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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 21.1923

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Heft 3
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Bartning, Otto: Religion und Kirchbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4655#0101

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Innerer Durchmesser 28 m. Der Predigtraum
samt Gängen und Kanzelplatz hat 470 qm bei
700 Sitzplätzen, d. h. weniger als 0,70 qm je Sitz-
platz, während man selbst bei Emporenkirchen
mindestens 0,70 qm Grundfläche je Sitzplatz rech-
net. Die streng zentrale Gestühlanordnung ist
also sparsam. Das Gesamtfassungsvermögen der
Kirche ist rund 1000 Personen. Gesamtraum rund
615 qm Grundfläche. Innere Kuppelhöhe 14 m.
Gesamtkirche rund 5100 cbm umbauten Raumes.

Eine normale Schiffkirche von gleicher Grund-
fläche und gleicher 14 m Raumhöhe benötigt rund
8500 cbm umbauten Raumes. D. h. die Sternkirche
hat vierzig Prozent weniger umbauten Raum, ihr
Prinzip ist also entsprechend sparsamer.

Die im Modell dargestellte Kirche ist als freie
Bekrönung einer Anhöhe gedacht. Läge sie zwischen
Gebäuden in der Stadt, so müßte sie in anderer
Fassung einen Unterbau erhalten, in welchem
Gemeinderäume liegen könnten. Für den dar-
über sich aufbauenden Kirchenraum wären die
Vorteile der besonderen Konstruktion sinngemäß
anwendbar.

So kann und will die „Sternkirche" nur eine
prinzipielle Fassung des Problems darstellen. Die
lebendigen Lösungen der Aufgabe erwachsen aus
Grundstück, Landschaft und allen besonderen Be-
dingungen der Einzelaufgabe. Die drei- und mehr-
flüglige Zentralanlage, die nach einer einzigen

Achse gerichtete und gesteigerte Langkirche, die
Emporenkirche, das mit vielerlei Gemeinderäumen
verbundene „Gemeindehaus" gilt es zu bearbeiten
und zu gestalten, im gleichen Sinne als Ausdruck
der Gemeinschaft und der liturgischen Einheit.

Die Aufgabe steht vor uns, greifen wir sie an
ohne stilistisch-romantische Voreingenommenheit
mit den klaren Mitteln heutigen Handwerks, heutiger
Technik, den verzweifelten Geld-Ziffern zum Trotz!
Gerade diese Frist des Wartens und Sammeins gibt
uns Zeit zum Planen und Reifen, und wiederum
ein reifer Plan schafft den Willen und die Mittel
zum Bau. So wende man nicht ein, daß wir zum
Kirchenbauen überhaupt zu arm geworden seien
und die ganze Frage auf Jahrzehnte zurückstellen
sollten. Nein, die geistige Not bedarf heute stärker
der Kirche als unsere gestrige Sattheit. Und wenn
aus dieser geistigen Not heraus Kirchen entstehen,
die — aus wirtschaftlicher Not — mit der spar-
samen Sachlichkeit moderner Technik durchgedacht
und mit handwerkgerechter Kunst gestaltet sind,
dann kann gerade die „Notkirche" ein unendlich
lebendiges und ausdrucksvolles Bild der Zeit und
ein ehrenvolles Zeichen geistiger Überwindung
materieller Not werden. So ist die Notkirche
nicht ein zaghafter Behelf oder eine entsagungs-
volle Nebenaufgabe, sondern die freudevolle Kern-
aufgabe für Baumeister und bildende Künstler, für
die Kirche und für die Gemeinden.





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OTTO BARTNING, DIE STERNKIRCHE. AUSSENANSICHT. NACH DEM MODELL

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