Verlag: Heidelberger Beobachter. Herausgeber: Otto Wetzel.
Schriftleitung: Lutherstrabe Sö, Telephon 4048
Der Heidelberger Beobachter erscheint 6 mal wöchentlich und
loftrt monatlich 2.40 RM. Bei Postbezug zuzüglich SS Pf,.
Bestellungen nehmen die Postämter und Briefträger entgegen.
Ast die Zeitung am Erscheinen (auch durch höhere Gewalt
verhindert, besteht kein Anspruch au? Entschädigung.
Rr. 200 /1. Jahrgang
, ZMOiss Ser
MVöeliMlü
8ür Zreiheit und Brot!
HstiMWWen
ms rslllaO
Mittwoch, den 23. Dezember 1931
Anzeigen: Tie s gespaltene -Äiliimeterzeilc lo Psg Tie
4 gespaltene Willimeterzeile im Textteil L5> Psg. Für l-eiue
Anzeigen: Die 8 gespaltene MWimelerzeile S Psg. Bei Wieder-
dolung Rads.'t nach ansliegendem Taris Schlich der Slnzeigen-
Annahme: in Uhr. Anzeigen - Annahme: Lutherstrabe !>b,
Tel. 4048, wtarktplatz 3, Tel. 86. Zahluiigs- und Erfüllungs-
ort: Heidelberg. Au-lchliehlicher Gerichtsstand: Heidelberg.
Posischerlkonto: Heidelberger Veobe.chtki, Karlsruhe ?18S4
Freiverkanf 15 Pfg.
Ls/?/' §s/k§S/?7 /
Warum schweigt Herr Emil Maier?
Zn Her Montagausgabe des „Heidelberger
Beobachter" Haffen wir einige sehr unzwei-
deutige Fragen über die Rokenberger Angelegen-
heit an den Herrn Innenminister Emil Maier
gerichtet. Herr Maier schweigt! Das badisch«
Gtaaksministerium schweigt! Die Pressestelle des
badischen Staaksministermms gibt keine Ver-
lautbarungen mehr heraus — weder wahre,
noch unwahre! Gutgesinnte Staatsbürger wer-
den nun meinen, der Herr Innenminister lege
sich selbst Schweigepflicht auf, damit der
„ We i h na ch k s f r i ed s n " nicht etwa verletzt
werde! Die ganz großen Optimisten aber wer-
den denken, der Herr Maier wolle-die „hoch-
verräterischen" Nationalsozialisten scho-
nen. Ganz so schlimm ist es nun um die Repu-
blik nicht bestellt. Dies zur Beruhigung der
„Eisernen Front" ohne Menschen!
Die vierte amtliche Unwahrheit?
Warum sind die Hochverratsdokumente von Rotenberg
noch immer nicht beim Sberreichsanwatt?
Vom badischen Staaksministsrium wurde,
wie bekannt, „amtlich" mitgeteilt, daß das
verdächtige Material dem Herrn Oberreichsan-
walt übermittelt werden würde. Das war am
18. Dezember. Seit dieser Ankündigung sind
fünf Tag« verstrichen, ohne daß man weiter
etwas über die schwer« Gefahr, die der deuk-
schen Republik drohte, gehört hätte. Man sollte
eigentlich annehmen, daß der Herr badische
Innenminister Emil Maier die gefahrdrohenden
Briefe und Schriftstücke unverzüglich an den
Herrn Oberreichsanwalt weikergeleiket hat. Dies
scheint aber nicht der Fall zu sein. Wie wir
aus zuverlässiger Quelle hörsn, ist bisher in
Leipzig von einer Anzeige der badischen Regie-
rung wegen versuchten Hochverrats noch nichts
bekannt. Sollte der Herr Innenminister Emil
Maier eS vielleicht doch für geratener halten,
von der angekündigten Anzeige abzusehen? Ist
er vielleicht von seinem Sachreferenken im Mi-
nisterium darauf aufmerksam gemacht worden,
daß eine evtl. Hochverratsanzeige mit einer
fürchterlichen Blamage für die Anzeiger enden
müßte? Oder welche Gründe, so fragen wir an,
bewegten den Herrn Maier, bisher keine An-
zeige zn erstatten? Es scheint uns im Interests
der Öffentlichkeit dringend geboten, daß das
Innenministerium sich nun endlich einmal ein-
wandfrei äußert. Der bisherige Zustand, daß
man peinliche Anfragen der Presse mit Still-
schweigen übergeht, daß man die brieflichen An-
fragen des Rechtsberaters unseres Pg. von
Reichenau nicht beantwortet, die Tatsache, daß
man bis zum heutigen Tage die Feststellung, daß
sich drei Unwahrheiten in den amtlichen Berich-
ten befinden, ohne Entgegnung läßt, die Ver-
zögerung der Anzeige beim Oberreichsanwalt —
alle diese schwerwiegenden Momente scheinen
nicht geeignet, die Position der badischen Regie-
rung in Sachen Rotenberg in einem günstigen
Lichte zu zeigen. Der harmlose Staatsbürger —
zu dessen Wortführer wir uns ausdrücklich
machen — muß sich darüber wundern, Latz das
badische Innenministerium, dem der Schutz des
Staates anvertraut ist, so auffällig lang mit der
Verfolgung der angeblichen Hochverräter zögert.
