Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0164
DOI Artikel:
Albiker, Karl: Materie und Form
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0164
144
INNEN-DEKORATION
LOTHAR WE1NZHE1MER-OROSSKÖNIOSDORF HERREN-SCHLAFZIMMER. MÖBEL KIRSCHBAUM
MATERIE UND FORM
Der Künstler schafft nicht die Form des Materials
wegen, sondern er bedient sich des Materials, um
die Form verwirklichen zu können. Am Anfang steht
nicht das Material, sondern der Wille zur Form. Er
kann durch das Material beeinflußt, gehemmt oder
korrigiert, aber auch angereizt und beflügelt werden. . .
Das Gesetz des Materials ist eine primäre sittliche
Forderung; unverderbten, primitiven Völkern eine
Selbstverständlichkeit wie ihr eigenes Dasein, höber ent-
wickelten Kulturvölkern eine Erkenntnis, der sie sich
bewußt sind, oder um die sie ringen, — zuletzt ein Ge-
heimnis, wie jede sittliche Forderung. Das Geheimnis
ist aber gelöst, wenn der Künstler auf das Material ein-
zugehen versteht, wenn er die entsprechende, aus
dem Material und seinen bildnerischen Absichten resul-
tierende Technik anwendet — wenn er auf die
Stimme des Materials hört. Mit dem Eingehen
auf die seiner Form-Idee entgegenkommenden und wider-
strebenden Eigenschaften wird er sich das Material er-
obern und dienstbar machen. Ein Material aber, das
ganz in dem Formwillen aufgeht, wird selbst Form. . . .
Wenn auf solche Art Material zur Form, und Form
zur Bewegung wird, dann ist die Schwere überwunden.
Die Arbeit des Künstlers ist im letzten Grunde der ewige
Kampf, die Materie durch den Geist zu überwinden, sein
Werk von der materiellen Gebundenheit zu befreien. . .
Der Form-Wille sucht das Material und umgekehrt
bildet das Material immer wieder den Willen zur Form.
Die Synthese des Form-Willens und des Gefühls für das
Material aber ist das, was wir Stil nennen, karl albiker-
INNEN-DEKORATION
LOTHAR WE1NZHE1MER-OROSSKÖNIOSDORF HERREN-SCHLAFZIMMER. MÖBEL KIRSCHBAUM
MATERIE UND FORM
Der Künstler schafft nicht die Form des Materials
wegen, sondern er bedient sich des Materials, um
die Form verwirklichen zu können. Am Anfang steht
nicht das Material, sondern der Wille zur Form. Er
kann durch das Material beeinflußt, gehemmt oder
korrigiert, aber auch angereizt und beflügelt werden. . .
Das Gesetz des Materials ist eine primäre sittliche
Forderung; unverderbten, primitiven Völkern eine
Selbstverständlichkeit wie ihr eigenes Dasein, höber ent-
wickelten Kulturvölkern eine Erkenntnis, der sie sich
bewußt sind, oder um die sie ringen, — zuletzt ein Ge-
heimnis, wie jede sittliche Forderung. Das Geheimnis
ist aber gelöst, wenn der Künstler auf das Material ein-
zugehen versteht, wenn er die entsprechende, aus
dem Material und seinen bildnerischen Absichten resul-
tierende Technik anwendet — wenn er auf die
Stimme des Materials hört. Mit dem Eingehen
auf die seiner Form-Idee entgegenkommenden und wider-
strebenden Eigenschaften wird er sich das Material er-
obern und dienstbar machen. Ein Material aber, das
ganz in dem Formwillen aufgeht, wird selbst Form. . . .
Wenn auf solche Art Material zur Form, und Form
zur Bewegung wird, dann ist die Schwere überwunden.
Die Arbeit des Künstlers ist im letzten Grunde der ewige
Kampf, die Materie durch den Geist zu überwinden, sein
Werk von der materiellen Gebundenheit zu befreien. . .
Der Form-Wille sucht das Material und umgekehrt
bildet das Material immer wieder den Willen zur Form.
Die Synthese des Form-Willens und des Gefühls für das
Material aber ist das, was wir Stil nennen, karl albiker-