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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928

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Wenzel, Alfred: Das Notwendige und das Gewohnte
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0315

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292

INNEN-DEKORATION

BERNHARD PFAU—DÜSSELDORF- MUSIKRAUM DEUTSCHE HOLZKUNSTWERKSTATTEN A. G.-BREMEN

der auf seiner Sitzfläche einen Menschen durch-
aus sicher tragen soll; entspricht ein anderer Stuhl
nicht ungefähr diesem Vergleichsbild, so wird uns

seine Erscheinungsform nicht befriedigen......

Die Vorstellungen aber, mit denen das Neue in
dieser Weise verglichen wird, stammen nur aus
der Anschauung des Vorhandenen. Sie stellen ja
bei der überwiegenden Mehrzahl der Menschen
nicht einmal ein Erfahrungs-Wissen dar, welches
nur auf systematischem Weg erreicht werden kann,
sondern sind nichts als ein Produkt der Gewöh-
nung an das bereits Existierende. Wenn ein Ästhe-
tiker, vor einigen Jahre, diesen Gedankengang zu
dem Ergebnis weiterführte: daß z. B. ein Hocker,
der aus dünnen Metallstäben hergestellt sei und
auf seiner ebenso dünnen metallenen Sitzfläche ein
großes Kissen trage, auf unser »ästhetisches Ge-
fühl« unangenehm wirke, trotzdem die Bemessung
der verbundenen Teile den statischen Anforde-
rungen völlig genüge, — so zeigt das sehr deutlich,
welche Hemmungen die Schätzung von »Neuem«
in der Architektur erschweren. Da man einerseits

das Ästhetische untrennbar mit dem Zweck ver-
bindet und andererseits von der Erfüllung dieses
Zweckes selbst gewisse starre Vorstellungsformen
in sich trägt, pflegt man Versuchen in einem neuen
Material stets ablehnend gegenüberzustehen: man
spricht ihnen von vornherein die Ȋsthetische Wir-
kung« ab, — weil ihre Erscheinungsform nicht dem

entspricht, woran man gewöhnt ist.........

Da man es auch an sanktionierten, allerseits
beglaubigten Kunstwerken wahrnimmt, hält man
das Gewohnte für einen unumgänglichen Bestand-
teil des Kunstwerks überhaupt. Wo würde dies
wohl augenfälliger als bei dem viel umstrittenen
»flachen Dach«! . Warum sträubt man sich so sehr
dagegen, das große, unnötige Walmdach über dem
Hause aufzugeben? . Weil man es für notwendig
hält. Und warum? Weil das Haus ohne es »nicht
wie ein Haus aussieht«. »Das Dach gehört doch
zum Haus«, sagt man. . Die Einwände technischer
Art — es falle in unserem Lande mehr Regen und
Schnee, und der Schnee bleibe länger liegen als
anderswo, — und die komischen Bedenken gegen
 
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