Deilag: Heidelberger Beobachter Herausgeber: Otto Metzel.
Schristleitung: llucherftratze SS, Telephon 4048
Dei Heidelberger Beobachter erscheint ö mal wöchentlich nutz
kostet monatlich L^O RM. Bei Postbezug zuzüglich SS Ps».
Bestellungen nehmen die PostLmter und BriesträFer entgegen.
Ist die Zeitung am -erscheinen (auch durch höhere WewaU
oerhiirdeot, besteht lein Anspruch aus Entschädigung.
ÄmOlsll Ser
für MmM
Zur Zreiheit uni» Brot!
ÄsilMWsMs
MS MlllMS
Anzeigen-. Die 8 gespaltene MMmekerzelle w Pfg. DÄ
4 gespcilterre Ä.i-l!limeLerzejke im Textteil 2ö Pfg. Für klein«
Anzeigen: Die L gespaltene Mittimeterzeile 5 Kfg. Bei Wieder
bolung Naüatt nach aufliegendem Taris. Schluß der Anzeige»
Annahme: 13 Uhr. Anzeigen - Annahme: Lutherstrcche 5^.
Tel. 4048; Marktplatz 3, Tel. 86. Zählüngs- und ErfüUungs»
ort: Heidelberg. Ausschließlicher Gerichtsstand: Heidelberg.
Postscheckkonto: Heidelberger Beobachter, Karlsruhe H1L2L.
Nr. 137 /1. Jahrgang
Samstag, den 10. Oktober 1931
Freiverkauf 15 Pfg.
Regierungsumbildung vollzogen.
Ohne Treviranus geht es nicht!
Nachdem der Reichskanzler Brüning drei
Tage mit allen möglichen in Aussicht genomme-
nen Ministevkandidaken verhandelt hat, nachdem
ihm diese Bemühungen eigentlich nur zu Ab-
lehnungen verholfen haben, hat er, nunmehr ein
Kabinett zusammengestellt, eine epochale Neu-
heit, wie man sie kaum erwartet hätte. Berge
kreisten — und geboren wurde ein Mäuslein.
Der einzig wirklich neue Mann des Kabi-
netts Brüning II ist Professor Warmboldt, der
Beauftragte des größten deutschen Konzerns, der
I. G. Farben. Geheimrat Schmitz hat seine
Stellung bei dem gleichen Konzern nunmehr doch
dem unsicheren Posten eines Reichsministers vor-
gezogen. Me Umbildung des Kabinetts bringt
folgende Aenderungen:
Das Inneministerium, bisher von Herrn
Wirch beseht, übernimmt der Reichswehr-
minister Groener in Personalunion, das
Wirtschafksministerium, das bisher verwaist war,
übernimmt Prof. Warmboldt, das Justizministe-
rium, das bisher schon von seinem Staatssekre-
tär Joel geführt wurde, übernimmt Herr Joel
als Minister. Die Besetzung des Reichsver-
kehrsministeriums, dem bisher Herr v. Guerard
Vorstand, mit Herrn Treviranus entlocktuns ein
vergnügtes Schmunzeln. Ohne Herrn Trevira-
nus geht es scheinbar nicht. Die Vielseitigkeit
-es ehemaligen Korvettenkapitäns ist geradezu
erstaunlich. Zuerst Minister für die besetzten
Gebiete, dann Minister ohne Aufgabenbereich
und zugleich verhinderter Außeminister, später
Osthilfekommissar, schließlich Innenminister-Kan-
didat ist er nunmehr endgültig (vorläufig wenig-
stens) beim Verkehrsministeriom angelangt und
wird dem Vernehmen nach gleichzeitig das Kom-
missariat für Ska-trand-Sie-lungswefen über-
nehmen. Wir stehen neidlos beglückt vor solcher
Vielseitigkeit, die geradezu an die großen Ilni-
versalisten der Renaissance erinnert.