Der harmlose Staatsbürger mutz unwillkürlich
auf den Gedanken kommen, daß in Rotenberg
nicht ein einziges hochverräterrisches Dokument
gefunden wordäi ist, daß aber das Innenministe-
rium nach Wegen sucht, die peinliche Asfaire
ohne allzugrotze Mitzfallensäutzerungen der von
dererlei Regierungsmatznahmen beglückten
Staatsbürger still zu den Akten zu legen, sozu-
sagen „abzudrehen"!
Es ergibt sich seht der ergötzliche Zustand,
daß zwar' das Material, das unserem Pg. von
Reichenau zurück-gegeben wurde, samt den Listen
aller zu den Rokenberger Teenachmitkagen Ein-
geladenen zur Ergänzung der oberreichsanwalt-
lichen Akten beim Obrrreichsanwalt in Leipzig
liegen, daß aber die Anzeige des badischen
Staaksministeriums dort ebenso wenig bekannt
zu sein scheint, wie die „hochverräterischen" Do-
kumente, die das badische Staaksminiflerium ein-
senden wollte — so lautete wenigstens der amt-
liche Bericht. — Wir nehmen an, daß der Herr
Oberreichsanwalt in Leipzig über diese Praxis
der badischen Skaatsreqierung einigermaßen
verwundert sein dürfte, Senn wir gehen wohl
nicht fehl, wenn wir feststellen, daß auch nach
Ansicht der -badischen Skaatsregierung der
Weihnachksfrieden nicht so weil gehen darf, daß,
dringend des Hochverrats verdächtige Personen
seinetwegen nicht verfolgt werden dürfen.
Wir fragen also die badische Staatsregie-
rung in aller Oefsentlichkeit: 1. Ist die Anzeige
beim Oberreichsanwalt erstattet worden? —
2. Wenn ja, wann wurde diese Anzeige er-
stattet? 3. Wenn nein, was hat die badische
Skaatsregierung dazu veranlaßt, die Anzeige
entgegen der bisherigen amtlichen Verlautbarung
nicht zn erstatten?
Für eine baldige und erschöpfend« Antwort
werden nicht nur wir, sondern alle badischen
Staatsbürger von Herzen dankbar fein.
Inzwischen haben wir Gelegenheit genom-
men, einige Teilnehmer an den Rotenberger
Teegeselkschäften um ihre Ansichten und Ein-
drücke zu bitten. Wir bringen schon heute
einige dieser Aeußerungen und werden in unse-
ren nächsten Ausgaben mit der Veröffentlichung
fortfahren.
„Wir Nationalsozialisten sind es ja gewöhnt,
vom heutigen System nicht mit Glacehandschuhen
angefaßt zu werden. Daß dies aber auch den
weitesten Kreisen anderer Volksgenossen, pas-
siert, beweist mir, wie große heule schon di«
Kluft zwischen den Regierenden und den Regier-
ten ist. Die Maßnahmen der Polizei tragen da-
zu bei, eindeutig zu beweisen, daß nicht mehr
der Geist, sondern die Gewalt herrscht. Wie
lange noch?
