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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 2
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Gessler, Eduard Achilles: San Defendente und seine Bewaffnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0073

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HEFT 2

E. A. GESSLER, SAN DEFENDENTE UND SEINE BEWAFFNUNG

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sind entweder aus Eisen und vergoldet gedacht,
oder aber diese Schutzteile bestehen aus Leder.
Ihre Form ließe das wohl zu; gerade wegen dieser
sonderbaren Gestalt dürfen wir Leder annehmen,
da ja keine zeitgenössische, sondern eine Rüstung
eines kriegerischen Heiligen vor
uns steht. Das Beinzeug besteht
wiederum aus eisernen, ge=
schlossenen Ober* und Unter*
beinröhren mit Kniekacheln
und Eisenschuhen von spitzer
Form. An den Händen sitzen
eiserne Handschuhe, gefingert
und mit Stulpen versehen. In
der Linken hält der Heilige ein
Schwert mit Kugelknauf, quer*
geripptem Griffholz und einer
geraden, nach den Enden zu
sich stempelförmig verbreitern*
den Parierstange. Die Klinge
in der verzierten Scheide ist
dreikantig. In der rechten trägt
er einen Streitkolben von
sonderbarer Form. Am Stiel
von rundem Querschnitt be*
findet sich als Abschluß ein
runder Knauf, um ein Ent*
gleiten der Waffe zu verhindern,
ein ähnlicher Knopf bildet oben
den Übergang zum Kolben;
dieser zeigt die Form eines
sechsseitigen Zylinders, von
unten- steigen schräg sechs
konische Flächen zu ihm, oben
ist er durch eine sechsseitige
konische Spitze abgeschlossen,
welche ein runder Knauf krönt.
An den Schnittflächen der Ab*
Schrägungen mit dem Zylinder
sitzt je ein zweieckiges Wulst*
band, an den Ecken befinden
sich jeweilen runde spitze Stacheln. Das ganze hat
Ähnlichkeit mit einem Morgenstern.
Eine verwandte Waffe, jedoch, soweit dies erkennt*
lieh, mit langem Schaft, zeigt ein Bild in Benedikt
Tschachtlans Berner Chronik, 1470.2) Abb.2. Wegeli
beschreibt sie folgendermaßen: „Von dieser ....
-) Ms. A. 120. Zentralbibliothek Zürich, Bl. 87. Abgebildet:
Jahresbericht d. histor. Museums in Bern 1915, Taf. 11. Dr. R.
Wegeli, Die Bedeutung der schweizer. Bilderchroniken für die
histor. Waffenkunde. 1. Tschachtlan 1470. S. 85/86.
3) Aus den Bilderchroniken ist demVerfasser eine einzige,außer
den von Wegeli bei Tschachtlan gefundenen drei Morgensternen,

als Streitkolben anzusprechenden Form weicht die
Darstellung der Schlacht bei Morgarten ab. Hier
ist ein langschäftiger Morgenstern abgebildet, der
eine wahrscheinlich aus Metall gebildete, Zylinder*
förmige Verstärkung mit aufgesetzter konischer Spitze
besitzt. Er wird von einem
Österreicher geführt.“ Erkennt*
lieh auf der Miniatur ist nur
der obere Teil des „Morgen*
sterns“, der im Grunde ge*
nommen einfach ein Streit*
kolben mit verlängerter Stange
ist. Da er in gleicher Höhe
wie die daneben befindlichen
Stangenwaffen gezeichnet ist,
haben wir bei ihm ebenfalls
eine solche zu sehen. Wegeli
berichtet jedoch nichts von
dem auf dem Original deut*
lieh sichtbaren metallenen Ab*
schlußknopf an der konischen
Spitze, der dem am Streit*
kolben des hl. Defendens voll*
kommen entspricht. Mit dieser
merkwürdigen Waffe will der
Maler den Heiligen eben als
einen Ritter aus der grauen
Vorzeit der thebäischen Legion
kennzeichnen; da Tschachtlan
eine solche Waffe nur ein*
mal bringt und es sich um
die Charakterisierung einer
Schlacht aus längst vergang*
ener Zeit, sowie einer nicht*
schweizerischen Bewaffnung
handelt, dürfen wir annehmen,
daß ein solches Stück im 14.
und 15. Jahrhundert kaum je
in Wirklichkeit vorhanden war.
Bewußtes Antikisieren des
Zeichners dürfte auch bei der
Darstellung der morionartigen Schallern zweier
österreichischer Ritter auf dem gleichen Bild in
Frage kommen. Wo Eidgenossen dargestellt werden,
fehlen alle diese absonderlichen Waffenformen,
die eben dazu bestimmt sind, den Gegner zu
kennzeichnen.3)
resp .Streitkolben,welche mit einerHand geführt werden,bekannt:
Kopie von Gerold Edlibachs Zürcherchronik, 1506. Ms.A. 77. Zen*
tralbibl. Zürich. S. 67, ein kurzer Stiel mit dicker runder Keule mit
starken Eisenstacheln beschlagen. Beim Sturm der Eidgenossen
auf die Stadt Zürich im Kriege von 1444 führt sie ein Eidgenosse
zu oberst auf einer Sturmleiter beim Angriff auf die Mauern.


Abb. 1.
San Defendente. Fresko in Corzoneso, Kt. Tessin

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