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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Sobotka, Walter: Einrichten, Publikum und Architekten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0200

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EINRICHTEN, PUBLIKUM UND ARCHITEKTEN

VON ARCHITEKT WALTHER SOBOTKA-WIEN

Das »Publikum« wird oft unterschätzt. . Von III. Es gibt unzählige Möglichkeiten und Arten des
den Fällen abgesehen, wo sich zwischen Archi- Mißverstehens und des »aneinander Vorbeiredens und
tekten und Publikum in Kompromissen eine charak- Vorbeidenkens«, die Basis für ein Verstehen und ein auf
terlose Gemeinschaft entwickelt, schenkt der aufrechte einander Eingehen ist dagegen eng begrenzt. In den sel-
Architekt der Meinung und dem Wunsch des Bestellers tensten Fällen sind Architekt und Auftraggeber — der
zumeist wenig Aufmerksamkeit. Das Einrichten einer ideale Fall — gleich gesinnte und gleich gestimmte Men-
Wohnung ist aber eine Frage der allgemeinen Lebens- sehen. Oft werden sie zufällig Ähnliches anstreben,
Auffassung und es bedarf dazu keines Fachwissens. Es wenn sie auch auf ganz verschiedenen Wegen dahin ge-
gibt unter den Architekten und auch im Publikum Men- langen. Auch Bekehrungen zu der stärkeren Meinung
sehen, die sich darüber im Klaren sind, daß eine Wohnung werden vorkommen. Alle übrigen Fälle müßten zu Kon-
zum Bewohnen bestimmt ist. Der Architekt hat nur flikten führen, wenn nicht ein allgemeiner Mangel an
das eine für oder gegen sich, daß er sich mit dem Prob- Urteilskraft die Unebenheiten übersehen und die Unge-

lem erheblich intensiver befaßt hat............ reimtheiten überhören ließe, bis sich Aug und Ohr end-

II. Den Architekten überschätzt das Publikum, so- gültig daran gewöhnt haben. Es ist ein Glück, daß viele
lang es Vertrauen zu ihm hat. Es hält jede seiner persön- Menschen einer solchen Schlamperei (Ungenauigkeit,
liehen, rein menschlichen Meinungsäußerungen für exakte Unschärfe) des Denkens und Fühlens die Ruhe und Zu-
Ergebnisse eines absoluten Wissens. Es erwartet von friedenheit ihres Daseins danken.............

ihm als Fachmann, daß er eine noch in Dämmerung IV. Die meisten Menschen sind durch ihren Beruf in

schwebende Phantasievorstellung sofort in klare Realität die Lage versetzt, aus der Schwelle ihrer Arbeitsstätte

so umzusetzen weiß, daß er daraus jedes Detail, jede eine Zugbrücke zwischen zwei Welten zu machen. Sie

Farbe eines Stoff Überzuges, jede Form oder das Material führen ein richtiges Doppelleben, ändern stundenweise

eines Tischfußes etc. nur abzulesen hat. Menschliche Gesinnung und Moral, vertauschen Sachlichkeit mit

Züge, wie die Änderung eines Entschlusses, das Einge- Romantik, wie man Kleider wechselt, und werden ebenso

stehen eines Irrtumes stürzen ihn von seinem »pied de rasch aus schlichten Akteuren anspruchsvolle Zuschauer,

stal«. Darum genießt ein »Routinier« das größte Ansehen. Hier wollen sie die anderen agieren und mit Wort und

o EINGANG

WALTHER SOBOTKA-WIEN. ERDGESCHOSS-GRUNDRISS DER »VILLA AN DER ADRIA« MIT TERRASSEN

1928. IY.3.
 
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