ERINNERUNGEN AN EDOUARD MANET
VON
ANTONIN PROUST
II
Couture sah alle seine Pläne durch den Staats-
streich über den Haufen geworfen. Die Repu-
blik hatte bei ihm ein Bild „Der Eintritt der Frei-
willigen ins Heer" bestellt. Die Regierung, die aus
dem Dezemberblut hervorgegangen war, widerrief
diesen Auftrag und forderte ihn statt dessen auf,
die Kapelle der heiligen Jungfrau in der Kirche St.
Eustache auszumalen. Dieser Ersatz erbitterte Cou-
ture aufs höchste. Es kränkte ihn, ein Bild, das
ihn interessierte, unfertig lassen zu müssen, und
noch mehr, etwas zu malen, was ihm unsympa-
thisch war.
Und Manet war der erste, der unter diesem
Gemütszustand zu leiden hatte. Im Herbst 1853
machten wir mit dem jüngeren Alexandre Dumas
eine Fusstour an der Küste der Normandie; in St.
Adresse waren wir zusammen getroffen. Alexandre
Dumas wollte sich, so schien es wenigstens, von
dem soeben stattgehabten Erfolg der „Kamelien-
Fortsetzung
dame" erholen, Manet und ich dagegen, jeder mit
seinem Malkasten versehen, machten mit dem
Feuereifer der Neulinge Studien nach der Natur.
Fern vom Atelier, an den Ufern des Meeres,
hatte sich zwischen Meister und Schülern eine
grössere Vertraulichkeit gebildet. Aber täglich gab
es lebhafte Streitigkeiten zwischen Couture und
Manet, und ein Ungewitter konnte jeden Augen-
blicklosbrechen. Zwei Tage nach unserer Rückkehr
nach Paris, brachten die Ateliergenossen Manet eine
Huldigung für eine Studie dar, die er nach einem
berühmten Modell, Marie la Rousse, gemalt hatte.
Diese Studie war von so hervorragender Kühnheit
in der Ausführung und von einer solchen Sicher-
heit in der Zeichnung, dass sie selbst Ingres Ehre
gemacht hätte, den Manet aufrichtig bewunderte.
Man hatte das Bild ins beste Licht auf eine mit
Blumen geschmückte Staffelei gestellt.
Couture kam, sah flüchtig hin, that, als ob er
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VON
ANTONIN PROUST
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Couture sah alle seine Pläne durch den Staats-
streich über den Haufen geworfen. Die Repu-
blik hatte bei ihm ein Bild „Der Eintritt der Frei-
willigen ins Heer" bestellt. Die Regierung, die aus
dem Dezemberblut hervorgegangen war, widerrief
diesen Auftrag und forderte ihn statt dessen auf,
die Kapelle der heiligen Jungfrau in der Kirche St.
Eustache auszumalen. Dieser Ersatz erbitterte Cou-
ture aufs höchste. Es kränkte ihn, ein Bild, das
ihn interessierte, unfertig lassen zu müssen, und
noch mehr, etwas zu malen, was ihm unsympa-
thisch war.
Und Manet war der erste, der unter diesem
Gemütszustand zu leiden hatte. Im Herbst 1853
machten wir mit dem jüngeren Alexandre Dumas
eine Fusstour an der Küste der Normandie; in St.
Adresse waren wir zusammen getroffen. Alexandre
Dumas wollte sich, so schien es wenigstens, von
dem soeben stattgehabten Erfolg der „Kamelien-
Fortsetzung
dame" erholen, Manet und ich dagegen, jeder mit
seinem Malkasten versehen, machten mit dem
Feuereifer der Neulinge Studien nach der Natur.
Fern vom Atelier, an den Ufern des Meeres,
hatte sich zwischen Meister und Schülern eine
grössere Vertraulichkeit gebildet. Aber täglich gab
es lebhafte Streitigkeiten zwischen Couture und
Manet, und ein Ungewitter konnte jeden Augen-
blicklosbrechen. Zwei Tage nach unserer Rückkehr
nach Paris, brachten die Ateliergenossen Manet eine
Huldigung für eine Studie dar, die er nach einem
berühmten Modell, Marie la Rousse, gemalt hatte.
Diese Studie war von so hervorragender Kühnheit
in der Ausführung und von einer solchen Sicher-
heit in der Zeichnung, dass sie selbst Ingres Ehre
gemacht hätte, den Manet aufrichtig bewunderte.
Man hatte das Bild ins beste Licht auf eine mit
Blumen geschmückte Staffelei gestellt.
Couture kam, sah flüchtig hin, that, als ob er
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