HEFT 2
Freskogemälden den Morgenstern zu Gesicht be*
kommen, nie ist er in den Händen von Schweizern.
Besonders häufig sehen wir ihn bei den Darstel*
lungen von der Gefangennahme Christi im Garten
Gethsemane, wo ihn die Kriegsknechte öfters tragen,
überhaupt treffen wir bei jener Szene die seltsamste
und unmöglichste Bewaffnung. Es galt für den
Künstler eben, durch solche phantastische Bewaff*
nung und auch Tracht den fernen Orient zu cha*
rakterisieren. Ein treffliches Beispiel bildet Dürer:
wo er deutsche oder europäische Waffen gibt, sind
die Formen übereinstimmend mit den damals ge*
führten Waffen, sowie aber fremdländische oder
antike Waffen in Betracht kommen, läßt er der
Phantasie freien Lauf. Die einzige mir bekannte
Wiedergabe eines Morgensterns in einer schweb
zerischen Bilderchronik außer der oben erwähnten
Waffe bei Tschachtlan findet sich in der des Die-
bold Schilling von Luzern, um 1507. Dort sind
bei der Darstellung des sogen. „Plappartkrieges“,
1466,°) die Boten, die der Stadt Mülhausen die
Fehdeansage verschiedener Herren des umliegenden
Adels überbringen, mit Morgensternen bewaffnet;
ihre Tracht ist zerlumpt, denn augenscheinlich
wurden hier, um die Geringschätzung des Adels
gegen die Stadt auch äußerlich zu zeigen, un«
ehrliche Leute als Boten verwendet. Der Bote,
der „Läufer“, ist ohne Ausnahme traditionell immer
mit einem Spieß bewaffnet. Der Morgenstern konnte
daher niemals eine Botenwaffe gewesen sein. Als
Bewaffnung von Landsturmtruppen hingegen ist er,
wie Häne betont, seit dem Anfang des 17. Jahr*
hunderts im Gebrauch. 1622 erhält er den Namen
Prättigauerknebel oder „Fidelisknüttel“. Die Prätti*
gauer im Kt. Graubünden waren von den Öster*
reichern, die das Land besetzt hielten, entwaffnet
worden; sie überfielen mit Erfolg ihre Bedrücker,
nachdem sie sich im Verborgenen Notwaffen, eben
diese Prättigauerknüttel angefertigt hatten. Bei dieser
Gelegenheit wurde der Kapuzinerpater Fidelis von
Sigmaringen, der als Bekehrungsprediger die kaiser*
liehen Soldaten begleitete, nach der Tradition mit
einem solchen Morgenstern erschlagen. Da Fidelis
(al. Markus Roy) als Märtyrer galt und 1748 ka*
nonisiert wurde, nannte man diese Landsturm*
waffen auch „Fidelisknüttel“.7) Vom schweizerischen
57
Bauernkrieg von 1653 stammt ein anderer Name,
„Entlibucher Trüssel“: der Hauptherd des Aufstands
lag im Luzernerischen Entlebuch. Sie sind mit den
Fidelisknütteln identisch.8) Die aus dem Basler
Zeughause stammenden Waffen aus der gleichen
Zeit werden in den Inventaren einfach „Morgen*
sterne“ genannt.9) Im Züricher Zeughausinventar
von 171110) befinden sich „Wädensweiler Brügel“,
wohl nach den aufständischen Bauern vonWädens*
wyl so genannt. Seit jener Zeit diente der Mor*
genstern als provisorische Waffe in der Schweiz. In
der Franzosenzeit 1798 und noch zur Zeit des
„Sonderbundkrieges“ 1847 wurde der innerschwei*
zerische Landsturm damit bewaffnet. Im historischen
Museum Sarnen und im Rathaus zu Luzern sind
noch eine Anzahl dieser „Morgensterne“ zu sehen;
gleiche befinden sich im Rathause zu Unterhailau,
als Beutestücke der Hailauer Mannschaft aus dem
Sonderbundfeldzug.