Röhn, Kaufm. Angestellter,
Laut Volkszeitung Industrie- u. Handelsherr.
„My House my castle", sagt der Engländer,
und die Weimarer Verfassung hat sich diesen
Grundsatz zu eigen gemacht. Man scheint sich
aber durch diese Verfassung beengt zu fühlen,
den der Besuch der politischen Polizei Badens
aus all unseren schönen Städten auf Burg
Rotenberg ohne jede Einladung zum Tee ist für
einen im' alten Den-Kftii trainierten Verstand
mit jener Verfassung nicht zu vereinen. Die leb-
hafte Unterhaltung über Fragen von Heute
und Morgen wurde' häßlich gestört. Dabei weih
doch die Heidelberger Polizei lange von vielen
solchen Tee-Einladmrgen durch ihr nahestehende
Persönlichkeiten, denn man ist in Rotenberg ja
nicht einseitig, sondern will auch hören, was die
Link« tut und di« Rechte nicht weiß. Aber etwas
hat mich doch verblüfft und mir die Zusammen-
hanglosigkeit unserer Zeit mit der nahen Ver-
gangenheit gezeigt. Herr v. Reichenau war
5349««« Arbeitslose!
Berlin, 22. Dez. Die Zunahme der Zahl
der Arbeitslosen belief sich nach dem Be-
richt der Aeichsanstalt in der ersten Hälfte
des Dezember auf rund 290 000, womit sine
Belastung von rund 5 349 000 erreicht
wurde. In der gleichen Zeit des Vorjahres
war dis Zunahme mit rund 278 000 neu ge-
meldeten Arbeitslosen nur um weniges ge-
ringer.
Der Anteil der überwiegend von der
Konjunktur abhängigen Berufe ist in der
ersten Dezemberhälfte rascher (um 4,2 v. H.)
als in der zweiten Novemberhälfte (um 1,6
v. H.) gestiegen. Reben der Beendigung des
Weihnachtsgeschäftes in vielen Industrien
haben besonders die internationalen Wäh-
rungsschrvierigkeiten und die Schutzzollmah-
nahmen wichtiger Abnehmerstaaten ungün-
stig auf den deutschen Arbeitsmarkt einge-
wirkt.
Die Belastung von Arbeitslosenversiche-
rung und Krisenfürsorge hat zusammen um
etwa 158 000 Haupkunterstühungsempfänger
zugenommen. Nach den Meldungen der
Arbeitsämter wurden in der Arbeitslosen-
versicherung am 15. Dezember 1931 rund
1 484 000 Hauptunterstühungsempfänger
(Zunahme rund 118 000) gezählt, während
in der Krisenfürsorge nach einer Zunahme
um rund 40 000 etwa 1446 000 Hauptunter-
stützungsempfänger betreut wurden.
Diplomat und früher kannte man nur Wür-
denträger, die eine allseitige Vorbildung für
ihren Beruf hinter sich hakten. And da glaubt
man mit einem Massenaufgebot aus dem gan-
zen Lande etwas zu finden, die Beamten taten,
was ihnen befohlen war, aber jenen, die sie ge-
sandt zu einem Gesandten, sollte man die un-
nötigen Kosten zu tragen geben, denn der Ge-
danke, man werde so einsach etwas finden . . .
Kinder, da müßt ihr früher -aufstehen, vielleicht
könntet ihr in Rotenberg guten Unterricht dazu
bekommen. Zu finden ist dort nichts von dem,
was ihr sucht, und auf keinen Fall würdet ihr
es dort finden. X.
„Ich bin zwei Mal in Rotenberg gewesen.
Es ist an beiden Tagen in höchst belehrender
und wissenschaftlicher Form über die finanzielle
Lag« Deutschlands und über die Stellung
Deutschlands zu ausländischen Staaten berichtet
und gesprochen worden. Die Behauptung, daß
hierbei irgendwelche hochverräterischen Pläne
erörtert worden seien, ist eine Phantasie, die ich
Mir nur durch nervöse Ueberreizkheit erklären-
kann. Geh.Rat Prof. Enüemann."
