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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 6/7
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0251

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HEFT 6/7

FACHNOTIZEN

217

FACHNOTIZEN

Ein Helm des 11. Jahrhunderts vom Schlachtfeld zuWalric.
Nur selten gelingt den Provinzmuseen Englands eine Erwerbung,
die für die Waffenkunde mehr als vorübergehendes Interesse
hat Eine Ausnahme macht das Museum zu Liverpool, dank
der Freigebigkeit des verstorbenen Herrn Joseph Meyer, F.S.A.;
seine Sammlungen enthalten zahlreiche sehr beachtliche Stücke,
wie eine schöne Gruppe angelsächsischer Schwerter, einige sehr
gute Schwerter des 14.—18. Jahrhunderts, mehrere Handfeuer*
waffen, Pulverflaschen und
Bandeliere, drei Roßharnische
und zahlreiche Teile von
Rüstungen.
Ein einzelner Gegenstand
soll hier besonderer Beachtung
empfohlen sein: ein Helm des
11. Jahrhunderts. Guy Laking
(European Armour and arms,
I, 44) spricht von 16 Helmen
aus der Normannenzeit, die
ihm bekannt geworden sind;
indes gesteht er, er zweifle, ob
tatsächlich die Mehrzahl davon
dieser Periode angehöre. Ich
brauche kaum zu erwähnen,
daß neun davon Spangen*
helme des 6. und 7. Jahr*
hunderts sind, und einen von
den anderen, den er auch in
die Gruppe der Spangenhelme
einreihte, hat Boeheim mit
größerer Wahrscheinlichkeit
ins 12.J ahrh. versetzt. Ich meine
den schönen Helm im Museum
zu Posen (Z.H.W.K. 1, 20.
Abb. 4). Da diese Reihe also
derartig zusammengeschmol*
zen ist, verdient jedes weitere
Exemplar, es mag Doch so sehr beschädigt sein, unser höchstes
Interesse.
Der Helm von Liverpool besteht aus vier dreieckigen Eisen*
platten, die mit schwer vergoldeten Kupferspangen belegt sind.
Jede Platte ist unten 1,8, oben 2,5 cm breit. Die vordere und
die hintere Platte ragen über die seitlichen über, und alle werden
entlang den Rändern von vier Nieten mit Halbrundköpfen
zusammengehalten. Rings um die Öffnung an dem Scheitel
des Helmes befinden sich vier kleine Nieten mit Kreuzköpfen,
die ursprünglich eine konische Eisenhaube hielten. Um den
unteren Rand läuft eine andere Reihe Nieten, zwei auf jeder
Platte, um den Kronreif zu halten, der früher den Rand um*
schloß. Auf der Abbildung sieht man noch Reste dieser Krone
in der Form von zwei der drei lanzettartigen Blüten, die den
vorderen Teil schmückten. Auf den seitlichen Platten bildeten
runde Scheiben den einzigen Schmuck; das erkennt man
freilich nur an den Nieten, die sie hielten, und an der kreis*
förmigen Verfärbung der Patina auf der Vergoldung.
Die Form des vorliegenden Helms erinnert unmittelbar an
den in Posen. Bei verwandtem konstruktivem Bau besteht
dieser aus zwei Platten, doch ihre Gesamterscheinung ist

durchaus verwandt, beide weisen starke Spuren von Vergol*
düng auf und sind mit charakteristisch gebildeten Kronen
geschmückt. Der Hauptunterschied besteht in dem Fehlen der
Federhülse am Scheitel des Liverpooler Helms. Sie haben in*
dessen zweifellos beide das gleiche Alter und die gleiche
Herkunft. Der Posener Helm ist in Giez ausgegraben worden,
das 1039 von den Böhmen zerstört wurde. Und da die Kon*
struktion beider Helme dem nicht widerspricht, muß man den
Anfang des 11. Jahrhunderts
auch als die Zeit ihrer Her*
Stellung ansehen. Auf die Her*
Stellungszeit des Liverpooler
Helms wirft eine Bemerkung
in dem Originalkatalog der
Sammlung Meyer weiterhin
Licht: darnach sei das Stück auf
dem Schlachtfeld von Walric
gefunden worden, „anschei*
nend“auf ostpreußischem oder
polnischem Boden. Bis jetzt
ist es mir noch nicht gelun*
gen, diesen Ort ausfindig zu
machen; hoffentlich hilft diese
Notiz hierzu. C. R. B.
Moderne Schlachtschwer*
tierer. Unter diesem Titel hat
Dr. Potier in Z. H.W. K. 8, 298
in dankenswerter Weise eine
Ansichtskarte veröffentlicht,
welche „das Rott der Horn*
sehen Schlachtschwertierer“
und somit einen alten Brauch
der dortigen Volksbelustigung
darstellt. Die 16 Mann dieser
festlich gekleideten Rotte
tragen große Schiffhüte mit
Blumensträußen, ihre Bewaff*
nung besteht aus mehr oder minder ansehnlichen Resten
von Kettenhemden und gewaltigen Zweihändern. Was den
Ursprung des alten Brauches betrifft, so sollen nach einem Reim*
gedicht auf der Ansichtskarte die Bürger von Horn einmal
ihren in der Kahlenburg verstrickten Grafen befreit haben,
welcher Beweis von Mannentreue noch jetzt, und zwar von
drei zu drei Jahren, durch ein Fest in Horn gefeiert wird.
Der am Schluß dieser Mitteilungen von Dr. Potier gegebenen
Anregung eines näheren Interesses für die Geschichte jener
lippischen Schlachtschwertierer entsprechend, habe ich bei den
maßgebenden Stellen in Horn (Lippe),1) einem in der Nähe
der Externsteine im Teutoburger Walde gelegenen Städtchen, die
erforderlichen Ermittlungen angestellt, welche nachfolgendes,
auch in waffen* und kostümgeschichtlicher Hinsicht interessantes
Resultat ergeben haben2):
Hiernach handelt es sich um das bis zu Beginn des Krieges
alle drei Jahre in Horn abgehaltene Schützenfest, bei dem die
’) Horn (Lippe) bei Detmold, zum Unterschiede gegen das bei Soest gelegene
Horn i Westfalen.
2) Nach der liebenswürdigen und hiermit dankend anerkannten Auskunft des
Herrn Bürgermeisters in Horn (Lippe), sowie insbesondere des Herrn Lehrers
H. Reineke, Vorstand des Hornschen Turnvereins.


Helm, 11. Jahrhundert. Museum Liverpool
 
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