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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Engel, Bernhard: Laufende Knechte
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Gessler, Eduard Achilles: San Defendente und seine Bewaffnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0072

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54

E. A. GESSLER, SAN DEFENDENTE UND SEINE BEWAFFNUNG

BAND 9

Während die beiden äußeren Wächter noch
schlafen, sind die beiden inneren eben erwacht und
schauen dem auferstandenen Christus nach; dabei
ist es besonders eigenartig, daß der dritte, um jenen
zu erreichen, nicht zu seiner Helmbarte, sondern
mit der Rechten zu einem Steine greift.
Der Wächter Nr. 2 trägt ein Wams, das den
Falten nach offenbar aus viel dickerem Stoff besteht
als die Röcke von Nr. 1 und 4. Es ist ärmellos,
am Halse und an den engen Armausschnitten an*
scheinend abgesteppt. Arme und auch der Hals
sind mit Ringgeflecht bedeckt; man muß daher nicht
nur Ringärmel annehmen, sondern ein ganzes, aller*
dings kurzes Ringhemd. An den Händen trägt der
Krieger vollständige Eisenhandschuhe, im Gelenk
hübsch getrieben, mit langen Stulpen, Knöchel*
geschähe und geschuppten Fingern. Den Kopf deckt
eine Hirnhaube mit verstärktem Rande und kräftigen
Futternägeln; hinter dem Backenbart ist ein Teil
des Sturmriemens sichtbar. Die Beine stecken nur
in engen Hosen und weiten niedrigen Stiefeln;
ebenso bei Nr. 3, nur sind hier die Stiefel höher.
Die Schwertscheide wurde schon erwähnt, der
scheibenförmige Knauf ist anscheinend aus Messing
abgedreht. Dieses Schwert hängt ausnahmsweise
an einem über die rechte Schulter gehenden, auf
der Brust geschnallten Riemen, nicht an dem schmalen
Leibgurt; wenigstens ist nicht abzusehen, welchem

Zweke ersterer Riemen sonst dienen sollte. Als
zweite Angriffswaffe führt dieser Krieger eine so*
genannte Mordaxt, welche hinten statt des Hackens
der Helmbarte einen Hammer hat. (Vgl. Z. H.W. K. 5,
201, Fig. 2.) Sowohl das Eisen als auch der Schaft
dieser Waffe nimmt sich im Verhältnis zu der übrigen
Arbeit etwas plump aus.
Das gleiche gilt für die Helmbarte des drittenWäch*
ters. Ihr Eisen mit dem langen rechteckigen Blatt ist
für das Jahr 1504 bereits als veraltet zu bezeichnen.
Dieser Krieger trägt ein bis auf die Mitte der
Oberschenkel herabreichendes Ringhemd mit langen
Ärmeln. Darüber ein kurzes Wams, von dem nur
der Saum am Halse und die geschlitzten Ärmel zu
sehen sind. Das übrige wird durch den einmal
geschifteten Brustpanzer mit seinen Bauchreifen ver-
deckt. Die Schiftung zeigt äusser den sonst üblichen,
die Ränder begleitenden Kehlungen noch in der
Mitte drei kerbschnittmusterartige Treibungen, wäh*
rend oben zwei schräge Kreuze eingetrieben sind.
Der Helm ist eine flotte Schallern ohne Visier, an
der Schläfe mit einer heraldisch geformten Rose aus*
gestattet. Solche Rosen u. dergl. dienten zum An*
bringen einer Feder oder eines Stutzes. (Hefner*
Alteneck a. a. O. Bd. II Taf. 161 Fig. B und C.) Unter
dem Kinn sehen wir auch hier den Sturmriemen.
Die Handschuhe sind wenig reicher gearbeitet als
bei Nr. 1 und 4.

SAN DEFENDENTE UND SEINE BEWAFFNUNG
VON E. A. GESSLER

Im Bleniotal, unweit von Corzoneso bei Dongio
im schweizerischen Kt. Tessin, beschreibt G. Simona
eine spätgotische Kapelle und deren Fresken, welche
die Madonna mit Kind sowie die Heiligen Rochus
und Sebastian darstellen. „Sopra S. Sebastiano leggesi
in caratteri gotici questa inscrizione: »M.CCCCC.X.
hoc. opus. factuus. fuit. .«“ (sic!).1) Es handelt sich
jedoch nicht um eine intakte Kapelle, sondern um
ein dreiseitig offenes Gemäuer, das nach oben ein*
gewölbt ist. Die darin an den Wänden befindlichen
Fresken sind, wie eben erwähnt, 1510 datiert. Auf
der inneren, nördlichen Seite befindet sich nun das
Bild eines von Simona nicht angeführten Heiligen
in ganzer Figur, laut der Inschrift auf dem Schrift*
band S. Defendens. Dieser San Defendente kommt
als Heiliger in der Schweiz nur im Tessin vor:
*) G. Simona, Note di arte antica del Cantone Ticino.
Locarno 1913, p. 279.

Denkmäler von ihm befinden sich noch in Castel
S. Pietro und in Obino im Mendrisiotto.
Das Fresko von Corzoneso ist jedoch die weitaus
interessanteste Darstellung dieses Heiligen, der in
ganzer spätgotischer Rüstung dargestellt ist. Abb. 1.
Auf dem bartlosen Haupte sitzt ihm ein Feder*
kranz, wie wir ihn bei Darstellungen auf Glas*
gemälden jener Zeit öfter treffen. Den Oberkörper
bedeckt ein bis über die Weichen hinabreichendes
Kettenpanzerhemd, darüber trägt er einen geschif*
teten Harnisch mit verstärkter Brustplatte und
geschobenen Bauchreifen; an diesen sind zwei Bein*
taschen aus je einem Stück befestigt. Das Ober*
armzeug wird durch die weiten Ärmel des Panzer*
hemds gebildet, die Achseln sind durch eine Art
Muscheln geschützt; während die übrigen Rüstungs*
teile eisenfarbig gehalten sind, zeigen die Achsel*
stücke und die Kniekacheln eine braune Farbe, sie
 
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