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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 3
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Mützel, Hans: Das Modenmuseum des Verbandes der deutschen Modenindustrie in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0129

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HEFT 3 DAS MODENMUSEUM DES VERBANDES DER DEUTSCHEN MODENINDUSTRIE IN BERLIN

109

Stoff gibt uns aber nur dasoriginale Gewandstückvolk
wertigen Aufschluß, wenn es uns als Produkt der Kleis
derkunst vor Augen tritt. Und nur das Originalstück
kann uns die Epoche seiner Entstehung richtig illu*
strieren — besser als jede Beschreibung und besser als
jede künstlerische Darstellung. Leider istja durch die
Vergänglichkeit des Materials die Seltenheit der kleid*
liehen Denkmälerbedingt; abgesehen vonliturgischen
Gewändern, die in den Paramentenkammern eine sorg*
fähige Aufbewahrung erfuhren, ist nicht viel von dem
ganzen Kleiderschatz der Menschheit auf uns gekom*
men unddann auchnuraus den letztenjahrhunderten.
Und was etwa noch vorhanden sein sollte und noch
nicht in Museen eine sachgemäße Pflege erfährt,
dürfte auch einem sicheren Untergang entgegengehen.
Aus dieser Lückenhaftigkeit des Materials er*
gibt sich ganz von selbst die Unmöglichkeit eines
Museums für historische Kostümkunde. Die be*
stehenden Kostümsammlungen sind auch zu ganz
anderem Zweck und Ziel zusammengestellt, als dem
einer Entwicklung der Tracht zu unserer jetzigen
Kleidermode. So bewahren z. B. die großen Landes*
museen das historische Kleidergut auf, das ihnen
aus dem landesherrlichen Familienbesitz überwiesen
worden ist, oder aus Privatbesitz wird dieses oder
jenes Stück geschenkt, schon um es vor Verfall zu
retten; zumeist sind es Anzüge berühmter Männer
oder Frauen. Aber dies geschieht alles mehr aus
Zufall als aus Methode; systematisches Sammeln
von historischen Kostümen betreiben nur diejenigen
Museen, welche eine Abteilung für Textilien oder
kunstgewerbliche Handfertigkeit pflegen, und da
steht die Rücksicht auf die Mode der Zeit erst an
zweiter Stelle. Diesen Gedanken, eine historische
Entwicklung der Tracht an Originalstücken vorzu*
führen, versuchte nun der 1916 von Peter Jessen
und Architekt Ernst Friedmann, Inhaber der Firma
Friedmann &. Weber, ins Leben gerufene „Verein
Moden*Museum“ zu verwirklichen, wobei die Ab*
sicht mitsprach, zur Befruchtung der deutschen
Modenindustrieen nicht nur die Entwicklung der
Formen, sondern auch die eigentliche Kleiderkunst
und das Material, also alle mitwirkenden Faktoren
zu ihrem Recht kommen zu lassen. Um nun einer*
seits hierfür das Interesse zu wecken und den Ge*
danken zu propagieren, andererseits aber einmal
vorzufühlen, was an altem Kleidergut aus der Ver*
borgenheit hervorzulocken ist, wurde im Winter
1916/17 in den Rokokoräumen des altberliner Patrizier*
hauses der Familie Ermler in der Breiten Straße
eine Ausstellung veranstaltet, die unter dem Namen
„Kleiderkunst aus zwei Jahrhunderten 1700—1900“

eine große Anzahl von Herren* und Damenkostümen,
Einzelstücke, Schmuck und Putz und sonstige aparte
Zutaten vor führte, zum überwiegenden Teil aus
Privatbesitz; nur, um Lücken auszufüllen, wurden
einige Museumsstücke eingefügt. Die Ausstellung
brachte selbst für den Kenner viele Überraschungen:
bekamen doch selbst Kostümforscher hier zum ersten
Male nicht nur eine große Menge von Originalstücken
vor Augen, welche sie bisher nur aus Abbildungen
kannten, sondern auch Typen, die noch nicht einmal
aus Abbildungen bekannt waren. Und hätte nicht
die schwere Not der Kriegszeit auf allen damaligen
Unternehmen gelastet, so würde sie noch bessere Re*
sultate gebracht und eine ähnliche vorbereitende
Bedeutung gewonnen haben, wie seinerZeit die nun
schon fast der Geschichte angehörende heraldische
Ausstellung in Berlin für die Belebung des Interesses
für Waffen* und Wappenkunde gehabt hat. Wenn
es auch zu dieser Wirkung nicht kam und nur eine
kleine Gruppe von Sach* und Fachkennern wirklich
Kenntnis nahm von dem inneren Wesen der ganzen
Bewegung, so war doch wenigstens dem Museums*
gedanken der Boden geebnet. Der Verein Moden*
Museum konnte aus der Fülle der Ausstellungsgegen*
stände manches schöne Stück erwerben und so den
Grundstock für seine Sammlung schaffen. Nachdem
dann der Verein Moden*Museum in den Verband der
deutschen Modenindustrie aufgegangen ist, hat dieser
auch die Kostümsammlung übernommen und einen
Geldbetrag zur Weiterentwicklung ausgeworfen.
Interessant war die Feststellung, daß es in erster
Linie Künstler und Kunstgewerbler sind, die aus
Freude an schönen Dingen historische Kostüme
sammeln. So Professor Löwith in München, der eine
lückenlose Sammlung von Stücken des ganz frühen
18. Jahrhunderts bis zu den seltensten Directoire*
kostümen besitzt. Der J- Professor Josef Langer in Bres*
lau hatte eine Reihe von wertvollen Stücken des 18. und
19. Jahrhunderts gesammelt. Waren diese leider unver*
käuflich, so konnte aus der reichhaltigen Sammlung des
Malers Fritz Rumpf, Potsdam eine Gruppe von ganz
hervorragenden Kostümen erworben werden. So z. B.
ein aristokratisches Damenkostüm von gelbem Seiden*
damast mit schwerem, fast noch barockem pracht*
vollem Blumenmuster in grün, rot, weiß und blau. Es
zeigt den alten schwerfälligen Stil von 1730—1740,
Jupe, Manteau und Leibchen in einem Stück zusam*
menhängend mit schwerer Watteaufalte und ist eines
der ältesten und zugleich schönsten Stücke derSamm*
lung und wird demnächst in einer Tafelbeilage den Le*
sern vorgeführt werden können. An Alter übertroffen
wird es nur von einem flachen runden Männerbarett
 
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