Ob Herr Brüning, der das Außenministerium
mit übernimmt, mit diesem Kabinett erhebliche
Freude haben wird, ob vor allem das deutsche
Volk vor Freude ob dieser überraschenden Lö-
sung jauchzen wird, erlauben wir uns füglich zu
bezweifeln.
Dieses Kabinett unterscheidet sich vom Stand-
punkt der nationalsozialistischen Bewegung in
nichts von seinem Vorgänger. Wir schätzten
Herrn Wirth nicht sonderlich und vermögen auch
Herrn Groener, dessen Ausspruch über den Fah-
nenew des deutschen Soldaten wir noch gut in
Erinnerung haben nur durchaus negative Sym-
pathien entgegenzubringen. Herr Joel ist ein un-
beschriebenes und von unserem Standpunkt aus
relativ unwesentliches Blakt. Es steht nur fest,
daß er nicht zur nationalen Opposition gehört.
Daß wir über die Besetzung des Außenministe-
riums mit Herrn Brüning geradezu beglückt
MMas
wieder Bundespräsident
Wien, 9. Oktober. Die Bundesversamm-
lung wählte heute Mittag den bisherigen
Bundespräsidenten Miklas mit 109 Stim-
men erneut zum Bundespräsidenten. Auf
Karl Ronner, Sozialdemokrat, entfielen 93
Stimmen.
München, 9. Oktober. Ministerpräsi-
dent Dr. Held, der Parteivorsihende der
Bayerischen Bolksparkei, Schäffer und der
Vorsitzende der Landtagsfraktion der Baye-
sschen Bolksparkei, Dr. Wohlmuth, haben
sich zu einer Besprechung mit dem Vor-
sitzenden der Reichstagsfraktion der Bayer.
Lolkspartei, Leicht, und Reichsminisker
Schätzet nach Berlin begeben.
sind, dürfte unseren Lesern begreiflich sein. Herr
Cortius, der für die Zollunionspolikik und andere
außenpolitische Mißerfolge nicht mehr Verant-
wortung trug als Brüning selbst, mußte gehen.
Herr Brüning aber, der diese so viel gerühmte
aktive Außenpolitik eingeleitel hatte, will sie
nun anstelle des Herrn Curtius weiterführen.
Diese Regelung entbehrt der moralischen sowie
auch der politischen Logik, wie überhaupt die ge-
samte Kabinettsbildung als ein Verlegenheits-
produkt schlimmster Art angesehen werden muß.
Daß als Wirlschaftsminisler Professor Warm-
boldt verpflichtet wurde, entbehrt nicht eines ge-
wissen Reizes, denn man darf annehmen, daß die
Sozialdemokratie, mit der der Kanzler währen-
der Kabinettsumbildung wie üblich verhandelte,
ihre Zustimmung zu der Besetzung dieses wichti-
gen Ministeriums mit einem ausgesprochenen
Großkapitalisten gegeben hat.
Die Aussichten -es Herrn Brüning, vor Sem
Reichstag eine Mehrheit zu bekommen, erschei-
nen uns außerordentlich gering. Vorausgesetzt
die Volkspartei fällt nicht wie üblich um, dürfte
Herr Brüning in -er Minderheit bleiben — trotz
sozialdemokratischer Unterstützung durch dick und
dünn! — Die Situation scheint'sich nunmehr so
zu entwickeln, daß Herr Brüning versuchen wird,
vom Reichspräsidenten die Auflöfungsvollmachk
zu erhalten. Line Auflösung des Reichstags
und Neuwahlen sicherten ihm weitere drei Mo-
nate Regierungszeit gegen den Willen des deut-
schen Volkes. Wir nehmen nicht an, denn da-
gegen steht der Eid des Reichspräsidenten, daß
Herr Brüning, worauf die Personalunion zwi-
schen Reichswehr und Innenministerium hindeu-
let, die geheime Absicht hegt, die Verfassung über
den Artikel 48 hinaus außer Kraft zu setzen.
