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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Werner, Richard Maria: Frau Aja
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0220

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210 Frau Aja.

hereinbrachen, als ſie oft in Frankfurt ihres Lebens nicht ſicher
war, floh ſie höchſtens bis Offenbach und kehrte ſobald als
möglich in ihre Vaterſtadt zurück. 1795 hatte ſie das Goetheſche
Haus verkauft und wohnte nun an der Hauptwache, wo ſie mit
großem Ergötzen die militäriſchen, oft recht kriegeriſchen Aufzüge
bewunderte; auch da verließ ſie ihr guter Humor nicht, ſie be—
trachtete auch das nur als ein Schauſpiel, welches zu ihrer Be—
luſtigung aufgeführt wurde, ſie ſuchte eben überall den Sachen
die beſte Seite abzugewinnen.

Vier Steckenpferde ließ ſie galoppieren, wie ſie ſagte, zuerſt
das „Brabanter Spitzenklöppeln“, ſie möchte wetten, die erſte
Urgroͤßmutter zu ſein, die Spitzen an ihres Urenkels Kindszeug
geklöppelt hat, und . . . nicht etwann lirum larum, ſondern ein
fehr ſchönes Brabanter Muſter; zweitens das Klavier, beſonders
Mozart hat ihre Sympathie, ſie ſingt und ſpielt, ihr Leiblied iſt
der übermütige Sang Mephiſtos: „Es war einmal ein König, der
hatt' einen großen Floh“, ſie wird nicht müde, es zu wiederholen,
und der Chorus muß den Schluß mitſingen; drittens das Leſen
und endlich das Schachſpiel. War ſie ſo in Geſellſchaft oder
hatte ſie ihre Samſtagsmädeln um ſich, da fühlte ſie ſich in ihrem
Elemente.

Nur dreimal hatte ſie die Freude, ihren Doktor in Frank—
furt zu beherbergen, das eine Nal kamrer in Begleitung ſeiner
Frau und ſeines Sohnes, und da ſie ſelbſt einem Stammbuchverſe
zufolge „dieſes zu behertzigen“ bat: „Wähl dir ein Mädgen, keinen
Engel“, ſo fand ſie Gefallen an ihres Sohnes „Bettſchatz“ und
ſetzte ſich, da ſie ihren Wolf an der Seite des Weibes, das er zu
ſich erhoben hatte, glücklich ſah, über alles hinweg, was anderen
ein Dorn im Auge war.

Frau Aja war ihr ganzes Leben lang geſund; ſie war „von
Perſon ziemlich groß und ziemlich korpulent, — hatte braune
Augen und Haar — und hätte ſich getraut, die Mutter von Prinz
Hamlet nicht übel vorzuſtellen. „Viele Perſonen, wozu auch die
Fürſtin von Deſſau gehört, behaupten, es wäre gar nicht zu ver—
kennen, daß Goethe mein Sohn wäre. Ich kann das eben nicht
finden, — doch muß etwas daran ſeyn, weil es ſchon ſo oft iſt
behauptet worden.“ In der That zeigt Goethes Geſicht ein merk⸗
würdiges Gemiſch von Vater und Mutter.

Bis zum Tode hat Frau Rat ihre gute Laune nicht ver—
laſſen. Die Beſchwerden des Alters trug ſie mit Tapferkeit.
Auf die Frage nach ihrem Befinden, erwiderte ſie einer Freudin:
„Gottlob, nun bin ich wieder mit mir zufrieden und kann mich
 
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