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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Scheuer, O. F.: Das Waffentragen auf Deutschlands Hohen Schulen: Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0084

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66
„Die Pulver ist mein Dint
Die Feder ist mein Degen
Damit zieh ich geschwind
Dem stolzen Feind entgegen,“
so sangen sie und liefen von den Büchern weg in
Wallensteins Lager. Ein soldatischer Zug war in die
Studentenschaft gekommen, und eine unerhörte ZügeL
losigkeit im Mißbrauch des Waffentragens auf Uni?
versitäten riß ein. Wieder folgte Verordnung auf
Verordnung, das Degentragen einzuschränken. Nichts
half; die Mode blieb Siegerin über die Gesetze.
Wieder war es der Adel, der die studentischen Sitten
nicht minder in der Richtung der Studien, wie im
äußeren Auftreten und in der Kleidung beherrschte.
Denn nach dem dreißigjährigen Kriege vollzog sich
zugleich mit dem Niedergang des Bürgertums ein
Aufsteigen des Adels, sich ausdrückend in dem Vor?
walten des staatlichen Beamtentums auf allen Gebieten.
Die Ursache für diese Erscheinung war eine wirt?
schaftliche. Es entstand ein neuer Militär? und Dienst?
adel, der auch für die Universitäten von Bedeutung
wurde.515) Es wurde nun Mode, daß alle den höheren
Ständen („Honoratioren“) angehörigen Männer und
Jünglinge Degen trugen und tragen mußten, wenn
sie vor ihren Oberen oder in Gesellschaft erscheinen
wollten.56 57) Nur eine Einschränkung gab es hierin
für die Studenten. Wenn sie vor den Rektor oder aka?
demischen Senat zitiert wurden, mußten sie den Degen
„bey der Stubens?Thür des Rectoris“ ablegen58) und
„gantz unbewehrt sich sistieren.“59 60) Sonst durften sie
den Degen tragen, wo und wann es ihnen beliebte.
Ja in Altdorf mußte der junge Student im Hörsaale
mit dem Degen an der Seite erscheinen.00) Noch im
Jahre 1744 geschah es dortselbst, daß einem Studenten,
der ohne Degen in den Hörsaal kam, von seinen Komi?
litonen ganz energisch bedeutet wurde, einen Degen
anzulegen, wenn er sich keine Unannehmlichkeiten
zuziehen wolle.61)
Es kam die Zeit des Renommisten, des Burschen
„von ächtem Schrott’ und Korn“. Er war „allen
56) Eulenburg, a. a. O., 79.
57) Scheidler, K. H , Jenaische Blätter. Jena 1859, 3. Heft, 147.
58) Löbers, Chr. Wl., Vernünfftiger Studente. Jena, 1723, 216.
so) Thorbecke, a. a. O. 254; es erschien auch als Keckheit,
wenn der Student ohne Mantel vor dem Rektor erschien.
60) Einen Stock hingegen zu tragen war dem jungen Studenten
nur erlaubt, wenn er über Land ging. Der alte Bursche aber durfte
Stock und Degen im Hörsaale tragen. Vergl. O. Scheuer, Der
Studentenstock. In: Deutsche Hochschule. IX. 1919. Heft 1/2, 6.
6') Wills, G. A., Geschichte und Beschreibung der Nurn?
berger Universität. Altdorf, 1795. 269.
°2) Auf dem Pflaster wetzen = ins Pflaster einhauen (Lauk?
hard, Selbstbiographie 99). Das,,Wetzen“ war schon eine Unsitte
des 17. Jahrhunderts So rezitiert schon Moschetosch (in Philan?
ders von Sittenwald „Wunderlichen Geschichten“ Th. I. sechstes

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Plunder verachtend und der Mode Trotz bietend“
zufrieden, wenn ihm außer seinem mächtigen drei?
eckigen Hute, dem unscheinbaren Rocke, der be?
scheidenen Lederhose, den Stulphandschuhen und
den schweren bespornten Stiefeln nur der klirrende,
fürchterliche Schläger blieb; denn, wie Zachariä im
Renommisten singt,
„War sein hohes Amt, ein großes Schwert zu
tragen
Oft für die Freiheit sich auf offnem Markt zu schlagen
Zu singen öffentlich, zu saufen Tag und Nacht.“
Mit diesem „Rauferschwert“, dem „Mordgewehr“
mit seinem mächtigen „Stichblatt“ („Ein Stichblatt
eigentlich, zur Not ein Suppenteller“, Gesang I),
wetzte er auf dem Pflaster, daß die Funken stoben
und die Fensterscheiben erklirrten.62)
So trieb’s der Renommist, ihm stand der Petitmaitre
gegenüber, dem Renommisten ein Greuel. Aber auch
er trug den Stoßdegen, allerdings recht zierlich und
klein und zum Zeichen ungefährlicher Friedlichkeit
mit einem weissem Bande umwunden.
Der Renommist und der Petitmaitre verschwanden
und der deutsche Student akkomodierte sich in seinem
Äußeren derallgemeinenTracht der gebildeten Stände:
Farbiger Rock, gestickte Weste, dreieckiger Hut —
und hinten hing ihm der mächtige Zopf. Dazu kamen
als akademisches Spezifikum: Lederhose, Kanonen?
stiefel, Fechthandschuhe und Degen. Letzteren trug
der Student stets an der Seite bis zu dem Augen?
blicke, als nach Beendigung des siebenjährigen Krieges
Friedrich der Große das Waffentragen auf den preußi?
sehen Universitäten endgültig verbot, worauf es bald
darnach auch an den übrigen deutschen Hochschulen
außer Brauch kam.
Bemerkenswert ist aber, worauf auch schon Schra?
der63) hinweist, daß auch hier wieder ein Unterschied
zwischen adeligen und bürgerlichen Studenten ge?
macht wurde. Die unmittelbare Ursache, warum
Friedrich der Große den preußischen Studenten das
Gesicht: „Etliche tolle Studenten zankten und balgten sich auch 1
Doch mußten zuletzt die armen unschuldigen Steine herhalten
und ihnen die Spitze von der Klinge beißen, so grimmiglichen
stürmeten sie mit ihren Dägen auf dieselbe zu, daß das Feuer
hernach spränge“. Und in einem Altdorfer Studentenlicd um
1700 hieß es:
Hat dann Bacchus unser Sinnen
Aus den Schranken fast gesetzt
Ist es unser erst Beginnen,
Daß man durch die Straßen wetzt.
Wenn wir dann mit bloßen Degen
Auf und nieder schreien gehen
Kommt es oft zu braven Schlägen,
Das ist eine Lust ZU sehen. (Keil, Studentenlieder 138).
6S) Schrader, W., Geschichte der Friedrichs?Universität zu
Halle. Berlin, 1894. I., 347.

O. F. SCHEUER, DAS WAFFENTRAGEN AUF DEUTSCHLANDS HOHEN SCHULEN
 
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