ERNST BARLACH, SCHLAFENDE VAGABUNDEN
MIT ERLAUBNIS VON PAUL CASSIREK, BERLIN
Schlüsse - glücklicherweise, für die Wertung
einiger des Jüngeren, die von ihm herkommen,
und vor deren Leistungen einem nun der Maass-
stab dafür nicht zur Hand ist, was auf diesem
Wege eine starke naive Persönlichkeit schon ge-
schaffen hat, und dass also dieser Weg gangbar ist.
Im allgemeinen macht sich das Streben nach
Gesetzmässigkeit geltend, man sucht dem Gesetz
der Erscheinung auf die Spur zu kommen. Wie
die Natur aussieht, das interessiert nicht mehr, weil
die Erscheinung zufällig ist und in gewissem Sinne
vom Beschauer abhängt. Was man fühlbar machen
will, ist die Daseinsberechtigung dieser Erscheinung,
die geheime Form, nach der sie sich aufbaut. Da
die Natur ihre Körper mit der Sphäre und dem
Kubus aufbaut, da Farbe und Licht nach bestimm-
ten Zahlen- und Teilungsverhältnissen entstehen,
versucht man heute, mit diesen (wissenschaftlich
ergründeten) Gesetzen konform zu gehen und
Kunst zu schaffen, so wie die Natur Erscheinung
schafft.
Dies ist nicht so umwälzend neu, wie die
Apostel dieser Richtung gern behaupten. Ein Teil
davon steckt in jeder Kunst, wenn sie gut ist, und
das Neue ist nur die Ausschliesslichkeit, mit wel-
cher der Gesetzesstandpunkt vertreten wird. Im
Grunde wollten weder Cezanne noch van Gogh
etwas anderes. Dass ihre Werke oft sehr gross
sind, beruht aber nicht auf diesem Wollen allein,
sondern auf der Stärke ihres Anschauungs- oder Er-
lebnisvermögens, das mit diesem oder, wenn man
will, trotz diesem Zwecke noch Werte schuf, die
sich nicht ausrechnen lassen, sondern der Natur
doch wieder sehr nahe kommen. Wenn Cezanne
ein Stilleben malt, ist er überzeugt, die Birnen da
vor ihm sähen so aus; er will sie abmalen, nicht
übersetzen. Darum ist er so reich. Und wenn
Munch irgendein Seelendrama malt, dann ist er
von dem Ausdruck der Seele so fasziniert, dass er
genug damit hat, wenn dieser erlebte Ausdruck
möglichst rein von ihm auf der Malpappe steht.
Das Andere kommt nebenher. — Von Matisse,
dem Problematiker mit dem grossen Einfluss hängt
in dem Langsaal rechter Hand ein Stilleben, ein
50z
MIT ERLAUBNIS VON PAUL CASSIREK, BERLIN
Schlüsse - glücklicherweise, für die Wertung
einiger des Jüngeren, die von ihm herkommen,
und vor deren Leistungen einem nun der Maass-
stab dafür nicht zur Hand ist, was auf diesem
Wege eine starke naive Persönlichkeit schon ge-
schaffen hat, und dass also dieser Weg gangbar ist.
Im allgemeinen macht sich das Streben nach
Gesetzmässigkeit geltend, man sucht dem Gesetz
der Erscheinung auf die Spur zu kommen. Wie
die Natur aussieht, das interessiert nicht mehr, weil
die Erscheinung zufällig ist und in gewissem Sinne
vom Beschauer abhängt. Was man fühlbar machen
will, ist die Daseinsberechtigung dieser Erscheinung,
die geheime Form, nach der sie sich aufbaut. Da
die Natur ihre Körper mit der Sphäre und dem
Kubus aufbaut, da Farbe und Licht nach bestimm-
ten Zahlen- und Teilungsverhältnissen entstehen,
versucht man heute, mit diesen (wissenschaftlich
ergründeten) Gesetzen konform zu gehen und
Kunst zu schaffen, so wie die Natur Erscheinung
schafft.
Dies ist nicht so umwälzend neu, wie die
Apostel dieser Richtung gern behaupten. Ein Teil
davon steckt in jeder Kunst, wenn sie gut ist, und
das Neue ist nur die Ausschliesslichkeit, mit wel-
cher der Gesetzesstandpunkt vertreten wird. Im
Grunde wollten weder Cezanne noch van Gogh
etwas anderes. Dass ihre Werke oft sehr gross
sind, beruht aber nicht auf diesem Wollen allein,
sondern auf der Stärke ihres Anschauungs- oder Er-
lebnisvermögens, das mit diesem oder, wenn man
will, trotz diesem Zwecke noch Werte schuf, die
sich nicht ausrechnen lassen, sondern der Natur
doch wieder sehr nahe kommen. Wenn Cezanne
ein Stilleben malt, ist er überzeugt, die Birnen da
vor ihm sähen so aus; er will sie abmalen, nicht
übersetzen. Darum ist er so reich. Und wenn
Munch irgendein Seelendrama malt, dann ist er
von dem Ausdruck der Seele so fasziniert, dass er
genug damit hat, wenn dieser erlebte Ausdruck
möglichst rein von ihm auf der Malpappe steht.
Das Andere kommt nebenher. — Von Matisse,
dem Problematiker mit dem grossen Einfluss hängt
in dem Langsaal rechter Hand ein Stilleben, ein
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