INNEN-DEKO RAT ION 347
ARCH. O. DREYER »MUSTERZIMMER EQR EIN BERGHOTEL« EINBAUSCHRANKE, WANDNISCHE ALS GEPACK ABLAGE
KULTUR UND NATUR
enige Situationsreize sind dem eindringlichen
Kontrasterlebnis vergleichbar, welches da ent-
steht, wo sich dem Menschen inmitten strenger, un-
wirtlicher Natur das Behagen einer warmen, kulti-
vierten Behausung auftut. In Stadt und Dorf be-
kommen wir das im allgemeinen kaum zu schmecken.
Aber in Bergwildnis zwischen Schnee und Felsen,
wo die Naturgewalten mit harter Faust zupacken,
da stellt sich im Kontrast zu ihnen das Bild eines
gepflegten Heims mit unvergeßlichem Nachdruck dar.
Wer hat nicht als Kind mit tiefem Behagen über
den Vorstellungen verweilt, welche eine Schilderung
des gastfreundlichen Hospizes auf dem St. Bernhard
wachrief? Oder wem ist die bequeme, teppichweiche
Dampferkabine nicht zum lustvollen Erlebnis ge-
worden beim Gedanken an die wilde Wasserwüste,
von der sie nah umgeben ist? In solchen Fällen er-
scheint Kultur wahrhaft als das, was sie ist: als der
eigentliche Menschenbereich, welcher der Na-
tur abgetrotzt und in einem ständigen Kampfe gegen
sie behauptet wird. Alles was in der städtischen
Wohnung als Selbstverständlichkeit hingenommen
wird — die umhegende Wärme der Holzvertäfelung,
die weiche, hübsch geformte Schlafstätte, die be-
queme Unterbringung von Kleidung und Sportgerät
- das wird im Bergwohnhaus oder Berggasthaus
zur dankbar empfundenen Lebenswohltat. Wo in
solcher Weise die Kultur sich weit in unwirtliche
Naturbezirke hineinwagt, da wird etwas Wesent-
lichesklar: Kultur ist nicht bloße Verteidigung
des Menschenbereichs, sondern sie bewegt
sich in aktivem Vorstoß kämpferisch vor-
an. Das war so am Anfang aller menschlichen Ge-
sittung, und das wird so bleiben, solange der Mensch
etwas vorfindet zum Urbarmachen, zum Erschließen.
Wer dies als bloßen Machthunger des Menschen
deutet, wer nur ein sinn- und zielloses Gewaltstreben
darin sieht, der geht irre. Eindrucksvolle Erfahrungen
haben dem Menschen dargetan, daß er, wenn er der
Natur gegenüber auf Expansion verzichtet, unfehl-
bar ins Hintertreffen gerät und Knecht wird, wo er
Herr sein soll und nur als Herr leben kann. - w. M.
ARCH. O. DREYER »MUSTERZIMMER EQR EIN BERGHOTEL« EINBAUSCHRANKE, WANDNISCHE ALS GEPACK ABLAGE
KULTUR UND NATUR
enige Situationsreize sind dem eindringlichen
Kontrasterlebnis vergleichbar, welches da ent-
steht, wo sich dem Menschen inmitten strenger, un-
wirtlicher Natur das Behagen einer warmen, kulti-
vierten Behausung auftut. In Stadt und Dorf be-
kommen wir das im allgemeinen kaum zu schmecken.
Aber in Bergwildnis zwischen Schnee und Felsen,
wo die Naturgewalten mit harter Faust zupacken,
da stellt sich im Kontrast zu ihnen das Bild eines
gepflegten Heims mit unvergeßlichem Nachdruck dar.
Wer hat nicht als Kind mit tiefem Behagen über
den Vorstellungen verweilt, welche eine Schilderung
des gastfreundlichen Hospizes auf dem St. Bernhard
wachrief? Oder wem ist die bequeme, teppichweiche
Dampferkabine nicht zum lustvollen Erlebnis ge-
worden beim Gedanken an die wilde Wasserwüste,
von der sie nah umgeben ist? In solchen Fällen er-
scheint Kultur wahrhaft als das, was sie ist: als der
eigentliche Menschenbereich, welcher der Na-
tur abgetrotzt und in einem ständigen Kampfe gegen
sie behauptet wird. Alles was in der städtischen
Wohnung als Selbstverständlichkeit hingenommen
wird — die umhegende Wärme der Holzvertäfelung,
die weiche, hübsch geformte Schlafstätte, die be-
queme Unterbringung von Kleidung und Sportgerät
- das wird im Bergwohnhaus oder Berggasthaus
zur dankbar empfundenen Lebenswohltat. Wo in
solcher Weise die Kultur sich weit in unwirtliche
Naturbezirke hineinwagt, da wird etwas Wesent-
lichesklar: Kultur ist nicht bloße Verteidigung
des Menschenbereichs, sondern sie bewegt
sich in aktivem Vorstoß kämpferisch vor-
an. Das war so am Anfang aller menschlichen Ge-
sittung, und das wird so bleiben, solange der Mensch
etwas vorfindet zum Urbarmachen, zum Erschließen.
Wer dies als bloßen Machthunger des Menschen
deutet, wer nur ein sinn- und zielloses Gewaltstreben
darin sieht, der geht irre. Eindrucksvolle Erfahrungen
haben dem Menschen dargetan, daß er, wenn er der
Natur gegenüber auf Expansion verzichtet, unfehl-
bar ins Hintertreffen gerät und Knecht wird, wo er
Herr sein soll und nur als Herr leben kann. - w. M.