XXXII. IAHKOANG. DARMSTADT. MAI 1921.
DIE KUNST-BRUNNQUELL DES GUTEN
wille zuk form ist werdende kultur.
Die Kunst steckt wahrhaftig in der Natur; wer das Heim schmückt, richtig zu erfassen, braucht
sie heraus kann reißen, der hat sie«.. Dies es natürliches Empfinden und Geschmack; Kennt-
Wort Albrecht Dürers steht am Anfang und am nisse von Stilarten und Technik ordnen das in-
Ende jedes bewußt kritischen Urteils und erfaßt tuitiv Gewählte wohl richtig ein, ersetzen aber
alle Richtungen, die sich um den Preis streiten niemals das tiefere Gefühl den Dingen gegenüber,
mögen.. Von den Schwierigkeiten der Kunst hat Ist der Rahmen, den wir uns geben, künstlerisch,
im Grunde niemand einen rechten Begriff als der so zeugt er von einer Pflege idealer Gesinnung,
Künstler selbst. Das ist gut, denn zu mühelosem die vom Erfassen der kleinen Kunst eine Biücke
Genuß lädt nur, was mühelos geschaffen erscheint bildet zum Verständnis der großen und damit dem
und mit dem Mantel der Vollendung die Hand- Menschen die Wege zur inneren Freiheit und zur
griffe des Entstehens verdeckt. Alle Handgriffe Schönheit öffnet. Er muß nur, was darin ist, aus
dienen aber dazu, die Kunst aus der Natur seiner Natur heraus ziehen, — wie Dürer sagt,
»herauszureißen«, das heißt: allen Dingen und Unterschätzt wird immer noch die hohe Wir-
Begriffen einen Stil zu geben. Dann ist erreicht, kung, welche die Künste in Verbindung mit
was Goethe meinte, als er jene Worte schrieb: Handwerk und Gewerbe in einem Staate hervor-
»Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, bringen. Jede Richtung, die der Künstler ein-
Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden..« schlägt, strebt nach Form, ob sie sich noch so
Ein Streit zwischen dem Allzunatürlichen und chaotisch geberdet. Jede Form bildet den Men-
dem Allzukünstlichen hat nicht nur das Streben sehen und ordnet im Staat, führt wieder zur Kultur
der Künstler oft verbittert, es hat auch den harm- und schafft Werte, wo Wertloses in Bruchstücken
losen Kunstgenuß schon mehr als einmal getrübt.. herumliegt. So wird auch die Natur unter den
Um große Kunst nach- und mitempfinden zu Händen des Schaffenden zum Kunstwerk, indem
können, braucht es Herz und tätige Phantasie; er dem ungebundenen Stoff zur Form verhilft.,
was sich der Verstand kritisch zurecht legt, ist In diesem Sinne werden die Künste: »Brunnquellen
eine Sache für sich. Um die kleine Kunst, die alles Guten« . . Alexander von gleichkn-russwurm.
1881. v. 1.
DIE KUNST-BRUNNQUELL DES GUTEN
wille zuk form ist werdende kultur.
Die Kunst steckt wahrhaftig in der Natur; wer das Heim schmückt, richtig zu erfassen, braucht
sie heraus kann reißen, der hat sie«.. Dies es natürliches Empfinden und Geschmack; Kennt-
Wort Albrecht Dürers steht am Anfang und am nisse von Stilarten und Technik ordnen das in-
Ende jedes bewußt kritischen Urteils und erfaßt tuitiv Gewählte wohl richtig ein, ersetzen aber
alle Richtungen, die sich um den Preis streiten niemals das tiefere Gefühl den Dingen gegenüber,
mögen.. Von den Schwierigkeiten der Kunst hat Ist der Rahmen, den wir uns geben, künstlerisch,
im Grunde niemand einen rechten Begriff als der so zeugt er von einer Pflege idealer Gesinnung,
Künstler selbst. Das ist gut, denn zu mühelosem die vom Erfassen der kleinen Kunst eine Biücke
Genuß lädt nur, was mühelos geschaffen erscheint bildet zum Verständnis der großen und damit dem
und mit dem Mantel der Vollendung die Hand- Menschen die Wege zur inneren Freiheit und zur
griffe des Entstehens verdeckt. Alle Handgriffe Schönheit öffnet. Er muß nur, was darin ist, aus
dienen aber dazu, die Kunst aus der Natur seiner Natur heraus ziehen, — wie Dürer sagt,
»herauszureißen«, das heißt: allen Dingen und Unterschätzt wird immer noch die hohe Wir-
Begriffen einen Stil zu geben. Dann ist erreicht, kung, welche die Künste in Verbindung mit
was Goethe meinte, als er jene Worte schrieb: Handwerk und Gewerbe in einem Staate hervor-
»Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen, bringen. Jede Richtung, die der Künstler ein-
Und haben sich, eh' man es denkt, gefunden..« schlägt, strebt nach Form, ob sie sich noch so
Ein Streit zwischen dem Allzunatürlichen und chaotisch geberdet. Jede Form bildet den Men-
dem Allzukünstlichen hat nicht nur das Streben sehen und ordnet im Staat, führt wieder zur Kultur
der Künstler oft verbittert, es hat auch den harm- und schafft Werte, wo Wertloses in Bruchstücken
losen Kunstgenuß schon mehr als einmal getrübt.. herumliegt. So wird auch die Natur unter den
Um große Kunst nach- und mitempfinden zu Händen des Schaffenden zum Kunstwerk, indem
können, braucht es Herz und tätige Phantasie; er dem ungebundenen Stoff zur Form verhilft.,
was sich der Verstand kritisch zurecht legt, ist In diesem Sinne werden die Künste: »Brunnquellen
eine Sache für sich. Um die kleine Kunst, die alles Guten« . . Alexander von gleichkn-russwurm.
1881. v. 1.