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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 2
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Scheffler, Karl: Slevogt als Zeichner
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0073

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freunden bekannt zu machen. Was übrigens auch den
Wünschen Slevogts entsprechen würde, der beim Illu-
strieren immer an das ganze Volk denkt, der seine Illustra-
tionen am liebsten in Massenauflagen verbreitet sähe und
daran nur verhindert wird durch die Sorge um eine muster-
hafte Wiedergabe seiner Lithographien.

Von dieser Sorge um möglichst vollkommene Drucke
gibt die Ausstellung bei Arnold eine deutliche Vorstellung,
weil sie eine Reihe der schönsten Probedrucke enthält
und eine Anzahl jener vom Künstler imprimierten Drucke,
die bei Herstellung der Auflagen als Vorlagen gedient
haben. In keiner Ausstellung Slevogtscher Graphik wohl
hat man so viel der besten Drucke beisammen gesehen.
Man erkennt mit Vergnügen, wie Künstler und Verleger
den Drucker vermocht haben, die feinsten Nuancen
heraus zu bringen und welchen Einfluß auf die Wirkung
ein gutes Papier haben kann. Die Güte des Drucks aber
ist bei Slevogts Graphik besonders wichtig, weil die
Hauptwirkung im Vortrag liegt. Jeder Strich, jede Tiefe,
jede Helligkeit empfängt ihren Reiz von der Art des Vor-
trags. Alles kommt darauf an, das Leichte, das Schwe- i
bende, das Schnelle und Geistreiche, das lebendig Bewegte,
das Zarte und Kühne des Vortrags im Druck zu erhalten.
Ein Druck von Slevogt, unter dem der Druckvermerk des
Künstlers steht, ist darum von ganz besonderem Interesse.

Daneben gibt die Ausstellung wieder einmal eine Vor-
stellung von dem Reichtum der Slevogtschen Produktion.
Sindbad, Lederstrumpf, Ali-Baba und Rübezahl, die
Schwarzen Szenen, die Gesichte, Cortez, Cellini und die
Inseln Wak -Wak, die Ilias, Hektor und die Tapferen
Zehntausend, die Tierfabeln, die Volkslieder und die
Zeichnungen zu Deutschen Märchen: es ist eine erstaunliche
Reihe. Man sieht in der Ausstellung wie ein innerlich
stürmischer Mensch von einem zum andern gerissen wird,
wie er von bildhaften Vorstellungen voll ist, und wie
der Zeichenstiit Mühe hat, der inneren Anschauung nach-
zueilen. Tatsächlich sind ganze Illustrationsreihen in
einer einzigen Nacht entstanden, sie sind hintereinander
wie im Fieber gezeichnet worden. Daß bei dieser im-
provisatorischen, intuitiven Arbeitsweise, die auf das Format
nicht immer genau Rücksicht nimmt, manches Flüchtige
unterläuft, daß die Gestalten nicht immer ganz durch-
studiert und durchgezeichnet sind, daß etwas Schwebendes in
diese ganze Bilderwelt kommt, wird vom Künstler als not-
wendiges Uebel hingenommen. Und es kann auch vom
Betrachter hingenommen werden, angesichts der Fülle von
Gestalt, die Slevogt vor uns ausschüttet, angesichts dessen,
was er für die deutsche Illustration, für die Wiederbelebung
der Lithographie, für die Kunst des gedankenvollen, sinn-
lich frohen Ausdrucks getan hat.

Eine Gruppe für sich bilden in der Ausstellung Zeich-
nungen und Aquarelle. Auch sie haben den Charakter
von Improvisationen und weisen stark auf etwas Dichte-
risches. Es ist bezeichnend, daß in Slevogts Atelier ein
Bild von Delacroix hängt. Wie in der Kunst des Franzosen,
verbinden sich auch in Slevogts Schaffen stets Natur-
anschauungen und erhöhende poetische Vorstellungen.
Wie der Schaffensprozeß ist, läßt sich vor einem Bild
der letzten Jahre, das im Atelier hängt, gut verfolgen.

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MAX SLEVOGT, ZEICHNUNGEN ZUM „CELLINI"

AUSGESTELLT IN DER GALERIE ARNOLD, DRESDEN

Als d'Andrade starb, half Slevogt, der mit dem Sänger
innig befreundet gewesen ist, der Witwe bei der Ein-
kleidung und Aufbewahrung und geriet dabei in eine ganz
verzweifelte Stimmung. Um die grotesken Eindrücke von
dem grausig Puppenhaften, das einem Toten anhaftet, der
eben noch ein lebensprühender Mensch war, zu über-
winden, versuchte Slevogt aus der Erinnerung die nächt-
liche Szene zu malen. Dieses Bild kann man als
naturalistische Darstellung bezeichnen. Es stellte sich
aber heraus, daß damit der Druck nicht vom Gemüt des
Künstlers genommen war. Die innere Befreiung erfolgte
erst, als Slevogt ein zweites Bild malte, worin er den
Vorgang über das Naturalistische emporhob. In diesem
merkwürdigen und schönen Bild erscheint der tote
d'Andrade so, daß man auch auf eine Apotheose Don
Juans — seiner Hauptrolle — schließen könnte; die
Hauptgestalt der trauernden Frau nimmt Züge von Donna
Anna an und das Ganze ist eingehüllt von einer Stimmung,

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