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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 9.1921/​1922

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Heft 6/7
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Dihle, Helene: Herkunft und Entstehung des Flügelkleides
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https://doi.org/10.11588/diglit.44571#0249

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HEFT 6/7

HELENE DIHLE: HERKUNFT UND ENTSTEHUNG DES FLÜGELKLEIDES

215

Und so lassen sich in der folgenden Zeit die Beispiele
ständig vermehren.
Diese Streifen wurden nach und nach schmaler,
infolgedessen umgibt ihr oberer Ansatz bald nicht
mehr die ganze Rundung des Armloches, sondern
sie treten — in ihrer rudimentären Form am Ende
des 16. Jahrhunderts kaum noch ihren Ursprung als
Ärmel verratend — an der hinteren Schulterseite unter
dem Achselwulst als Streifen hervor. Wie alle Teile
des Anzugs nehmen auch sie an der spanischen Ver*
steifung teil; faltenlos und glatt, Ober* und Unterseite


Abb. 3. Kinderkleid. 17. Jahrhundert. 2. Hälfte.
Stockholm. Nordisches Museum

kleidung zur Schmuckkleidung umgewandelt hat,
in seiner neuen Form wieder zu einer — ganz andern
Bedürfnissen dienenden — Zweckkleidung wird: man
benutzte diese hinten herabhängenden Streifen bei
kleinen Kindern als Gängelbänder. Nach meiner
Beobachtung tritt diese Art der Benutzung etwa am
Ende des 16. Jahrhunderts zuerst auf und dürfte im
17. Jahrhundert allgemein üblich gewesen sein.


Abb. 4. Diego Velasquez, Unbekannt.
Madrid, Prado

gleichmäßig aus schwerem, unbiegsamem, mit dem
des Kleides übereinstimmendem Stoffe verfertigt.
Während fast alle andern Arten der Schmuck*
ärmel, wenn sie auch von vornherein nicht zum
Gebrauch, sondern nur zur Zierde bestimmt waren,
als einzige Ärmel dem Gewandstück eigen waren,
erscheinen diese Streifen als schmückendeZutat neben
den Gebrauchsärmeln an demselben Kleidungsstück.
Wenn wir nach solchen Streifen oder Flügeln
suchen, so bieten uns die Porträts spanischer Fürst*
lichkeiten des Coello und später des Velasquez die
reichste Ausbeute.
Und nun tritt der in der Kostümgeschichte seltene,
man kann wohl dreist sagen einzige Fall ein, daß
ein Kleidungsstück, das sich von einer Zweck’

Besonders hübsch und charakteristisch fallen uns
solche aus dem bunten, schweren Stoff des Kleides
verfertigten Flügel oder Leitbänder auf an den beiden
bekannten, im Kaiser*Friedrich*Museum zu Berlin
befindlichen Bildern „Die Töchter des Malers“ von
Cornelis de Vos und „Die Amme mit dem Kinde“
von Franz Hals.
Ein noch erhaltenes, im Nordischen Museum zu
Stockholm befindliches Flügelkleid aus der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts zeigt uns Abb. 3. Man
sieht darauf, wie die herabhängenden Streifen sehr
reich und geschmackvoll in Übereinstimmung mit
dem übrigen Ausputz des Kleides bestickt sind.
Daß uns die in solchen Flügelkleidern dargestellten
Kinder teilweise bereits zu alt für die Anwendung
 
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