Herr Brüning kennt die deutsche Reichsverfassung
und weih, daß die Verwirklichung eine» zolchen
Planes, den manche Leute hinter den Kulissen
gerne sehen würden, ein Staatsstreich
wäre.
Skandalöse Zustände
beim Stuttgarter Rundfunk.
Gewisse Darbietungen des südwestdeuk-
schen Rundfunks haben sich nachgerade zu
einem Skandal ausgewachsen.
Der Nachrichtendienst dieses dem Namen
nach deutschen Instituts bietet überhaupt
nichts mehr, als Reden über Abrüstung und
Völkerverständigung.
Deutsche Nachrichten dürfen — anschei-
nend um eine Gefährdung der „Ruhe und
Ordnung", sowie der öffentlichen Sicherheit
zu vermeiden — überhaupt nicht mehr ge-
bracht werden.
Gestern wurde statt dessen in der Zeit
von 10 Uhr bis 11 Uhr folgendes geboten:
10—10.45 Uhr: Schallplattenkonzert,
ungenießbarer ausländischer „moderner"
Komponisten vom jüdischen Warenhaus
Tietz. — Sodann von 10.49 bis 11.06 Uhr
volle 17 Minuten nichts als anreißerische
Reklame für das gleiche jüdische Waren-
haus Tietz. Ein Preisausschreiben zur An-
lockung der Dummen, die nie alle werden,
wurde verkündet.
Es ist geradezu unerhört, was sich 65
Millionen Deutsche im Rundfunk von einer
jüdischen Minderheit bieten lassen müssen.
36 mal erklang es während dieser 17 Minu-
ten im Rundfunk. „Firma Hermann Tietz-
Stuttgart".
Sodann von 11.10—11.15 Uhr „Nach-
richtendienst"! Einfuhrzoll in Argentinien
— franz.-engl.-amerikanischer Hochfinanz-
schacher. — Englische Arbeiterpartei über
Hoover. — Kohlengrubenunglück in Ober-
schlesien (als einzige deutsche Nachricht). —
Lord Reading nach London zurückgekehrt!
— Ueber die deutsche Regierungsumbildung
nichts bekannt!
Der südwestdeutsche Rundfunk scheint zu
glauben, Deutschland liege auf dem Mond,
Palästina dagegen ganz nah bei Stuttgart.
Wir werden uns die Verantwortlichen
für diese Art von Rundfunk merken, damit
künftig dafür gesorgt werden kann, daß es
einen deutschen Rundfunk gibt. —
cisr orgsnisierte IVMs cßsr kßstivn
über äieses Tkema spricht
sm 8sm8taß, 10. Oktober, sdenÜ8 8 Vs Olkr in einer
k4s33sn-Vsrrsmm>ung
im 8^oken 833le äer 81^ 0 ?tt 1. L
Prof. vr. LuckenwirtN, Wien
LIntttttspreis«: —.50, Lrverbslose u. Kriegsdesckääigte —.30; Vorverksut: Völkische Nuckbanälung
klürktplstr 3, Nilport ^.rksclen, ^rnät Nrückenrtr., k-ömer Hoiirbscb, Karlsruher 8trsLs, Konciitsrei-
Katkee 2apt, Hauptstraße 69.
AülionskorislittUßeke veu^cbe ^rdeiterparte!
Ortsgruppe tteickelderg.
Zur HMmger lagung.
Je mehr die babylonische Verwirrung im Re-
gierungslager Brünings zun'immt, umso Klarer
zeichnen sich am politischen Horizont die Grund-
linien einer Entwicklung ab, die -le NSDAP
zielbewußt Und unbeirrbar verfolgt. Das zweite
Kabinett Brüning ist nichts anderes als das
erste offene Geständnis der inneren Schwäche
dieses Systems, deren Verschleierung Herr
Brüning als Exponent dieses Systems gezwun-
gen war, sich zu enthüllen, wir- auch in der
breitesten Oeffenklichkeit die Erkenntnis klar,
daß das System in seinen Grundfesten wankt.
