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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 3
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Rathgen, Bernhard von: Frankfurter Prunkgeschütze und ihre Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0114

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94

BERNHARD RATHGEN, FRANKFURTER PRUNKGESCHÜTZE UND IHRE MEISTER

BAND 9

Den eleganten Formen eines römisch*korinthischen
Kapitells gleicht im Weiten die Mundfriese, nur daß
statt dessen zierlicher Gesetzmäßigkeit hier schein*
Bild 14

Conrad Gobel Solms’sches Geschütz 1538


bar willkürlich pflanzliche und lebende Formen
— sitzende Löwen, umgeben von herrlichem Ranken*
werk — in schier unentwirrbarem Durcheinander zu
einerharmonischen Einheit wohltuendsich zusammen*
schließen (Bild 14). Der Künstler hat mit der Erinne*
rung an klassische Vorbilder das eigene lebendige
Empfinden zu vereinen gewußt, hat eine rein persön*
liehe Kunstform geschaffen. Das ringförmige Band
zwischen dem Kapitell — der Mundfriese — und dem
langen Felde trägt die Inschrift: „Conrat Gobel zu
Frankfort gos mich“. Das Mundstück ist nicht durch
eine senkrecht zurSeelenachse gestellte Fläche begrenzt,
sondern wird durch einen flachenKugelabschnitt gebil*
det, dessen Radius in der Höhe des unteren Randes
der Mundfriese einsetzt. So verstärkt der Künstler den
geschlossenen Eindruck seines Gebildes, auf Kosten
einer geschütztechnisch nicht vorteilhaften Form.
Das schlanke, sonst schmucklose lange Feld ziert
in ovalem Schilde eine sitzende weibliche Figur,
eine Parze mit übergeschlagenem Bein und mit
erhobenen Händen, gewiß nach einem von Gobel
als klassisch erachteten Vorbilde, und deutet auf die
todbringende Bestimmung des Geschützes hin. Am
Zapfenstück setzen die Schildzapfen unvermittelt
an das Rohr an. Diese tragen auf ihrer Außenseite
Scheiben, welche von außen über Lafettenwand und
Schildzapfenpfanndeckel herübergreifend, durch ein
Zusammenhalten des Ganzen ebenso für die feste,
beim Schuß seitlich unveränderte Lage des Rohres
sorgen sollen, wie diese Aufgabe den inneren Schild*
zapfenscheiben bei den Rohren des Meister Stephan
zufiel. Es ist dies wahrscheinlich das früheste Vor*
kommen von „äußeren Schildzapfenscheiben“, die
sonst erst im 17. Jahrhundert nachweisbar sind

(Bild 15). Seinem künstlerischen Drange entsprechend
hat Gobel diese schildförmigen Scheiben benutzt, um
dem Rohr eine weitere Zierde durch das Bildnis
Karls V. zu geben, des Kaisers, dem Graf Bernhard
ein treuer Anhänger war. Das gleiche Bildnis
schmückt in kleinerer Ausführung, achtfach wieder*
holt, den obersten sonst glatten, leicht ausgekehlten
Reif der Mundfriese.
Hinter dem Zapfenstück sitzen die als Delphine
geformten Henkel zur Handhabung auf. Ihre Mittel*
linien treffen sich in der Seelenachse, wohl genau
im Schwerpunkte des Rohres. Von dem glatten
langen Felde leiten zu dem reich geschmückten
Boden zwei Zierbänder hinüber, sie werden durch
einfaches Aneinanderreihen je eines figürlichen
Schmuckstückes gebildet. In dem vorderen wieder*
holt sich ein 47 mm Durchmesser haltendes Medaillon
mit dem von Genien getragenen Medusenhaupte —
ein leicht verständliches Symbol. In dem hinteren
Bande reihen sich Lünetten mit dem — hier unter dem
Schutze des Medusenhauptes — ruhenden Merkur.
Das Medusenhaupt entspricht einem antiken Vor*
bilde, der Merkur macht den Eindruck einer deut*
Bild 15

Conrad Gobel 1538


sehen Arbeit, entstammt vielleicht dem Flötner*
sehen Kunstkreise (Bild 16).
Der leicht kugelige Boden des Rohres zeigt
zwischen feingeschlungenem Rankenwerk die durch
 
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