Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 39.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.11738#0459
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Ritter, Heinrich: Gedanken über die Treppe
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436 INNEN-DEKO RATION
ARCHITEKT Dr. ARMAND WEISER. TREPPENAUFGANG VON DER HALLE ZUR OBEREN DIELE. HAUS H.W.
GEDANKEN UBER DIE TREPPE
Der »Hundertsäulen-Saal des Xerxes« liegt
heute zerbrochen unter hoher Wüstensonne,
in baumloser Ebene. Man sieht noch die Reste
des prunkvollen Estrichs, die Stümpfe der wenigen
Säulen, die noch erhalten sind, und besonders die
breiten, majestätischen Freitreppen, die mit ge-
lassener Bewegung aus dem Wüstensand aufsteigen,
gemacht für die Schritte von Königen mit schlep-
penden Gewändern, für die Schritte von Kriegern,
für den pompösen Aufbau von Pagenreihen, für
das feierliche Herabsteigen von Fürstinnen unter
schwankenden Baldachinen. Gerade weil sich hier
das getragene Staccato der Treppe aus dem tauben,
toten Sand erhebt, gerade weil diese Treppe, die
so unmittelbar auf den Menschen in seiner Macht-
Entfaltung deutet, heute in menschenleerer Wüste-
nei verloren liegt, kommt ihr eigenes und eigent-
liches Wesen mit Kraft zur Anschauung: ein
Wesen voll Festlichkeit, voll Prunk, voll tausend
Schmeicheleien für den Menschen..........
Dieses Wesen hat die Treppe, zumal die »Frei-
treppe«, durch Jahrtausende hindurch bewahrt.
Heute noch ist die Treppe ein »Komplex von
Szenerie und Bewegungsführung«, dasjenige archi-
tektonische Motiv, das den Menschen am schönsten
hervorhebt. Sie läßt ihn festlich von einer Höhe
herunterkommen, indem sie ihm das königliche Tun
des Abwärtsschauens aufzwingt. Sie zeigt ihn im
Aufwärtssteigen zu einer Höhe, wobei er sich lang-
sam, in gemessenem Tempo, von der unteren Ebene
erhebt. Sie läßt bei jedem dieser Wege den Kör-
per frei spielen; und besonders im Abstieg läßt sie,
ARCHITEKT Dr. ARMAND WEISER. TREPPENAUFGANG VON DER HALLE ZUR OBEREN DIELE. HAUS H.W.
GEDANKEN UBER DIE TREPPE
Der »Hundertsäulen-Saal des Xerxes« liegt
heute zerbrochen unter hoher Wüstensonne,
in baumloser Ebene. Man sieht noch die Reste
des prunkvollen Estrichs, die Stümpfe der wenigen
Säulen, die noch erhalten sind, und besonders die
breiten, majestätischen Freitreppen, die mit ge-
lassener Bewegung aus dem Wüstensand aufsteigen,
gemacht für die Schritte von Königen mit schlep-
penden Gewändern, für die Schritte von Kriegern,
für den pompösen Aufbau von Pagenreihen, für
das feierliche Herabsteigen von Fürstinnen unter
schwankenden Baldachinen. Gerade weil sich hier
das getragene Staccato der Treppe aus dem tauben,
toten Sand erhebt, gerade weil diese Treppe, die
so unmittelbar auf den Menschen in seiner Macht-
Entfaltung deutet, heute in menschenleerer Wüste-
nei verloren liegt, kommt ihr eigenes und eigent-
liches Wesen mit Kraft zur Anschauung: ein
Wesen voll Festlichkeit, voll Prunk, voll tausend
Schmeicheleien für den Menschen..........
Dieses Wesen hat die Treppe, zumal die »Frei-
treppe«, durch Jahrtausende hindurch bewahrt.
Heute noch ist die Treppe ein »Komplex von
Szenerie und Bewegungsführung«, dasjenige archi-
tektonische Motiv, das den Menschen am schönsten
hervorhebt. Sie läßt ihn festlich von einer Höhe
herunterkommen, indem sie ihm das königliche Tun
des Abwärtsschauens aufzwingt. Sie zeigt ihn im
Aufwärtssteigen zu einer Höhe, wobei er sich lang-
sam, in gemessenem Tempo, von der unteren Ebene
erhebt. Sie läßt bei jedem dieser Wege den Kör-
per frei spielen; und besonders im Abstieg läßt sie,