,MS ehemaliger Polizeibeamker war ich er-
staunt, daß eine so harmlose Veranstaltung von
der Polizei kontrolliert wurde. Es war mir
von vornherein klar, daß der Grund der Kon-
trolle nicht darin bestand, hochverräterische Do-
kumente zu suchen, sondern die Teilnehmer au
diesen Teenachmitkagen festzustellen. Die Poli-
zeibeamten waren anscheinend selbst von ihrer
Aufgabe wenig entzückt Außerdem muß ich
mich wundern, daß die Leiter der Aktion, Ober-
inspektor Schnebele und Polizeiinspekkor Wal-
ther die Vorschriften der Dienstanweisung nicht
eiNhielken! Ich mußte sie, nachdem sie schon das
Haus verlassen hakten, darauf aufmerksam
machen, daß sie eine Bescheinigung über die be-
schlagnahmten Papiere auszustellen hätten!
Pflaumer, Polizei-Oberleutnant a. D."
„Was ich zu Rotenberg sage? Anfangs war
ich allerdings vor Erstaunen und Freiheiksbe-
wußtsein taut Notverordnung sprachlos. An
Kriminalbeamte habe ich mich ja bereits ge-
wöhnt, auf körperliche Ankersuchung war ich seit
längerer Zeit gefaßt. Daß aber von der Re-
gierung die namentliche Veröffentlichung amt-
lich erfolgte, sodaß die Ullsteinpresse bereits von
einem Hochverraksverfahren gegen uns als Teil-
nehmer berichten konnte, das würde mir, falls
es wahr wäre, nur zur Ehre gereichen.
Otto Minter, jun.
SenlUM m Ade
Wer Mt.
Das Institut für Konjunkturforschung" ver-
öffentlicht soeben seinen neuesten Vierteljahres-
bericht. Es beschäftigt sich darin mit der Wirk-
chaftslage in Deutschland und in der Melk, wie
ie sich um die Dezembermitte darstellt, und führt
hierüber aus:
„In Deutschland hak sich die Lage erneut zu-
gespitzt. Erzeugung und Absatz sind anhaltend
abwärts gerichtet. Die Arbeitslosigkeit steigt —
auch konjunkturell —- beschleunigt an. Die' Zer-
rüttung der Kreditmärkte hat eher noch zuge-
nammen. Auftragseingang und Rohstofföifpofi-
tionen, Symptome von Ergeugungsplanungen
und -Vorbereitungen, verharren im Rückgang.
In besonderer Weise wird die Lage Deutsch-
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Ast die Zeitung am Erscheinen (auch durch höhere Gewalt
verhindert, besteht kein Anspruch au? Entschädigung.
Rr. 200 /1. Jahrgang
, ZMOiss Ser
MVöeliMlü
8ür Zreiheit und Brot!
HstiMWWen
ms rslllaO
Mittwoch, den 23. Dezember 1931
Anzeigen: Tie s gespaltene -Äiliimeterzeilc lo Psg Tie
4 gespaltene Willimeterzeile im Textteil L5> Psg. Für l-eiue
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Ls/?/' §s/k§S/?7 /
Warum schweigt Herr Emil Maier?
Zn Her Montagausgabe des „Heidelberger
Beobachter" Haffen wir einige sehr unzwei-
deutige Fragen über die Rokenberger Angelegen-
heit an den Herrn Innenminister Emil Maier
gerichtet. Herr Maier schweigt! Das badisch«
Gtaaksministerium schweigt! Die Pressestelle des
badischen Staaksministermms gibt keine Ver-
lautbarungen mehr heraus — weder wahre,
noch unwahre! Gutgesinnte Staatsbürger wer-
den nun meinen, der Herr Innenminister lege
sich selbst Schweigepflicht auf, damit der
„ We i h na ch k s f r i ed s n " nicht etwa verletzt
werde! Die ganz großen Optimisten aber wer-
den denken, der Herr Maier wolle-die „hoch-
verräterischen" Nationalsozialisten scho-
nen. Ganz so schlimm ist es nun um die Repu-
blik nicht bestellt. Dies zur Beruhigung der
„Eisernen Front" ohne Menschen!
