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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Kropp, Ernst: Betrachtungen über eine kommende Ornamentik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0086

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BETRACHTUNGEN ÜBER EINE KOMMENDE ORNAMENTIK

VON PROF. ERNST KROPP, STAATL. AKADEMIE FÜR KUNSTGEWERBE, DRESDEN

Im ig. Jahrhundert hat man unter Ornamentik nur
das verstanden,was es an Zieraten und schmücken-
den Beigaben in der Kunst schon gab, und glaubte
an diesem vorhandenen Ornamentenschatz alter Stile
eine eigene Kunst bilden zu lernen. Das Ergebnis
war ein Zerfall in ein furchtbares Chaos aller Stile und
unverstanden-nachempfundener Ornamente, die bis
zur Übersättigung zur Anwendung gebracht wurden.

Nachdem man schließlich einsehen gelernt hat,
daß auf diese Weise weder Kunst noch Stil zu er-
reichen ist, hat man mit dieser Kunsterziehung auf-
zuräumen begonnen. Die Ornamentenklassen sind
nun endgültig mit samt ihrer Fülle von Gipsmodellen
verschwunden. Alle die Akanthusblätter, Frucht-
kränze, Füllhörner, Girlanden und Amoretten, alle die
Renaissance-Rosetten, die unzähligen griechischen,
römischen und gotischen Kapitäle warf man nach
dieser erschütternden Einsicht über Bord, um endlich
zur Besinnung auf eine eigene Form zu kommen.

Die Hauptursache an dem Zerfall war die kunst-
historische Einstellung, die das Alte zum Vorbild

machte. Damit war jedes eigene Denken und Fühlen
zerstört und das Wertvollste, das Selbstvertrauen im
Schaffen, untergraben. Und wie viele kranken heute
noch an dieser Einstellung und können sich nur in Sti-
len früherer Jahrhunderte wohlfühlen. - Glück heißt
für Nietzsche: »das Vergessen-Können, das Vermögen,
während seiner Dauer unhistorisch zu empfinden.«

Nach diesem Zerfall und Durcheinander waren die
ersten selbständigen Versuche keine glücklichen.
Man glaubte, aus stark bewegten Pflanzenmotiven
einen neuen Stil und Schmuck entwickeln zu können.
Aber durch diese stilistischen Übertreibungen ist
man in eine Entartung geraten, die als »Jugendstil«
von kurzer Dauer war.

Daraufhin setzte eine Reaktion ein, und man
glaubte, ganz frei von Natur und Kunst, im Geiste
der Technik von den Grundformen des Zweckes
ausgehend, die neue Form bilden zu können. In
dieser zu strengen Einstellung neuer Sachlichkeit
sind viele in eine Leere und Nüchternheit geraten,
an der man sich bald satt gesehen hatte.
 
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