Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0257
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Eulenberg, Herbert: Der Umgang mit Architekten, [2]: der Antwort-Brief
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INNEN-DEKORATION
245
architekt fritz gross in wien
WÄSCHESCHRANK. WOHNSCHLAFZIMMER Dr. M.
gegeneinander nicht aus dem Wege räumen kön-
nen: daß ich ihn ein wenig für einen Knauser
halte, und daß er mich, aber sehr, für einen Ver-
schwender, Plänemacher und Bruder Luftikus
nimmt. Ich bin zugegeben von allen diesen dreien
etwas. Und bin dazu, wie ich mit Recht hinzufü-
gen darf, von Standeswegen auch verpflichtet!
Denn ein Architekt, der nichts von einem Aben-
teurer und einem Himmelsstürmer in sich hat, der
ist überhaupt keiner und sollte nicht mit Steinen
und Mörtel umgehen. . »Wie kommen Sie dazu,
sich unsern Seiltänzerberuf auszuwählen«? — hat
mich der alte Messel noch gewarnt, als ich mich
scheu, mit dem festen Entschluß, Baumeister zu
werden an ihn heranpirschte. . Darum muß man
uns — und in der Beziehung haben Sie ganz recht
— natürlich »Kandare reiten«. Aber die Kinn-
kette, mit der Ihr unsere ewige Ausdehnungs-
lust zügelt, darf auch nicht zu kurz sein oder wer-
den. Es gibt Leute, die im Umgang mit uns Archi-
tekten die Zügel immer straffer ziehen, bis uns
schließlich der Schaum vor den Mund kommt und
uns jene Architekten - Raserei überfällt, die ein
filziger König von Neapel, der sie bei einem seiner
Baumeister wahrnahm, einmal mit einem Aetna-
Ausbruch verglich. . Sie beide haben trotz gele-
gentlicher Entgleisungen ins allzu Knappe und
Zugeknöpfte doch immer ein gewisses Maß in der
Behandlung meiner Person und meiner Rechnun-
gen gezeigt. Sie hielten mich Windvogel zwar im-
mer fest an der Kordel. Aber Sie ließen mich
schließlich doch möglichst hoch steigen und schau-
ten dann — ich habe es mit Freude gesehen —
mit verzückten Kinderaugen mir nach. Ein wenig
stets mit der geheimen Furcht: »Er wird uns doch
nicht Kobolz schießen? Und wir mit ihm? . . .
Ich habe Sie oft von oben beobachtet und
um der halb angst-, halb erwartungsvollen Blicke,
die Sie mir vom unsichern Port Ihrer geborgenen
Barmittel ins Blaue nachsandten, lieb gewonnen..
Soweit unsereiner, der ständig zwischen Himmel
und Erde schwebt, dies überhaupt fertig bringen
kann: das Verlieben. .Im Oktober rücke ich Ihnen
also auf die Bude. Und einen neuen, schöne-
ren Grundriß zum künftigen Teetempel im Gar-
ten wird mitbringen . . . Ihr Architekt« ... h.e.
1932. VII. 2.
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architekt fritz gross in wien
WÄSCHESCHRANK. WOHNSCHLAFZIMMER Dr. M.
gegeneinander nicht aus dem Wege räumen kön-
nen: daß ich ihn ein wenig für einen Knauser
halte, und daß er mich, aber sehr, für einen Ver-
schwender, Plänemacher und Bruder Luftikus
nimmt. Ich bin zugegeben von allen diesen dreien
etwas. Und bin dazu, wie ich mit Recht hinzufü-
gen darf, von Standeswegen auch verpflichtet!
Denn ein Architekt, der nichts von einem Aben-
teurer und einem Himmelsstürmer in sich hat, der
ist überhaupt keiner und sollte nicht mit Steinen
und Mörtel umgehen. . »Wie kommen Sie dazu,
sich unsern Seiltänzerberuf auszuwählen«? — hat
mich der alte Messel noch gewarnt, als ich mich
scheu, mit dem festen Entschluß, Baumeister zu
werden an ihn heranpirschte. . Darum muß man
uns — und in der Beziehung haben Sie ganz recht
— natürlich »Kandare reiten«. Aber die Kinn-
kette, mit der Ihr unsere ewige Ausdehnungs-
lust zügelt, darf auch nicht zu kurz sein oder wer-
den. Es gibt Leute, die im Umgang mit uns Archi-
tekten die Zügel immer straffer ziehen, bis uns
schließlich der Schaum vor den Mund kommt und
uns jene Architekten - Raserei überfällt, die ein
filziger König von Neapel, der sie bei einem seiner
Baumeister wahrnahm, einmal mit einem Aetna-
Ausbruch verglich. . Sie beide haben trotz gele-
gentlicher Entgleisungen ins allzu Knappe und
Zugeknöpfte doch immer ein gewisses Maß in der
Behandlung meiner Person und meiner Rechnun-
gen gezeigt. Sie hielten mich Windvogel zwar im-
mer fest an der Kordel. Aber Sie ließen mich
schließlich doch möglichst hoch steigen und schau-
ten dann — ich habe es mit Freude gesehen —
mit verzückten Kinderaugen mir nach. Ein wenig
stets mit der geheimen Furcht: »Er wird uns doch
nicht Kobolz schießen? Und wir mit ihm? . . .
Ich habe Sie oft von oben beobachtet und
um der halb angst-, halb erwartungsvollen Blicke,
die Sie mir vom unsichern Port Ihrer geborgenen
Barmittel ins Blaue nachsandten, lieb gewonnen..
Soweit unsereiner, der ständig zwischen Himmel
und Erde schwebt, dies überhaupt fertig bringen
kann: das Verlieben. .Im Oktober rücke ich Ihnen
also auf die Bude. Und einen neuen, schöne-
ren Grundriß zum künftigen Teetempel im Gar-
ten wird mitbringen . . . Ihr Architekt« ... h.e.
1932. VII. 2.