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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Ein Wohnhaus am Waldrand
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0058

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42 INNEN-DEKORATION

LANDHAUS M. »WOHNRAUM IM ANBAU« BALKEN UND TOREN: KIEFER LASIERT, FENSTERWAND MIT GOBELIN VORHANG

eine dekorative Messingbenagelung. Das fünfteilige
Breitfenster an der Hofseite kann durch einen dichten
Gobelin-Vorhang vollständig verdeckt werden (Abb.
oben). Das kleine Fenster gegenüber (Abb. S. 43)
hat verbleite Scheiben und farbige Leinenvorhänge.
Von ihm aus zieht sich ein truhenhohes Büchergestell
die Wand entlang, hauptsächlich für Mappenwerke
und Zeitschriftenbände bestimmt. Hier, wie im Bild-
schmuck der Wände, ist die im ganzen Hause spür-
bare Beziehung zur Welt der Kunst, namentlich auch
der älteren und der niederländischen Kunst, deutlich
ausgesprochen. Manche der hier gezeigten Innen-
raumbilder werden Erinnerungen an holländische
Interieurs wachrufen; und in der gleichen Richtung
wirken die schönen Beleuchtungskörper, die Messing-
kronen, die aufgestellten Skulpturen und Vasen. Das
mag den Sinn auf die Frage lenken, ob nicht in der
Tat die Entführung ins Reich der Stille und der Ent-
spannung vollständiger und rascher stattfindet, wenn
das Raumbild im Ganzen der Gegenwart leise aus-
biegt — nicht in illusionistischer Flucht in vergangene
Welten, aber so, wie man aus der Großstadt in den

Wald geht oder in eine Domstille. Sich auf Bleiben-
des besinnen inmitten dessen, was unaufhörlich
pulsiert und Phasen wechselt - läuft darauf nicht
alle Beruhigungswirkung hinaus? Die Natur, die
Landschaft können diese Beruhigung schenken, aber
sehr nachdrücklich entquillt sie auch den Kunst-
gebilden von gesichertem Wert und allem, was groß-
zügig ist ohne Hitze. Haben wir nicht vielleicht dazu
die viele Vergangenheit, über die wir gedächtnis-
mäßig verfügen, damit sie uns auf das lenkt, was
bleibt, was standhält? Und schließt der Begriff »Er-
holung« oder »Entspannung« nicht schon wesens-
mäßig ein Herausgehen aus der Sphäre der ruhelosen
Bewegtheit, ein Eintreten in den Bereich des Bleiben-
den in sich ? Schopenhauer fand es beruhigend,
Gegenstände der lateinischen Grammatik durchzu-
denken, und oft verwandte er solche Gedankenspiele
als Schlafmittel. Denn sie brachten ihm den Ab-
stand von allem Erhitzenden. Und dieser Abstand,
das Aufhören der Bedrängtheit vom Herzudringen-
den ist es, was die Ruhe, das Einschwingen in die
ungestörten Rhythmen des eignen Lebens schenkt. -
 
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