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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 32.1921

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Jaumann, Anton: Technische Ehrlichkeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.10457#0298

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Für uns liegt die Frage nun so: Wird durch Ver-
stöße gegen die technische Ehrlichkeit unser Gefühl er-
heblich verletzt ? Sobald wir auf diesen Punkt besonders
achten, zweifellos. Es hängt das ganz von der Einstel-
lung des Beschauers ab. Es wird heute soviel von hand-
werklichen Reizen, von technischen Reizen gesprochen,
daß wir das Technische viel mehr beachten als es die
Alten getan. Die unmittelbare Folge dieser Einstellung
war merkwürdigerweise nicht eine Verfeinerung, sondern
eine Vergröberung der Technik. Die Schnitzerei arbeitet
mit breitem Messer, der Maler mit breitem Pinsel. Das
Handwerkliche wird dem Beschauer faustdick vorgesetzt,
damit er es ja nicht übersieht. Dieses Kokettieren mit
grobem Werkzeug kannten die Alten nicht. Ihre naive
Malerei, ihr naives Handwerk zielte auf Glätte, Fein-
heit, Sauberkeit. Auch unsere Zeit hat im Kunsthacd-
werklichen noch nicht die gleiche Grobheit der Technik

gewagt wie etwa in der Malerei, die darin, und in der
technischen Ehrlichkeit, wohl am weitesten geht.
Schränke und Tische: nur mit dem Zimmermanns-Beil
behauen, wurden noch nicht ausgestellt, — obwohl die

zugehörigen Bilder doch schon existieren........

Doch zwischen Grobheit und Ehrlichkeit ist immerhin
noch ein Unterschied. Es fragt sich, wodurch unser
Empfinden stärker verletzt wird, wenn die technischen
Merkmale etwas verschleiert werden, oder wenn die
Axt- und Pinselhiebe dröhnen, wenn grobe Gewebe,
Ziegelwände, Felle, Bohlen an die Stelle der gewohnten
Kulturverfeinerungen treten. Tuch oder Homespun?
Das letzteie wird zur Zeit bevorzugt. Besonders von
Künstlern. Ein gewisses Kokettieren mit technischer
Grobheit ist heute zweifellos vorhanden. Allerdings nur
im Rahmen und als Gegensatz einer allgemeinen weit-
getriebenen Verfeinerung. Im Mittelalter war es uroge-
 
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