Wer zweifelt daran, daß es — in -em Maße,
in dem er sich weiter seinen Nimbus zu ent-
kleiden genötigt ist — zusammenbrechen wird
wie ein Kartenhaus?
Brünings letztes Vorgehen ist der Verzwelf-
tungsschrikt eines praktisch längst Gescheiterten;
es läßt jede innere Linie vermissen und ist voll
von Widersprüchen. Der Mann, der mehr als
einmal erklärt hat, ohne die Deckung durch den
Reichstag nicht regieren zu wollen, erzwingt vor
seinem Rücktritt noch eine Notverordnung, die
die Grundrechte der Verfassung außer Kraft
seht und unbegrenzte Vollmachten in die Hand
einer Regierung legt, die noch gar nicht vorhan-
den ist. Da ihm jede Vertrauensbasis nicht nur
im Volke, sondern auch in der derzeitigen
„Volksvertretung" fehlt, kann er seine „neue"
Regierung im wahrsten Sinne des Wortes nur
noch zusammenschuskern. Zwar ist es Brüning
gelungen, noch einmal die Unterstützung des
Reichspräsidenten zu finden, der ihm die Neu-
bildung der Regierung ohne parteimäßige Bin-
dungen bewilligte. Welchen Lauf die Entwick-
lung -er „Krise" in den allernächsten Tagen
auch nehmen mag, ob sie eine kurzfristige Ver-
kleisterung oder ihre einzigmögliche Lösung
bringt — die parlamentarischen Hilfskruppen
auf Brünings rechtem Flügel haben, selbst bis
in die Zent'rumskreife hinein, den Glauben
an ihn verloren. Das ist das Entscheidendste!
Daß die Motive, die zur Ernüchterung der
das System bisher noch stützenden rechten Flü-
gelgruppen geführt haben, nicht einer heißen Zu-
neigung zu uns entspringen, darüber geben wir
Nationalsozialisten uns keiner Täuschung hin.
Es find steinharke Tatsachen, denen sie gegen-
überstehen und an denen sich neu zu orientieren
sie nunmehr gezwungen sind. Das unaufhaltsame
Wachsen der nationalsozialistischen Bewegung
hat die NSDAP heute in den Brennpunkt ihres
politischen Interesses gerückt, und die nicht mehr
wegz'uleugNLnden großen Erfolge -er Partei
hat ihr Ahnen —' oder auch Fürchten —, daß
nur noch bei uns die Zukunft ist, zur Wirk-
lichkeit werden lassen. Nicht Fieberkurve, son-
dern Zeitenwende, das ist die Aeberzeugung, die
sich heute in Bezug auf die nationalsozialistische
Bewegung im ganzen deutschen Volk -urchgesetzt
hat. Und diese Wendung wir- mit innerer
Notwendigkeit das Schicksal -es Systems besie-
geln, mag es nun morgen oder erst übermorgen
das Zeitliche segnen.
Man würde Brüning falsch einschähen, wenn
man annehmen wollte, -aß er nicht alles ver-
suchen und alle Minen springen lassen wird, um
das drohende Mißtrauensvotum -es Reichstages
gegen fein neues Kabinett auch jetzt noch einmal
abzuwen-en. Einem Staatsstreich von oben al-
lerdings, wie er in verschiedenen, Brüning
blind ergebenen Blättern auge-eutet wird,
würde der Eid des Reichspräsidenten auf die
Verfassung enkgegenstehen. Im übrigen wäre
eine Diktatur, die sich nur auf die Bajonette
und Maschinengewehre der Reichswehr und
Schutzpolizei stützen Kann, ohne von -em Wil-
len und -en lebendigen Kräften des Volkes ge-
tragen zu werden, ein aussichtsloses Beginnen.