In sämtlichen Schweizerischen Zeughausinventaren
tritt der Morgenstern nicht vor der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts auf; wo wir in den Schweize*
rischen Bilderchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts
auf eine ähnliche Waffe stossen, ist es immer ein
kurzgeschäftetes Stück zur Führung mit einer Hand
und niemals für beide Hände, wie wir sie noch
in der Schweiz erhalten finden. Damit dürfte der
Gebrauch des Morgensterns als Hauptwaffe bei den
alten Eidgenossen in das Gebiet der Legende ver*
wiesen sein. Die Schweizer Schlachten wurden mit
Halbarte und Langspieß ausgekämpft.
Um zu St. Defendens zurückzukehren, sei noch
ausgeführt, was die kirchlichen Quellen über sein
Leben und Wirken berichten.11) Alte Nachrichten
aus dem Kreise seiner Verehrung im Tessin sind
mir nicht bekannt geworden. Bei den Bollan*
disten erscheinen zwei Heilige dieses Namens:
ob sie miteinander identisch seien, steht nicht fest.
Sein Tag ist der 2. Januar. Nach dem „Catalogus
generalis sanctorum“ des Ferrarius soll der hl. De*
fendens im Gebiet von Marseille bei der Rhone,
nebst andern Begleitern von der thebäischen Legion,
unter Kaiser Maximinian den Märtyrertod erlitten
haben. Nach dem Martyrologium des Petrus Ga*
lesinius wird als Ort nur die Rhone in Gallien
genannt, dort sei er von dem hl. Theodor, Bischof
E. A. GESSLER, SAN DEFENDENTE UND SEINE BEWAFFNUNG
°) Ms. Bürgerbibliothek Luzern, Luzerner Chronik, 1513,
Bl. 70/71.
’) Vgl. oben G. Wyß, Fidelis*Chnüttel.
“) E. A. Geßler und J. Meyer*Schnyder, Katalog der histo*
rischen Sammlungen im Rathause zu Luzern. Luzern, Räber,
1911. S. 52.
'■') jetzt im Basler historischen Museum.
,0) jetzt im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich. Ms.
Schweizerisches Landesmuseum. S. 31.
“) Acta Sanctorum. Notis illustravit Joannes Boi*
landus .... Prodit nunc duobus tomis, Januarius. Antver*
biae, 1643. S. 80.
3®
Freskogemälden den Morgenstern zu Gesicht be*
kommen, nie ist er in den Händen von Schweizern.
Besonders häufig sehen wir ihn bei den Darstel*
lungen von der Gefangennahme Christi im Garten
Gethsemane, wo ihn die Kriegsknechte öfters tragen,
überhaupt treffen wir bei jener Szene die seltsamste
und unmöglichste Bewaffnung. Es galt für den
Künstler eben, durch solche phantastische Bewaff*
nung und auch Tracht den fernen Orient zu cha*
rakterisieren. Ein treffliches Beispiel bildet Dürer:
wo er deutsche oder europäische Waffen gibt, sind
die Formen übereinstimmend mit den damals ge*
führten Waffen, sowie aber fremdländische oder
antike Waffen in Betracht kommen, läßt er der
Phantasie freien Lauf. Die einzige mir bekannte
Wiedergabe eines Morgensterns in einer schweb
zerischen Bilderchronik außer der oben erwähnten
Waffe bei Tschachtlan findet sich in der des Die-
bold Schilling von Luzern, um 1507. Dort sind
bei der Darstellung des sogen. „Plappartkrieges“,
1466,°) die Boten, die der Stadt Mülhausen die
Fehdeansage verschiedener Herren des umliegenden
Adels überbringen, mit Morgensternen bewaffnet;
ihre Tracht ist zerlumpt, denn augenscheinlich
wurden hier, um die Geringschätzung des Adels
gegen die Stadt auch äußerlich zu zeigen, un«
ehrliche Leute als Boten verwendet. Der Bote,
der „Läufer“, ist ohne Ausnahme traditionell immer
mit einem Spieß bewaffnet. Der Morgenstern konnte
daher niemals eine Botenwaffe gewesen sein. Als
Bewaffnung von Landsturmtruppen hingegen ist er,
wie Häne betont, seit dem Anfang des 17. Jahr*
