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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 6/7
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0252

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218

FACHNOTIZEN

BAND 9

von der Grafenbefreiung stammenden Zweihänder von dem
Schlachtschwertiererrott getragen werden. Von diesen Schlacht*
Schwertern, sowie von den Panzerhemden sind je 16 Stück
vorhanden, die auf dem Rathause aufbewahrt werden und
Eigentum der Schützengesellschaft sind. Die handgeschmiedeten
Zweihänder sind fast 2 m lang, besitzen einen hölzernen, mit
Leder bezogenen Griff und eine weitgeschwungene, geschmack»
voll ornamentierte Parierstange nebst Parierhaken am Ansätze.
Alle Schwerter sind verschieden, ebenso auch die aus engen
Drahtmaschen geflochtenen Kettenpanzer. Mehrere der letz»
teren sind Mantelkragen, die über die Schultern gehängt werden
und bis auf die Hände reichen, ein größeres Panzerhemd geht
bis an die Knie. Zu dieser Ausrüstung gehört auch ein leder»
gelber Leinenkittel, der unter dem Panzerhemd getragen wird


und das frühere Lederkoller ersetzen soll, ferner ein Drei*
master aus grobem schwarzem Filz mit einem gelbroten Bande,
den lippischen Landesfarben.
Außer an den alle drei Jahre abgehaltenen Schützenfesten
hat das Rott der Hornschen Schlachtschwertierer auch sonst
noch an besonderen nationalen Festen teilgenommen, so bei
der Schließung des Grundsteingewölbes des Hermannsdenkmals
im Jahre 1841, und bei der Einweihung dieses Denkmals im
Jahre 1873, wo sie die vielbewunderte Ehrenwache des Kaisers
Wilhelm I. bildeten.
Über die Herkunft dieser Schlachtschwerter erzählt man
sich folgende Sage: In einer Fehde des Herzogs Wilhelm von
Braunschweig mit Graf Bernhard zur Lippe nahm ersterer den
Grafen bei Schwalenberg gefangen, ließ ihn auf seine feste
Burg Kahlenberg bringen und forderte ein Lösegeld von
200 000 Goldgulden, das der Graf aber nicht aufbringen konnte.
Als die Bürger von Horn hiervon Kunde erhielten, beschlossen
sie durch einen nächtlichen Überfall den Grafen zu befreien.

Dies gelang, und im Triumphe führten sie den Befreiten nach
Horn zurück. Von der Kahlenburg nahmen sie die Glocken,
Schwerter, Harnische und Panzerhemden mit. Der Graf wohnte
seither in der Stadt und gab ihr viele Freiheiten und Privilegien,
unter anderem auch das Recht, daß die Bürger Horns aus
seinen Waldungen alles vom Sturm gefällte Holz als ihr
Eigentum in die Stadt fahren durften, ein Fallholzprivilegium,
das noch bis auf den heutigen Tag besteht.
Diese Sage, die vor etwa 100 Jahren von einem Dr. Ziegler
zu einem Schauspiele („Hornsche Bürgertreue“) verarbeitet
worden ist, das lange Zeit alljährlich im Hoftheater in Det*
mold und im November 1921 nach längerer Pause auch von
dem Hornschen Turnverein wieder aufgeführt wurde, ver»
schweigt aber leider, welcher von den acht lippischen Grafen
namens Bernhard, die von 1129 bis 1563 gelebt haben, ge»
meint ist. Auch weiß die Geschichte nichts von der Gefangen*
schäft eines lippischen Grafen auf der Kahlenburg. Da aber
fast jede Sage einen geschichtlichen Hintergrund hat, der nur
von dem Volke poetisch ausgeschmückt wird, so könnten die
folgenden geschichtlichen Tatsachen wohl in Betracht kommen:
Als im Jahre 1481 ein Streit zwischen der Stadt Hildes*
heim und ihrem Bischof entstand, fand dieser Hilfe bei dem
Herzoge Wilhelm II. von Braunschweig, während der Bruder
des letzteren, Friedrich von Braunschweig, auf Seiten der Stadt
kämpfte. Herzog Friedrich wurde jedoch gefangen genommen,
und ebenso geriet sein zur Befreiung herbeieilender Schwager,
Graf Johann von Rietberg, in Gefangenschaft, der auf der
Kahlenburg bei Sarstedt, einem Städtchen in der Nähe von
Hildesheim, in Haft gehalten wurde. Jetzt kam ihnen neben
einigen Hansastädten nun auch Graf Bernhard VII. zur Lippe,
der Schwiegervater des Grafen von Rietberg, zu Hilfe; er
zog vor die bischöfliche Stadt Sarstedt, eroberte und plünderte
sie (21.—24. September 1485). Die Fehde wurde bald darauf
beigelegt, und Graf Johann von Rietberg konnte nunmehr
gegen ein Lösegeld von 1400 Goldgulden seine Freiheit wieder
erhalten. Daß aber bei dem Sturme auf Sarstedt auch Bürger
von Horn beteiligt waren, geht aus alten Akten hervor.
Es handelt sich somit nicht um die Befreiung des Grafen
Bernhard III. zur Lippe von der Kahlenburg, sondern um
die seines Schwiegersohnes, des Grafen Johann von Rietberg.
Glocken, Panzer und Schwerter stammen auch nicht aus der
Kahlenburg, sondern nur aus dem benachbarten Sarstedt. Über
das genannte Fallholzprivilegium sind Urkunden aus dem
Jahre 1542 vorhanden.
Die hier in Originalgröße beigefügte Abbildung der von
der Stadt Horn (Lippe) im November 1921 ausgegebenen Not*
geldscheine zu 1 Mk. zeigt auf der farbig ausgeführten Vorder»
Seite einen Schlachtschwertierer in voller Ausrüstung, das
Band auf dem Dreimaster und die Schärpe um den Leib in
den gelbroten Landesfarben, den Schild mit dem redenden
Wappen der Stadt, das Jagdhorn, und darüber die lippische
fünfblättrige rote Rose mit goldenem Samen.
Einzelne dieser Notgeldscheine enthalten auf der Rückseite
zur Erklärung einen kurzen Vermerk der erwähnten Sage.
Das dabei angegebene Jahr 1385 ist jedoch, wie aus der obigen
Richtigstellung dieser Sage hervorgeht, ein Irrtum, da viel»
mehr nur das Jahr 1485, d. h. zu Zeiten des Grafen Bernhard VII.
(1430—1511), in Betracht ko mmen kann.
Hiefür sprechen überdies auch die erbeuteten Schwerter
und Kettenpanzer. Denn das Auftreten des Zweihänders läßt
sich erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts, jedenfalls
nicht vor der zweiten Hälfte desselben feststellen, da erst der
 
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