Die vierte amtliche Unwahrheit?
Warum sind die Hochverratsdokumente von Rotenberg
noch immer nicht beim Sberreichsanwatt?
Vom badischen Staaksministsrium wurde,
wie bekannt, „amtlich" mitgeteilt, daß das
verdächtige Material dem Herrn Oberreichsan-
walt übermittelt werden würde. Das war am
18. Dezember. Seit dieser Ankündigung sind
fünf Tag« verstrichen, ohne daß man weiter
etwas über die schwer« Gefahr, die der deuk-
schen Republik drohte, gehört hätte. Man sollte
eigentlich annehmen, daß der Herr badische
Innenminister Emil Maier die gefahrdrohenden
Briefe und Schriftstücke unverzüglich an den
Herrn Oberreichsanwalt weikergeleiket hat. Dies
scheint aber nicht der Fall zu sein. Wie wir
aus zuverlässiger Quelle hörsn, ist bisher in
Leipzig von einer Anzeige der badischen Regie-
rung wegen versuchten Hochverrats noch nichts
bekannt. Sollte der Herr Innenminister Emil
Maier eS vielleicht doch für geratener halten,
von der angekündigten Anzeige abzusehen? Ist
er vielleicht von seinem Sachreferenken im Mi-
nisterium darauf aufmerksam gemacht worden,
daß eine evtl. Hochverratsanzeige mit einer
fürchterlichen Blamage für die Anzeiger enden
müßte? Oder welche Gründe, so fragen wir an,
bewegten den Herrn Maier, bisher keine An-
zeige zn erstatten? Es scheint uns im Interests
der Öffentlichkeit dringend geboten, daß das
Innenministerium sich nun endlich einmal ein-
wandfrei äußert. Der bisherige Zustand, daß
man peinliche Anfragen der Presse mit Still-
schweigen übergeht, daß man die brieflichen An-
fragen des Rechtsberaters unseres Pg. von
Reichenau nicht beantwortet, die Tatsache, daß
man bis zum heutigen Tage die Feststellung, daß
sich drei Unwahrheiten in den amtlichen Berich-
ten befinden, ohne Entgegnung läßt, die Ver-
zögerung der Anzeige beim Oberreichsanwalt —
alle diese schwerwiegenden Momente scheinen
nicht geeignet, die Position der badischen Regie-
rung in Sachen Rotenberg in einem günstigen
Lichte zu zeigen. Der harmlose Staatsbürger —
zu dessen Wortführer wir uns ausdrücklich
machen — muß sich darüber wundern, Latz das
badische Innenministerium, dem der Schutz des
Staates anvertraut ist, so auffällig lang mit der
Verfolgung der angeblichen Hochverräter zögert.
Der harmlose Staatsbürger mutz unwillkürlich
auf den Gedanken kommen, daß in Rotenberg
nicht ein einziges hochverräterrisches Dokument
gefunden wordäi ist, daß aber das Innenministe-
rium nach Wegen sucht, die peinliche Asfaire
ohne allzugrotze Mitzfallensäutzerungen der von
dererlei Regierungsmatznahmen beglückten
Staatsbürger still zu den Akten zu legen, sozu-
sagen „abzudrehen"!
Es ergibt sich seht der ergötzliche Zustand,
daß zwar' das Material, das unserem Pg. von
Reichenau zurück-gegeben wurde, samt den Listen
aller zu den Rokenberger Teenachmitkagen Ein-
geladenen zur Ergänzung der oberreichsanwalt-
lichen Akten beim Obrrreichsanwalt in Leipzig
liegen, daß aber die Anzeige des badischen
Staaksministeriums dort ebenso wenig bekannt
zu sein scheint, wie die „hochverräterischen" Do-
kumente, die das badische Staaksminiflerium ein-
senden wollte — so lautete wenigstens der amt-
liche Bericht. — Wir nehmen an, daß der Herr
Oberreichsanwalt in Leipzig über diese Praxis
der badischen Skaatsreqierung einigermaßen
verwundert sein dürfte, Senn wir gehen wohl
nicht fehl, wenn wir feststellen, daß auch nach
Ansicht der -badischen Skaatsregierung der
Weihnachksfrieden nicht so weil gehen darf, daß,
dringend des Hochverrats verdächtige Personen
seinetwegen nicht verfolgt werden dürfen.
