen „Patent“ vom 9. May 1750 ver*
ordnet:
„Denen Studenten das Degentragen auf Univer*
sitäten indistinctement, es mögen solche von den
Theologischen, Juristischen oder von was vor
M) Meier, J., Der Hallische Studentenaufstand im Jahre 1723.
In: Beiträge zur Kulturgeschichte. Herausgegeben von Stein*
hauser. 1. Heft. Weimar, 1897, 1 ff. “) Bornhak, C., Geschichte
der preußischen Universitätsverwaltung bis 1810. Berlin 1900.78.

Facultät sie wollen seyn, verboten sein soll, jedennoch
diejenigen davon ausgenommen, welche von ade*
licher Herkunfft seyn, als denen das Degentragen
erlaubet bleibet.“
Am 18. Mai 1750 wurde das „Reglement“ den
preußischen Universitäten bekannt gegeben. Es wurde
von der Studentenschaft mit gemischten Gefühlen
aufgenommen. Über die Stimmung der Haifischen
Studenten gaben Rektor und Professoren am 20. Juni
folgenden Bericht: „Es haben sich zwar dabei
anfänglich einige Motus äußern wollen, allein die
nachdrücklichen Vorstellungen des Prorectoris und
sämtlicher Professorum, so denen Studiosis sowohl
privatim als publice in denen Collegiis geschehen,
haben den guten Erfolg gehabt, daß schon einige
Tage vorher, ehe der von der Universität gesetzte
Termin verflossen, viele Studenten den Degen ab*
gelegt, welchen endlich den 15. huius die übrigen
größtenteils nachgefolgt sind.“ Im übrigen trug der
Bericht einige Bedenken gegen das nur für die Bür*
gerlichen erlassene Verbot der Degen vor, wegen
der für jene kränkenden Bevorzugung des Adels,
„obgleich einige vom Adel selbst von freien Stücken
den Degen mitabgelegt haben“; auch unterließ man
nicht, auf die alsbald im benachbarten Jena ergan*
gene Verordnung hinzuweisen, die den Studenten
untersagte, ohne Degen zu gehen: implicite eine
sehr deutliche Aufforderung an die ihres alten Vor*
rechtes beraubten Haifischen Studenten, in das ge*
lobte Land der wahren akademischen Freiheit aus*
zuwandern!
Geradezu um Zurückziehung des Verbotes zu bitten,
wagten Rektor und Professoren von Frankfurt a.O.,
indem sie am 10. Juli 1750 vorstellten, daß das Degen*
tragen, „welches noch jetzt denen Kaufdienern,
Apothekern und Barbier*Gesellen etc. erlaubet, bis*
her das einzige Zeichen gewesen, sodurch sich alle
Studiosi vor Handwerksburschen und bloßen Schü*
lern distinguiret haben.“ Es wurde ihnen vom Mini*
sterium der Bescheid (24. Juli) zuteil, das Reglement
sei aus höchst eigener Bewegung erlassen worden,
Vorstellungen gegen den Inhalt seien deshalb nicht
zulässig.
Es mag dahingestellt sein, wie genau das Verbot
des Degentragens von den Studenten befolgt wurde.
Sicher ist, daß noch im Jahre 1810, nach Grün*
düng der Universität Berlin, die Berliner sich lange
nicht an die bunte und auffällige Tracht der von
G6) Koser R., Friedrich der Große und die preußischen
Universitäten. In: Forschungen zur brandenburgischen und
preußischen Geschichte. XVII. 1904, 96 ff. Nach Koser auch das
folgende.
 
Annotationen