hunderts im Gebrauch. 1622 erhält er den Namen
Prättigauerknebel oder „Fidelisknüttel“. Die Prätti*
gauer im Kt. Graubünden waren von den Öster*
reichern, die das Land besetzt hielten, entwaffnet
worden; sie überfielen mit Erfolg ihre Bedrücker,
nachdem sie sich im Verborgenen Notwaffen, eben
diese Prättigauerknüttel angefertigt hatten. Bei dieser
Gelegenheit wurde der Kapuzinerpater Fidelis von
Sigmaringen, der als Bekehrungsprediger die kaiser*
liehen Soldaten begleitete, nach der Tradition mit
einem solchen Morgenstern erschlagen. Da Fidelis
(al. Markus Roy) als Märtyrer galt und 1748 ka*
nonisiert wurde, nannte man diese Landsturm*
waffen auch „Fidelisknüttel“.7) Vom schweizerischen
57
Bauernkrieg von 1653 stammt ein anderer Name,
„Entlibucher Trüssel“: der Hauptherd des Aufstands
lag im Luzernerischen Entlebuch. Sie sind mit den
Fidelisknütteln identisch.8) Die aus dem Basler
Zeughause stammenden Waffen aus der gleichen
Zeit werden in den Inventaren einfach „Morgen*
sterne“ genannt.9) Im Züricher Zeughausinventar
von 171110) befinden sich „Wädensweiler Brügel“,
wohl nach den aufständischen Bauern vonWädens*
wyl so genannt. Seit jener Zeit diente der Mor*
genstern als provisorische Waffe in der Schweiz. In
der Franzosenzeit 1798 und noch zur Zeit des
„Sonderbundkrieges“ 1847 wurde der innerschwei*
zerische Landsturm damit bewaffnet. Im historischen
Museum Sarnen und im Rathaus zu Luzern sind
noch eine Anzahl dieser „Morgensterne“ zu sehen;
gleiche befinden sich im Rathause zu Unterhailau,
als Beutestücke der Hailauer Mannschaft aus dem
Sonderbundfeldzug.
In sämtlichen Schweizerischen Zeughausinventaren
tritt der Morgenstern nicht vor der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts auf; wo wir in den Schweize*
rischen Bilderchroniken des 15. und 16. Jahrhunderts
auf eine ähnliche Waffe stossen, ist es immer ein
kurzgeschäftetes Stück zur Führung mit einer Hand
und niemals für beide Hände, wie wir sie noch
in der Schweiz erhalten finden. Damit dürfte der
Gebrauch des Morgensterns als Hauptwaffe bei den
alten Eidgenossen in das Gebiet der Legende ver*
wiesen sein. Die Schweizer Schlachten wurden mit
Halbarte und Langspieß ausgekämpft.
Um zu St. Defendens zurückzukehren, sei noch
ausgeführt, was die kirchlichen Quellen über sein
Leben und Wirken berichten.11) Alte Nachrichten
aus dem Kreise seiner Verehrung im Tessin sind
mir nicht bekannt geworden. Bei den Bollan*
disten erscheinen zwei Heilige dieses Namens:
ob sie miteinander identisch seien, steht nicht fest.
Sein Tag ist der 2. Januar. Nach dem „Catalogus
generalis sanctorum“ des Ferrarius soll der hl. De*
fendens im Gebiet von Marseille bei der Rhone,
nebst andern Begleitern von der thebäischen Legion,
unter Kaiser Maximinian den Märtyrertod erlitten
haben. Nach dem Martyrologium des Petrus Ga*
lesinius wird als Ort nur die Rhone in Gallien
genannt, dort sei er von dem hl. Theodor, Bischof
E. A. GESSLER, SAN DEFENDENTE UND SEINE BEWAFFNUNG
°) Ms. Bürgerbibliothek Luzern, Luzerner Chronik, 1513,
Bl. 70/71.
’) Vgl. oben G. Wyß, Fidelis*Chnüttel.
“) E. A. Geßler und J. Meyer*Schnyder, Katalog der histo*
rischen Sammlungen im Rathause zu Luzern. Luzern, Räber,
1911. S. 52.
'■') jetzt im Basler historischen Museum.
,0) jetzt im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich. Ms.
Schweizerisches Landesmuseum. S. 31.
“) Acta Sanctorum. Notis illustravit Joannes Boi*
landus .... Prodit nunc duobus tomis, Januarius. Antver*
biae, 1643. S. 80.
3®