Wir fragen also die badische Staatsregie-
rung in aller Oefsentlichkeit: 1. Ist die Anzeige
beim Oberreichsanwalt erstattet worden? —
2. Wenn ja, wann wurde diese Anzeige er-
stattet? 3. Wenn nein, was hat die badische
Skaatsregierung dazu veranlaßt, die Anzeige
entgegen der bisherigen amtlichen Verlautbarung
nicht zn erstatten?
Für eine baldige und erschöpfend« Antwort
werden nicht nur wir, sondern alle badischen
Staatsbürger von Herzen dankbar fein.
Inzwischen haben wir Gelegenheit genom-
men, einige Teilnehmer an den Rotenberger
Teegeselkschäften um ihre Ansichten und Ein-
drücke zu bitten. Wir bringen schon heute
einige dieser Aeußerungen und werden in unse-
ren nächsten Ausgaben mit der Veröffentlichung
fortfahren.
„Wir Nationalsozialisten sind es ja gewöhnt,
vom heutigen System nicht mit Glacehandschuhen
angefaßt zu werden. Daß dies aber auch den
weitesten Kreisen anderer Volksgenossen, pas-
siert, beweist mir, wie große heule schon di«
Kluft zwischen den Regierenden und den Regier-
ten ist. Die Maßnahmen der Polizei tragen da-
zu bei, eindeutig zu beweisen, daß nicht mehr
der Geist, sondern die Gewalt herrscht. Wie
lange noch?
Röhn, Kaufm. Angestellter,
Laut Volkszeitung Industrie- u. Handelsherr.
„My House my castle", sagt der Engländer,
und die Weimarer Verfassung hat sich diesen
Grundsatz zu eigen gemacht. Man scheint sich
aber durch diese Verfassung beengt zu fühlen,
den der Besuch der politischen Polizei Badens
aus all unseren schönen Städten auf Burg
Rotenberg ohne jede Einladung zum Tee ist für
einen im' alten Den-Kftii trainierten Verstand
mit jener Verfassung nicht zu vereinen. Die leb-
hafte Unterhaltung über Fragen von Heute
und Morgen wurde' häßlich gestört. Dabei weih
doch die Heidelberger Polizei lange von vielen
solchen Tee-Einladmrgen durch ihr nahestehende
Persönlichkeiten, denn man ist in Rotenberg ja
nicht einseitig, sondern will auch hören, was die
Link« tut und di« Rechte nicht weiß. Aber etwas
hat mich doch verblüfft und mir die Zusammen-
hanglosigkeit unserer Zeit mit der nahen Ver-
gangenheit gezeigt. Herr v. Reichenau war
5349««« Arbeitslose!
Berlin, 22. Dez. Die Zunahme der Zahl
der Arbeitslosen belief sich nach dem Be-
richt der Aeichsanstalt in der ersten Hälfte
des Dezember auf rund 290 000, womit sine
Belastung von rund 5 349 000 erreicht
wurde. In der gleichen Zeit des Vorjahres
war dis Zunahme mit rund 278 000 neu ge-
meldeten Arbeitslosen nur um weniges ge-
ringer.
Der Anteil der überwiegend von der
Konjunktur abhängigen Berufe ist in der
ersten Dezemberhälfte rascher (um 4,2 v. H.)
als in der zweiten Novemberhälfte (um 1,6
v. H.) gestiegen. Reben der Beendigung des
Weihnachtsgeschäftes in vielen Industrien
haben besonders die internationalen Wäh-
rungsschrvierigkeiten und die Schutzzollmah-
nahmen wichtiger Abnehmerstaaten ungün-
stig auf den deutschen Arbeitsmarkt einge-
wirkt.