Der Hebel, den Herr Brüning bei -en Parteien
seines linken und bisherigen rechten Flügels
ansetzen wird, ist -ie Auflösungsdrohung. Falls
es ihm nicht gelingt, ein Mißtrauensvotum zu
verhindern, würde er ja auch schließlich gezwun-
gen fein, diese Drohung wahr zu machen, wenn
er die ganze Verfassung nicht außer Kraft
setzen will. Die Auslösungsovder aber, -ie ihn
im Falle eines Mißtrauensvotums allein auf
Monate hinaus vor dem endgültigen Rücktritt
retten kann, muß er sich beim Reichspräsidenten
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bolung Naüatt nach aufliegendem Taris. Schluß der Anzeige»
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Tel. 4048; Marktplatz 3, Tel. 86. Zählüngs- und ErfüUungs»
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Nr. 137 /1. Jahrgang
Samstag, den 10. Oktober 1931
Freiverkauf 15 Pfg.
Regierungsumbildung vollzogen.
Ohne Treviranus geht es nicht!
Nachdem der Reichskanzler Brüning drei
Tage mit allen möglichen in Aussicht genomme-
nen Ministevkandidaken verhandelt hat, nachdem
ihm diese Bemühungen eigentlich nur zu Ab-
lehnungen verholfen haben, hat er, nunmehr ein
Kabinett zusammengestellt, eine epochale Neu-
heit, wie man sie kaum erwartet hätte. Berge
kreisten — und geboren wurde ein Mäuslein.
Der einzig wirklich neue Mann des Kabi-
netts Brüning II ist Professor Warmboldt, der
Beauftragte des größten deutschen Konzerns, der
I. G. Farben. Geheimrat Schmitz hat seine
Stellung bei dem gleichen Konzern nunmehr doch
dem unsicheren Posten eines Reichsministers vor-
gezogen. Me Umbildung des Kabinetts bringt
folgende Aenderungen:
Das Inneministerium, bisher von Herrn
Wirch beseht, übernimmt der Reichswehr-
minister Groener in Personalunion, das
Wirtschafksministerium, das bisher verwaist war,
übernimmt Prof. Warmboldt, das Justizministe-
rium, das bisher schon von seinem Staatssekre-
tär Joel geführt wurde, übernimmt Herr Joel
als Minister. Die Besetzung des Reichsver-
kehrsministeriums, dem bisher Herr v. Guerard
Vorstand, mit Herrn Treviranus entlocktuns ein
vergnügtes Schmunzeln. Ohne Herrn Trevira-
nus geht es scheinbar nicht. Die Vielseitigkeit
-es ehemaligen Korvettenkapitäns ist geradezu
erstaunlich. Zuerst Minister für die besetzten
Gebiete, dann Minister ohne Aufgabenbereich
und zugleich verhinderter Außeminister, später
Osthilfekommissar, schließlich Innenminister-Kan-
didat ist er nunmehr endgültig (vorläufig wenig-
stens) beim Verkehrsministeriom angelangt und
wird dem Vernehmen nach gleichzeitig das Kom-
missariat für Ska-trand-Sie-lungswefen über-
nehmen. Wir stehen neidlos beglückt vor solcher
Vielseitigkeit, die geradezu an die großen Ilni-
versalisten der Renaissance erinnert.
Ob Herr Brüning, der das Außenministerium
mit übernimmt, mit diesem Kabinett erhebliche
Freude haben wird, ob vor allem das deutsche
Volk vor Freude ob dieser überraschenden Lö-
sung jauchzen wird, erlauben wir uns füglich zu
bezweifeln.
Dieses Kabinett unterscheidet sich vom Stand-
punkt der nationalsozialistischen Bewegung in
nichts von seinem Vorgänger. Wir schätzten
Herrn Wirth nicht sonderlich und vermögen auch
Herrn Groener, dessen Ausspruch über den Fah-
nenew des deutschen Soldaten wir noch gut in
Erinnerung haben nur durchaus negative Sym-
pathien entgegenzubringen. Herr Joel ist ein un-
beschriebenes und von unserem Standpunkt aus
relativ unwesentliches Blakt. Es steht nur fest,
daß er nicht zur nationalen Opposition gehört.
