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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 2
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Bombe, Walter: Die Sammlung Crespi
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0131

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PARIS BORDONE, SCHÄFER UND NYMPHE

bleibt dem Staate, jene Anbetung des Kindes von Cor-
reggio. Allerdings wiegt dieses eine Stück manche
grosse Gemäldesammlung auf. Es ist ein Jugendvverk
des Künstlers, zu einer Zeit geschaffen, als er sich von
dem Einfluss seines Lehrers Bianchi-Ferrari noch nicht
völlig befreit hatte, aber schon im Besitze jener Kunst-
mittel war, die später das Farbenwunder der Dresdener
Anbetung des Kindes möglich machten.

Mit besonderer Vorliebe hat Benigno Crespi Werke
seiner heimatlichen lombardischen Meister gesammelt.
Am reichsten ist Andrea Solario vertreten, mit einem
Brustbilde des dornengekrönten Christus, einer Halb-
figur der Madonna, die dem Kinde die Brust reicht, mit
einer tiefempfundenen Addolorata und einem segnen-
den Christus, der ein Spätwerk voll monumentaler, aber
kalter Grösse ist. Von Boltraffio besitzt die Sammlung
Crespi die ehemals bei Colbacchini in Venedig befind-
liche Madonna mit reizendem Landschaftshintergrunde,
von Bernardino Luini einen heiligen Hieronymus in der
Felsenhöhle und aus der Werkstätte Luinis zwei Bilder
Maria Lichtmesse und die Kreuzigung darstellend. Ein
grosses dreiteiliges, auf der Vorder- und der Rückseite
bemaltes Altarstück trägt die echte Signatur „Marci
Ogionis f" und stammt aus der Sammlung Cereda. Dazu
gesellen sich noch zwei Tafeln desselben Leonardo-
schülers mit Heiligendarstellungen. Giampietrino ist
mit zwei reizenden Madonnenbildchen vertreten, Am-
brogio de1 Predis mit einer Madonna, die alle charak-
teristischen Eigentümlichkeiten dieses Meisters zeigt,
und Bernardino de' Conti mit einem männlichen Bildnis
von 1497. Zu den neueren Erwerbungen Crespis ge-
hört Vincenzo Foppas Madonna aus der Sammlung Ber-
tini in Mailand, aber das hervorragendste Stück unter

den Bildern lombardischer Meister
ist Gaudenzio Ferraris ergreifende
Pietä. Den Karton zu diesem Bilde
bewahrt die Accademia Albertina
in Turin. Ein Vergleich mit dem
ausgeführten Gemälde zeigt, dass
die definitive Fassung an Klarheit
der Anordnung gewonnen hat. Das
Bild ist breit und schnell hinge-
malt, und von einem warmen,
goldenen Ton durchleuchtet. Eine
Madonna Gaudenzios in kleinerem
Massstabe ist zwar sehr hübsch und
liebenswürdig, vermag aber einen
Vergleich mit jenem prachtvollen
Madonnenbilde desselben Meisters
nicht auszuhalten, das 1890 die
Brera erwarb. Zu den grösseren
Bildern der Galerie gehört ein
Triptychon von Albertino Piazza,
der heilige Nikolaus von Bari, um-
geben von vier anderen Heiligen und
Daniele Crespis Geisselung Christi.
Neben den Lombarden figurieren die Venezianer
mit Schöpfungen ersten Ranges. Da ist Giovanni Bellinis
herbe, frühe Madonna hervorzuheben, die noch an
Mantegnas strenge Formensprache gemahnt, dann Marco
Marziales grell bunte Pietä, ein Gewirr von leidtragen-
den Verwandten Christi und Angehörigen der Stifter-
familie, alle von befremdender Ausdruckslosigkeit in
den Gesichtern, ferner aus der Schule Antonellos da
Messina ein Brustbild des heiligen Sebastian, dem Ber-
liner Bilde gleichen Gegenstandes verwandt, das auch
nur die Büste des Heiligen giebt, hier aber bereichert
durch den gen Himmel gewandten Blick. Von Barto-
lomeo Veneto ist, nachdem man das schöne Bildnis ver-
kauft hat, noch eine Madonna in anmutiger Bergland-
schaft vorhanden, von Boccaccino eine Madonna vor
dem Fenster, der mittleren Periode dieses Meisters an-
gehörig, aus Marco Basaitis Frühzeit eine Madonna mit
zwei Heiligen, in engem stilistischem Zusammenhang
mit Alvise Vivarini stehend, und von Girolamo Roma-
nino der majestätische kreuztragende Christus. Aus
dem Besitz der Familie Ugoni in Brescia stammt Mo-
rettos Heimsuchung, die in der rührenden Erscheinung
der alten Elisabeth eine Ausdrucksgewalt erreicht, wie
man sie selten bei diesem Meister findet. Von Porde-
none, dem Venturi die vor einem Jahre verkaufte
„Schiavona" zuschrieb,* ist noch die heilige Familie mit
dem Johannesknaben und S. Antonius von Padua zu
sehen, ein Bild, das vor allem durch die hübsche Kinder-
gruppe Leben gewinnt, und eine weniger ansprechende
Madonna mit dem Kinde und dem kleinen Johannes.
Paris Bordone ist nur durch ein Bild vertreten: Schäfer

* La Galleria Crespi in Milano. Nute e raffronti. Milano
1900, p. 134 u. ff.

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