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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 5
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Mützel, Hans: Eine Offiziersuniform des 30jährigen Krieges im Berliner Zeughaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0195

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HEFT 5

HANS MÜTZEL: EINE OFFIZIERSUNIFORM DES 30JÄHRIGEN KRIEGES

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6 cm breite Silberspitze begleitet den Ärmelrand
sowie den Schlitz und erscheint schon fast wie ein
Vorläufer der späteren preußischen Infanterie*Auf*
Schläge. Die Ärmel sind in ihrem oberen Teil mit
grobem Leinen gefüttert, in der Breite des Schlitzes
dagegen mit roter Taffetseide. Eine weitere Dekora*
tion bilden Litzen von weißer Seide und Silberfäden,
welche die Ärmelnähte begleiten. Dieselbe Litze findet
sich als Einfassung des Halsloches an der Überweste.
Diese ist von 4 mm starkem Elenleder, mit grobem
Leinen gefüttert. Die Länge ist wie bei der Unter5
weste vorn 29 cm und hinten 35 cm, aber durch
einen 5 cm breiten, aus vier unverbundenen Teilen
bestehenden schoßartigen Ansatzstreifen auf 34
bezw. 40 cm verlängert. Diese schmalen Schoß*
klappen haben ein selbständiges Futter aus dem*
selben groben Leinen wie die Jacke selbst. Die
Taillenweite ist 75 cm. — Der Verschluß ist vorn
und geschieht durch 12 Paar innen angebrachter
Haken und Ösen mittleren Kalibers, die sich alter*
nierend gegenüberstehen. Äußerlich ist ein Schnür*
Verschluß vorgetäuscht, indem auf jedem Brustteil
mittels eines schwarzseidenen, durch Schnürlöcher
gezogenen Senkels dreieckige Figuren gebildet
werden, die beim Zusammenhaken den Eindruck
eines geschnürten Senkels machen. 16 Schnür*
löcher verteilen sich auf 25 cm vom Halsloch ab*
wärts. Denselben Verschluß zeigt das Kollett, nur
ist der Senkel von Silberdraht — auf 40 cm kommen
18 Schnürlöcher und 9 Paar Haken und Ösen; aus
den untersten Löchern hängt jederseits das Senkel*
ende, um vielleicht noch durch eine gebundene
Schleife die Täuschung vollkommen zu machen.
Das Kollett ist das Hauptstück des ganzen Ko*
stüms. Es besteht aus vier keilförmig geschnittenen
Teilen, mit stark glockenförmigem Schnitt. Die
vorderen Teile haben unten je 74 cm Breite, in der
Taille26; die beiden Rückenteile unten je59—60 cm,
in der Taille je 17, so daß eine Taillenweite von
86 cm entsteht, während die untere Weite bei
breitem Übereinandergreifen der vom Taillenschlüß
frei herabfallenden Schöße 207 cm beträgt. Die vor*
deren Schöße greifen in die Taillen 4 cm nach hinten
über die Rückenteile und der rechte Rückenschoß 4 cm
über den linken. Die ganze Länge beträgt vorn 100,
hinten 105 cm. Der Taillenschluß sitzt im Rücken bei
43 cm von oben her gemessen. Die Seitennähte und
das Halsloch sind mit zwei silberumsponnenen neben*
einander laufenden Fäden benäht. Die Rückennaht
zeigt keinen Silberfaden. Im Taillenschluß befinden
sich an den drei Stellen, wo die Teile Zusammenstößen,
Lederschlaufen zum Durchlegen des Schwertgurtes,

den dann die Feldbinde verdeckte. Das Kollet ist
ungefüttert, dagegen sind an die Innenränder der
Schoßteile Stoffleisten gelegt, welche genügen, um
das 5 mm starke Leder am Aufrollen zu hindern.
Sehr elegant und selten ist der Hut von dem*
selben starken Leder. Er ist aus einem Stück gear*
beitet und hat eine stark überhöhte abgeflachte Kegel*
form mit gerade abstehender Krempe. Der ganze
Durchmesser beträgt 50 cm, wovon 18 auf die Kopf*
Öffnung und je 16 auf die Krempe entfallen. Die
Höhe beträgt 19 cm und der Durchmesser des Deckels

13 cm. Für eine ehemals um den Hut gelegte doppelte
Schnur zeugt eine schmale Rille unten am Kopfteil.
Der Träger der Kleider war kein gewöhnlicher
Soldat, sondern ein Kriegsmann in gehobener Stellung;
darauf deutet die Ausstattung mit Silberschnur und
*Spitzen. Dementsprechend muß man sich auch die
übrigen Zutaten denken: Spitzenmanschetten, einen
breiten Spitzenkragen oder einen Ringkragen mit
darüber fallendem Leinwandkragen; wenn nicht gar
ein Brustharnisch den oberen Teil des Kolletts ver*
deckte. Es gibt eine ganze Reihe von Kriegerporträts
— darunter auch eines des jugendlichen Kronprinzen


Abb. 2
Ärmel* und Überweste von Leder 1630—1640

(Zeughaus, Berlin)

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