Daß wir über die Besetzung des Außenministe-
riums mit Herrn Brüning geradezu beglückt
MMas
wieder Bundespräsident
Wien, 9. Oktober. Die Bundesversamm-
lung wählte heute Mittag den bisherigen
Bundespräsidenten Miklas mit 109 Stim-
men erneut zum Bundespräsidenten. Auf
Karl Ronner, Sozialdemokrat, entfielen 93
Stimmen.
München, 9. Oktober. Ministerpräsi-
dent Dr. Held, der Parteivorsihende der
Bayerischen Bolksparkei, Schäffer und der
Vorsitzende der Landtagsfraktion der Baye-
sschen Bolksparkei, Dr. Wohlmuth, haben
sich zu einer Besprechung mit dem Vor-
sitzenden der Reichstagsfraktion der Bayer.
Lolkspartei, Leicht, und Reichsminisker
Schätzet nach Berlin begeben.
sind, dürfte unseren Lesern begreiflich sein. Herr
Cortius, der für die Zollunionspolikik und andere
außenpolitische Mißerfolge nicht mehr Verant-
wortung trug als Brüning selbst, mußte gehen.
Herr Brüning aber, der diese so viel gerühmte
aktive Außenpolitik eingeleitel hatte, will sie
nun anstelle des Herrn Curtius weiterführen.
Diese Regelung entbehrt der moralischen sowie
auch der politischen Logik, wie überhaupt die ge-
samte Kabinettsbildung als ein Verlegenheits-
produkt schlimmster Art angesehen werden muß.
Daß als Wirlschaftsminisler Professor Warm-
boldt verpflichtet wurde, entbehrt nicht eines ge-
wissen Reizes, denn man darf annehmen, daß die
Sozialdemokratie, mit der der Kanzler währen-
der Kabinettsumbildung wie üblich verhandelte,
ihre Zustimmung zu der Besetzung dieses wichti-
gen Ministeriums mit einem ausgesprochenen
Großkapitalisten gegeben hat.
Die Aussichten -es Herrn Brüning, vor Sem
Reichstag eine Mehrheit zu bekommen, erschei-
nen uns außerordentlich gering. Vorausgesetzt
die Volkspartei fällt nicht wie üblich um, dürfte
Herr Brüning in -er Minderheit bleiben — trotz
sozialdemokratischer Unterstützung durch dick und
dünn! — Die Situation scheint'sich nunmehr so
zu entwickeln, daß Herr Brüning versuchen wird,
vom Reichspräsidenten die Auflöfungsvollmachk
zu erhalten. Line Auflösung des Reichstags
und Neuwahlen sicherten ihm weitere drei Mo-
nate Regierungszeit gegen den Willen des deut-
schen Volkes. Wir nehmen nicht an, denn da-
gegen steht der Eid des Reichspräsidenten, daß
Herr Brüning, worauf die Personalunion zwi-
schen Reichswehr und Innenministerium hindeu-
let, die geheime Absicht hegt, die Verfassung über
den Artikel 48 hinaus außer Kraft zu setzen.
Herr Brüning kennt die deutsche Reichsverfassung
und weih, daß die Verwirklichung eine» zolchen
Planes, den manche Leute hinter den Kulissen
gerne sehen würden, ein Staatsstreich
wäre.
Skandalöse Zustände
beim Stuttgarter Rundfunk.
Gewisse Darbietungen des südwestdeuk-
schen Rundfunks haben sich nachgerade zu
einem Skandal ausgewachsen.
Der Nachrichtendienst dieses dem Namen
nach deutschen Instituts bietet überhaupt
nichts mehr, als Reden über Abrüstung und
Völkerverständigung.
