Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Sarre, Friedrich: Die mittelalterliche persische Keramik und die Sammlung Dr. Draeger
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0089

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Schriftborten, gleichfalls in Lüster bemalt, in den
Handel gekommen; sie hatten ihren Weg in die
großen europäischen Museen gefunden, ohne doch
recht beachtet zu werden.

Da brachte die PariserWeltausstellung des Jahres
1889 eine Überraschung in der dort ausgestellten
Sammlung eines französischen Arztes, M. Richard,
der seit längerer Zeit in Teheran ansässig, zum
Islam übergetreten war. Man sah hier nicht nur
die schon bekannten Wandfliesen des dreizehnten
bis vierzehnten Jahrhunderts in besonders schö-
nen Beispielen, sondern auch die gleichzeitige,
im Stil und Charakter mit ihnen übereinstim-
mende Gefäßkeramik in mehr und minder gut
erhaltenen Exemplaren und in Scherben, die
bei dem südlich von Teheran befindlichen Wall-
fahrtsorte Schah Abdul Azim in der Erde zum
Vorschein gekommen waren. Es handelte sich
um die Stelle der von den Mongolen im drei-
zehnten Jahrhundert zerstörten, dann aber wohl
noch einige Zeit bestehenden Stadt Raghes. Diese
Kollektion Richard erwarb der kunstverständige
englische Naturforscher und Sammler Prederik
Du Cane Godman (f 1919) und vereinigte sie
mit seiner hervorragenden Sammlung spanischer
und orientalischer Keramik auf seinem Landsitze
bei Horsham in Sussex. Der um die Geschichte
der byzantinischen und islamischen Keramik hoch-
verdiente englische Forscher Henry Wallis ist es
dann gewesen, der in den Jahren 1891 und 1894
durch zwei vorzüglich ausgestattete Werke (Persian
Ceramic Art) die wissenschaftliche Welt mit der
Sammlung Godman und dadurch mit der
persischen Fliesen- und Gefäßkeramik des drei-
zehnten und vierzehnten Jahrhunderts eingehend
bekannt gemacht hat.

Als ich im Winter 1897/98 zum ersten Male
nach Teheran kam, konnte ich zu meinem Ver-
wundern feststellen, daß in den für Altertümer
interessierten europäischen Kreisen (die einheimi-
schen kamen nicht in Betracht) die Sammeltätigkeit
von M. Richard keine Nachfolge und Beachtung
gefunden hatte, und daß man sich noch immer
fast ausschließlich für die jüngeren, blauweißen oder
in Lüster bemalten Fayencen des siebzehnten bis
achtzehnten Jahrhunderts begeisterte. Es sei in
Parenthese hinzugefügt, daß diese persischen Nach-
ahmungen des chinesischen Blauporzellans künst-
lerisch bei weitem die aus demselben Bestreben her-

GIESSGEFÄSS IN FORM EINES HOCKENDEN AFFEN
GRÜNE FAYENCE MIT SCHWARZER BEMALUNG
PERSIEN 13.—14. JAHRHUNDERT, abb. 2

sammlung dr. draeger

vorgegangenen Delfter und sonstigen europäischen
Fayencen der Zeit übertreffen. Die Ergebnisse der
damals noch in bescheidenen Grenzen und heimlich
vorgenommenen Raubgrabungen der Bewohner von
Schah Abdul Azim fanden im Lande selbst kaum
Beachtung, und die Funde wurden meistens direkt
nach Paris und London ausgeführt. Trotzdem war
es mir damals in Teheran durch Vermittelung eines
sehr intelligenten Antiquitätenhändlers, des Ru-
mänen M. Filippo, mit dem ich seitdem ständig
in Verbindung geblieben bin, möglich, eine Reihe
von hervorragenden Beispielen der mittelalterlichen
Fliesen- und Gefäßkeramik zu erwerben, die man
damals in den Sammlerkreisen Teherans kaum
schätzte, und die jetzt zu den Glanzstücken der
Islamischen Abteilung der Berliner Museen gehören.

In Europa nahm, im Zusammenhang mit dem
immer größeren Umfang annehmenden Export
der Funde von Raghes, Suitanabad und anderen
Ausgrabungsstätten, das Interesse für die persische

79
 
Annotationen