Die Belastung von Arbeitslosenversiche-
rung und Krisenfürsorge hat zusammen um
etwa 158 000 Haupkunterstühungsempfänger
zugenommen. Nach den Meldungen der
Arbeitsämter wurden in der Arbeitslosen-
versicherung am 15. Dezember 1931 rund
1 484 000 Hauptunterstühungsempfänger
(Zunahme rund 118 000) gezählt, während
in der Krisenfürsorge nach einer Zunahme
um rund 40 000 etwa 1446 000 Hauptunter-
stützungsempfänger betreut wurden.
Diplomat und früher kannte man nur Wür-
denträger, die eine allseitige Vorbildung für
ihren Beruf hinter sich hakten. And da glaubt
man mit einem Massenaufgebot aus dem gan-
zen Lande etwas zu finden, die Beamten taten,
was ihnen befohlen war, aber jenen, die sie ge-
sandt zu einem Gesandten, sollte man die un-
nötigen Kosten zu tragen geben, denn der Ge-
danke, man werde so einsach etwas finden . . .
Kinder, da müßt ihr früher -aufstehen, vielleicht
könntet ihr in Rotenberg guten Unterricht dazu
bekommen. Zu finden ist dort nichts von dem,
was ihr sucht, und auf keinen Fall würdet ihr
es dort finden. X.
„Ich bin zwei Mal in Rotenberg gewesen.
Es ist an beiden Tagen in höchst belehrender
und wissenschaftlicher Form über die finanzielle
Lag« Deutschlands und über die Stellung
Deutschlands zu ausländischen Staaten berichtet
und gesprochen worden. Die Behauptung, daß
hierbei irgendwelche hochverräterischen Pläne
erörtert worden seien, ist eine Phantasie, die ich
Mir nur durch nervöse Ueberreizkheit erklären-
kann. Geh.Rat Prof. Enüemann."
,MS ehemaliger Polizeibeamker war ich er-
staunt, daß eine so harmlose Veranstaltung von
der Polizei kontrolliert wurde. Es war mir
von vornherein klar, daß der Grund der Kon-
trolle nicht darin bestand, hochverräterische Do-
kumente zu suchen, sondern die Teilnehmer au
diesen Teenachmitkagen festzustellen. Die Poli-
zeibeamten waren anscheinend selbst von ihrer
Aufgabe wenig entzückt Außerdem muß ich
mich wundern, daß die Leiter der Aktion, Ober-
inspektor Schnebele und Polizeiinspekkor Wal-
ther die Vorschriften der Dienstanweisung nicht
eiNhielken! Ich mußte sie, nachdem sie schon das
Haus verlassen hakten, darauf aufmerksam
machen, daß sie eine Bescheinigung über die be-
schlagnahmten Papiere auszustellen hätten!
Pflaumer, Polizei-Oberleutnant a. D."
„Was ich zu Rotenberg sage? Anfangs war
ich allerdings vor Erstaunen und Freiheiksbe-
wußtsein taut Notverordnung sprachlos. An
Kriminalbeamte habe ich mich ja bereits ge-
wöhnt, auf körperliche Ankersuchung war ich seit
längerer Zeit gefaßt. Daß aber von der Re-
gierung die namentliche Veröffentlichung amt-
lich erfolgte, sodaß die Ullsteinpresse bereits von
einem Hochverraksverfahren gegen uns als Teil-
nehmer berichten konnte, das würde mir, falls
es wahr wäre, nur zur Ehre gereichen.
Otto Minter, jun.
SenlUM m Ade
Wer Mt.
Das Institut für Konjunkturforschung" ver-
öffentlicht soeben seinen neuesten Vierteljahres-
bericht. Es beschäftigt sich darin mit der Wirk-
chaftslage in Deutschland und in der Melk, wie
ie sich um die Dezembermitte darstellt, und führt
hierüber aus:
„In Deutschland hak sich die Lage erneut zu-
gespitzt. Erzeugung und Absatz sind anhaltend
abwärts gerichtet. Die Arbeitslosigkeit steigt —
auch konjunkturell —- beschleunigt an. Die' Zer-
rüttung der Kreditmärkte hat eher noch zuge-
nammen. Auftragseingang und Rohstofföifpofi-
tionen, Symptome von Ergeugungsplanungen
und -Vorbereitungen, verharren im Rückgang.
In besonderer Weise wird die Lage Deutsch-