Deutsche Nachrichten dürfen — anschei-
nend um eine Gefährdung der „Ruhe und
Ordnung", sowie der öffentlichen Sicherheit
zu vermeiden — überhaupt nicht mehr ge-
bracht werden.
Gestern wurde statt dessen in der Zeit
von 10 Uhr bis 11 Uhr folgendes geboten:
10—10.45 Uhr: Schallplattenkonzert,
ungenießbarer ausländischer „moderner"
Komponisten vom jüdischen Warenhaus
Tietz. — Sodann von 10.49 bis 11.06 Uhr
volle 17 Minuten nichts als anreißerische
Reklame für das gleiche jüdische Waren-
haus Tietz. Ein Preisausschreiben zur An-
lockung der Dummen, die nie alle werden,
wurde verkündet.
Es ist geradezu unerhört, was sich 65
Millionen Deutsche im Rundfunk von einer
jüdischen Minderheit bieten lassen müssen.
36 mal erklang es während dieser 17 Minu-
ten im Rundfunk. „Firma Hermann Tietz-
Stuttgart".
Sodann von 11.10—11.15 Uhr „Nach-
richtendienst"! Einfuhrzoll in Argentinien
— franz.-engl.-amerikanischer Hochfinanz-
schacher. — Englische Arbeiterpartei über
Hoover. — Kohlengrubenunglück in Ober-
schlesien (als einzige deutsche Nachricht). —
Lord Reading nach London zurückgekehrt!
— Ueber die deutsche Regierungsumbildung
nichts bekannt!
Der südwestdeutsche Rundfunk scheint zu
glauben, Deutschland liege auf dem Mond,
Palästina dagegen ganz nah bei Stuttgart.
Wir werden uns die Verantwortlichen
für diese Art von Rundfunk merken, damit
künftig dafür gesorgt werden kann, daß es
einen deutschen Rundfunk gibt. —
cisr orgsnisierte IVMs cßsr kßstivn
über äieses Tkema spricht
sm 8sm8taß, 10. Oktober, sdenÜ8 8 Vs Olkr in einer
k4s33sn-Vsrrsmm>ung
im 8^oken 833le äer 81^ 0 ?tt 1. L
Prof. vr. LuckenwirtN, Wien
LIntttttspreis«: —.50, Lrverbslose u. Kriegsdesckääigte —.30; Vorverksut: Völkische Nuckbanälung
klürktplstr 3, Nilport ^.rksclen, ^rnät Nrückenrtr., k-ömer Hoiirbscb, Karlsruher 8trsLs, Konciitsrei-
Katkee 2apt, Hauptstraße 69.
AülionskorislittUßeke veu^cbe ^rdeiterparte!
Ortsgruppe tteickelderg.
Zur HMmger lagung.
Je mehr die babylonische Verwirrung im Re-
gierungslager Brünings zun'immt, umso Klarer
zeichnen sich am politischen Horizont die Grund-
linien einer Entwicklung ab, die -le NSDAP
zielbewußt Und unbeirrbar verfolgt. Das zweite
Kabinett Brüning ist nichts anderes als das
erste offene Geständnis der inneren Schwäche
dieses Systems, deren Verschleierung Herr
Brüning als Exponent dieses Systems gezwun-
gen war, sich zu enthüllen, wir- auch in der
breitesten Oeffenklichkeit die Erkenntnis klar,
daß das System in seinen Grundfesten wankt.
Wer zweifelt daran, daß es — in -em Maße,
in dem er sich weiter seinen Nimbus zu ent-
kleiden genötigt ist — zusammenbrechen wird
wie ein Kartenhaus?
