Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

DOI Artikel:
Koch, Alexander: Der Geist des neuen Wohnens, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0071

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
48

INNEN-DEKO RATION

dabei muß man selber tun, und ein schönes Heim ist bei
Reich und Arm stets ein Ergebnis eigenen Denkens und
Schaffens. Das muß in erster Linie beherzigt werden.
Nicht etwa bloß deshalb, damit die Besitzenden sich nicht
allzu fest auf ihre Geldmittel verlassen, sondern haupt-
sächlich deshalb, damit die weniger Begüterten nicht an
der Möglichkeit verzweifeln, zu einem geschmackvoll ein-
gerichteten Heim zu kommen. Gewiß kann die höchste,
die letzte Vollendung kultivierten Wohnens wohl nur im
Eigenhaus erreicht werden, und auch da nur unter beson-
ders günstigen Umständen. Aber praktisch bedeutet ja
Wohnkultur nicht die Verwirklichung eines letzten Ideals,
sondern die mögliche Annäherung möglichst vieler Woh-
nungen an dies Ideal...................

Und da ist eigenes Sinnen und Denken, eigenes
Wählen und Bemühen das große Zaubermittel, um auch
unter beschränkten Verhältnissen zu schönen Ergebnissen
zu gelangen. Jeder muß sein eigner Lehrmeister sein, er
muß durch Umschauen und Forschen möglichst vieles
kennen lernen, was zur rechten Gestaltung des Heims
gehört. Und er muß sich bei jeder Gelegenheit fragen:
»Warum ist dies schön, das andere nicht?« So nur
schult sich das Urteil. Es gibt einen guten und einen
schlechten, einen geschulten und einen ungeschulten Ge-
schmack. Gefühl für Form, Farbe, Proportion lassen
sich bilden, sind der günstigen Beeinflussung sogar außer-
ordentlich zugänglich, und man kann sagen, daß jeder
für seinen Geschmack verantwortlich ist. Schulen kann
man die Urteilsfähigkeit am besten durch ständiges An-
schauen und Studieren guter Vorbilder, mögen sie reich
oder einfach sein. Ja, auch schlechte Beispiele können
zum Guten helfen, denn man lernt auch dadurch, wie
man es nicht machen soll................

Aus dem Gesagten geht schon hervor, daß sich all-
gemeine, rezeptartige Anweisungen für eine geschmack-
volle Raumgestaltung nicht geben lassen. Das ist überall
eine ganz konkrete Frage, die stets nur anhand des be-
sonderen Falles beantwortet werden kann Aber vielleicht
lassen sich einige allgemeine »Richtlinien« angeben, die
dem Einzelnen auf seinem eigenen Wege weiterhelfen. .



Das erste, wichtigste Wort über unsere Wohnung hat,
schon ehe wir über ihre Einrichtung nachdenken kön-
nen, — ein anderer gesprochen, nämlich der Architekt.
Er hat den Grundriß und den Aufriß festgelegt und hat
damit schon sehr weitgehend über den Charakter unseres
Heimes verfügt. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn man
bedenkt, wie wichtig es ist, ob die Bodenfläche eines
Raumes im richtigen Verhältnis zu seiner Höhe steht.
Und weiterhin ist die Art des Licht-Einfalls von großer
Bedeutung. Mit Recht sagt Graf Kuno Hardenberg:
»Das Tageslicht, wie es durch das Fenster einfällt, richtig
für die Stellung des Mobiliars nutzbar zu machen, ist
eines der großen Geheimnisse des Wohnkünstlers.« Es
ist zum Beispiel fast immer falsch, durch massige Möbel-
stücke, die man in die Nähe des Fensters stellt, den Licht-
einfall zu verkürzen. Falsch ist es auch, die hauptsäch-
lichsten Sitz-Gelegenheiten des Raumes so zu stellen, daß
der darauf Sitzende ins Licht sehen muß. Er muß das
Licht im Rücken haben, damit er ein volles Bild von dem
Raum und insbesondere auch von dem Wandschmuck
gewinnt, ebenso wie im Arbeitszimmer der Schreibtisch
ste's so ans Fenster gestellt werden muß, daß das Licht
von links nach rechts fällt, damit die rechte Hand keinen

Schatten wirft. Und so muß in mancherlei Hinsicht bei
der Möblierung der Wohn-Räume auf den Licht-Einfall
Rücksicht genommen werden; am besten durch prak-
tische Erprobung. Man soll da einiges Experimentieren,

wenn es auch mühevoll ist, nicht scheuen.......

