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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 9
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Kurz, Alexander: Der Schmelzer Friedhof
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0481

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Österreich unter dem Zauber einer weislichen Regierung
in tiefen politischen Schlaf gesunken und der Prinz, der
es erweckte, hatte nichts fürstliches an sich. Da war
unweit des stillen Parks Gewaltiges vor sich gegangen,
in der „Bachhendelstadt". Die Weber des Schotten-
grundes waren von Maschinen verdrangt, elendes Ar-
beitervolk trieb seine Wohnungen bis hinaus, wo die
alten Bürger den festen Schlaf schliefen. Die Arbeiter
nun und die unruhige Jugend der Aula weckten Dorn-
röschen wach.

Aber es war kein Kuss, es waren Gewehrsalven und
das Pflaster färbte sich rot. Da flog eine Fahne an dem
alten Stefansturm empor und die Fahne war schwarz-
rot-gold. Die aber um diese Fahne gefallen waren, die
trug ein endloser Zug hinaus zum Schmelzer Friedhof.
Und ein Pfarrer, ein Pastor und ein alter Rabbiner

gingen einträchtig hinter den Sargen und das Volk
weinte um seine Helden.

Und dann war ein Sommer, der das Getreide reift
und die Hoffnungen schwellt. Aber die Hoffnungen
erstarben. Und im Herbst war ein Kaiser, der seine
eigene Hauptstadt belagerte. Viel Kriegsvolk aus dem
Osten, die berüchtigten Serezaner Grenzer stürmten zu-
erst gegen die sonst stille Mauer des Schmelzer Friedhofes.
Die Bürger aber wehrten dahinter die eigene Stadt.

Mit dem alten Kirchhof fallen die Erinnerungen.

Man zerrt die Gebeine ans Licht und es scheint
fast, als ob die alten Schädel lachen, als hätte Nestroy,
der unübertreffliche, soeben einen Hauptspass gemacht.

Draussen aber steht, schreiend und bunt, das un-
vermeidliche Kinotheater und der Ausrufer verkündet
der drängenden Jugend ein grauenvolles Programm.



ANSICHT VOM SCHMELZER FRIEDHOF IN WIEN

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