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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 3
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Liebermann, Max: August Gaul
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0087

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wälzung jüngere Kräfte in die Akademie gekommen
sind.

Leider verhinderte die Ungunst der Zeit eine
lückenlose Ausstellung von Gaul's Werken zu
geben; es fehlen einige große Stücke und nur den
hingebenden Anstrengungen von Paul Cassirer ist
es zu danken, daß Gauls Kleinplastik in nie ge-
sehener Reichhaltigkeit gezeigt werden kann. Für
das Fehlen vieler größerer Arbeiten werden wir
reichlich entschädigt durch die Ausstellung des letz-
ten Werkes, des großen Affen: es ist nicht nur
sein letztes, sondern auch sein bedeutendstes Werk.
Ein gewaltiges Werk. Vor 25 Jahren machte er
dazu die erste Skizze, die sich auch in unserer
Ausstellung befindet. Es ist, als ob er seinen frühen

Tod herannahen fühlte und alles, was in ihm war,
noch einmal vor seinem Dahinscheiden zum Aus-
druck bringen wollte: die Entwickelung seines ganzen
Lebens, die Entwickelung vom Schüler zum Meister
liegt darin. Bis in die letzten Tage seines Lebens hat
er daran gearbeitet. Und es war rührend zu sehen,
wie er totkrank, zu schwach um selber den Meisel
zu führen, dem Gehilfen mit dem Bleistift auf dem
Stein vorzeichnete, was er wegzuhauen habe.

Für den großen Künstler, den wir in August
Gaul verehren, sprechen die Werke, die seine Aus-
stellung zeigt, lauter und vernehmlicher als es
Worte vermögen. Den lieben Freund und ihr
hervorragendes Mitglied wird die Akademie stets
in ehrender Erinnerung behalten.

AUGUST GAUL

Reich war Dein Leben. Deiner Seele Fülle
fand Maß, Gestalt und Pfad auf eigner Spur;
Du formtest, in des edlen Tieres Hülle,
die große, ewige, göttliche Natur.

Der Du verschwunden nun aus unsrer Mitte,
wir sahn Dich wandeln, ernster Meister Du,
auf Deinem stillen Weg mit ruhigem Schritte
dem unverrückbar festen 'Ziele zu.

Geliebt und feindlos, lebtest Du in Frieden
mit Welt und Menschen, gut, bescheiden, mild;
den Freunden bleibt, von denen Du geschieden,
In Deinem Lächeln Deines Wesens Bild.

Doch unter dieses Mantels weichen Falten
glänzt eine Rüstung, stählern harte Kraft:
des Willens Ingrimm, und der kalten
Erkenntnis hohe, finstre Leidenschaft ■—
Und unter der bescheidenen Geberde
Der Stolz der Großen Eines dieser Erde! ,

Carl Ebbinghaus

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