Sehr wesentlich für die Raumwirkung ist in zweiter
Linie eine richtige Wandbehandlung. Sie muß richtig
sein in Bezug auf die Größen-Verhältnisse des Rau-
mes, dann in Bezug auf den beabsichtigten Charakter
des Raumes, schließlich in Bezug auf das Mobiliar, den
Teppich und die Vorhänge. Es heißt also zum Beispiel
eine Tapete zu wählen, die nach allen diesen Richtungen
hin in günstigem Sinne funktioniert. Eine ausschlag-
gebende Rolle spielt hierbei vor allem die Farbe. Noch
heute wissen nur wenige Menschen, welch ein mächtiges,
ja geradezu zauberhaftes Mittel für eine gute Raumwirk-
ung ihnen in der Wandfarbe gegeben ist. Ein Grund-
gesetz dabei ist, daß helle und dabei kühle Farben, d. h.
Farben, in denen Blau vorherrscht, einen Raum weit er-
scheinen lassen, während warme Farben, in denen Rot
oder Gelb dominiert, den Raum für das Auge verengen.
Blau ist die Farbe der Ferne, eine blaue oder überhaupt
kaltfarbige Wand weicht vor dem Blick zurück. Man
wird sie also verwenden für enge Räume, die man größer
erscheinen lassen will. Rote, grüne oder gelbe Töne da-
gegen dringen kräftig auf das Auge ein; man wird sie
daher wählen für Räume, die enger, intimer, behaglicher
wirken sollen. Zu dieser rein optischen Funktion der
Farbe gesellen sich nun die unendlichen Anstufungen ihrer
seelischen, ihrer psychologischen Wirkungen. Die kalte
blaue Farbe wirkt auch psychologisch kalt, sie regt nicht
an, sondern sie dämpft herab, sie beruhigt, sie kühlt, sie
whkt auch unter Umständen im Sinne einer vornehmen,
haltungsvollen Kühle. Wo man Wirkungen solcher Art
anstrebt, da bringt sie sehr bestimmt den gewünschten
Effekt hervor. Rote, grüne und gelbe Töne haben da-
gegen eine warme, eine einhüllende und freudige Wirkung.
Sie geben sehr bestimmte, feste Wandflächen, sie ver-
breiten warmes Behagen, sie wirken je nach der Ton-
höhe satt und voll oder lebhaft und anregend. Einwand-
frei fest steht insbesondere die prächtige, schwungvolle
Wirkung des Terrakott-Rot und die prickelnde, geistig
belebende Wirkung des zarten Chinesisch-Gelb, weshalb
sie sich z. B. hervorragend für Gesellschaftsräume oder
Repräsentations-Räume eignen, aber auch für Arbeits-
und Wohnräume, in denen eine anregende oder eine be-
sonders kompakte, sozusagen »dichte« und gemütliche
Stimmung gewünscht wird. Im Schlafzimmer sind natür-
lich ruhige Farben, ruhige Muster angebracht. Zu be-
achten ist, daß sich von kaltfarbigen Wandflächen die
Möbel meist sehr stark abheben, während die Wand zu-
rücktritt; eine warmfarbige Wand dagegen nimmt die
Möbel mehr in sich auf. Nicht besonders brauche ich
wohl zu erwähnen, daß gewisse Farben für die Wand
des Wohnraums fast nie in Frage kommen; so das Schwarz
oder ein ausgesprochenes Violett, das auf Auge und Ge-
müt sehr ungünstig wirkt. In Räumen mit reichem Wand-
schmuck an Bildern, Gobelins etc. wirkt ein Braunschwarz,
Dunkel-Russischgrün, oder dunkles Blau sehr gut. Im
übrigen aber sind von entscheidender Bedeutung die
Nuancen, die Abstufungen und die Kombinationen der
Farben. Auch hier heißt es probieren und seine Erfahr-
ungen machen. Wer aber die Farbenwirkungen einmal
eingehender studiert hat, dem gibt gerade die deutsche
 
Annotationen