Brünings letztes Vorgehen ist der Verzwelf-
tungsschrikt eines praktisch längst Gescheiterten;
es läßt jede innere Linie vermissen und ist voll
von Widersprüchen. Der Mann, der mehr als
einmal erklärt hat, ohne die Deckung durch den
Reichstag nicht regieren zu wollen, erzwingt vor
seinem Rücktritt noch eine Notverordnung, die
die Grundrechte der Verfassung außer Kraft
seht und unbegrenzte Vollmachten in die Hand
einer Regierung legt, die noch gar nicht vorhan-
den ist. Da ihm jede Vertrauensbasis nicht nur
im Volke, sondern auch in der derzeitigen
„Volksvertretung" fehlt, kann er seine „neue"
Regierung im wahrsten Sinne des Wortes nur
noch zusammenschuskern. Zwar ist es Brüning
gelungen, noch einmal die Unterstützung des
Reichspräsidenten zu finden, der ihm die Neu-
bildung der Regierung ohne parteimäßige Bin-
dungen bewilligte. Welchen Lauf die Entwick-
lung -er „Krise" in den allernächsten Tagen
auch nehmen mag, ob sie eine kurzfristige Ver-
kleisterung oder ihre einzigmögliche Lösung
bringt — die parlamentarischen Hilfskruppen
auf Brünings rechtem Flügel haben, selbst bis
in die Zent'rumskreife hinein, den Glauben
an ihn verloren. Das ist das Entscheidendste!
Daß die Motive, die zur Ernüchterung der
das System bisher noch stützenden rechten Flü-
gelgruppen geführt haben, nicht einer heißen Zu-
neigung zu uns entspringen, darüber geben wir
Nationalsozialisten uns keiner Täuschung hin.
Es find steinharke Tatsachen, denen sie gegen-
überstehen und an denen sich neu zu orientieren
sie nunmehr gezwungen sind. Das unaufhaltsame
Wachsen der nationalsozialistischen Bewegung
hat die NSDAP heute in den Brennpunkt ihres
politischen Interesses gerückt, und die nicht mehr
wegz'uleugNLnden großen Erfolge -er Partei
hat ihr Ahnen —' oder auch Fürchten —, daß
nur noch bei uns die Zukunft ist, zur Wirk-
lichkeit werden lassen. Nicht Fieberkurve, son-
dern Zeitenwende, das ist die Aeberzeugung, die
sich heute in Bezug auf die nationalsozialistische
Bewegung im ganzen deutschen Volk -urchgesetzt
hat. Und diese Wendung wir- mit innerer
Notwendigkeit das Schicksal -es Systems besie-
geln, mag es nun morgen oder erst übermorgen
das Zeitliche segnen.
Man würde Brüning falsch einschähen, wenn
man annehmen wollte, -aß er nicht alles ver-
suchen und alle Minen springen lassen wird, um
das drohende Mißtrauensvotum -es Reichstages
gegen fein neues Kabinett auch jetzt noch einmal
abzuwen-en. Einem Staatsstreich von oben al-
lerdings, wie er in verschiedenen, Brüning
blind ergebenen Blättern auge-eutet wird,
würde der Eid des Reichspräsidenten auf die
Verfassung enkgegenstehen. Im übrigen wäre
eine Diktatur, die sich nur auf die Bajonette
und Maschinengewehre der Reichswehr und
Schutzpolizei stützen Kann, ohne von -em Wil-
len und -en lebendigen Kräften des Volkes ge-
tragen zu werden, ein aussichtsloses Beginnen.
Der Hebel, den Herr Brüning bei -en Parteien
seines linken und bisherigen rechten Flügels
ansetzen wird, ist -ie Auflösungsdrohung. Falls
es ihm nicht gelingt, ein Mißtrauensvotum zu
verhindern, würde er ja auch schließlich gezwun-
gen fein, diese Drohung wahr zu machen, wenn
er die ganze Verfassung nicht außer Kraft
setzen will. Die Auslösungsovder aber, -ie ihn
im Falle eines Mißtrauensvotums allein auf
Monate hinaus vor dem endgültigen Rücktritt
retten kann, muß er sich beim Reichspräsidenten